This Life of Mine

„This Life of Mine“ // Deutschland-Start: nicht angekündigt

Inhalt / Kritik

Bei seiner Arbeit in einer Papierfabrik verdient der namenlose Protagonist (Shi Hui) nicht genug, um seine Familie zu ernähren. Von seinem Nachbarn Herrn Zhao (Heling Wei) bekommt er eines Tages den Tipp, er solle es doch bei der Polizei versuchen. Neben einer guten Bezahlung sei der Job leicht, und er bekomme zudem noch eine Uniform, erzählt Zhao weiter. Der Protagonist ist sofort überzeugt, und schon am nächsten Tag spricht er bei der Polizei vor, um seine erste Streife zu beginnen. Voller Selbstbewusstsein zieht er durch sein Viertel, wobei ihm Zhao weiterhin mit wichtigen Ratschlägen für seinen Dienst beisteht.

Als es eines Tages zu einem blutigen Aufstand im Viertel kommt, lernt unser Held seine erste wichtige Lektion. Anstatt einzugreifen, flüchten seine Kollegen vor den Angreifern und ihren Säbeln. Auf seine Verwirrung reagieren sie nur mit Gelächter: Solange es nicht die wohlhabenden Bürger Beijings betrifft, schreiten sie nicht ein und setzen ihr Leben nicht aufs Spiel. Es ist die erste von vielen Lektionen, die unser Held lernen muss. Doch die Zeiten bleiben nicht so stabil, wie es sich seine Vorgesetzten wünschen. Als das Kaiserreich endet und später die Zeit der japanischen Besatzung beginnt, verändert sich nicht nur die Arbeit unseres Protagonisten, sondern auch seine Welt grundlegend.

Geschichte aus der Sicht des „kleinen Mannes“

Die Filme des Regisseurs Shi Hui nehmen einen fast schon widersprüchlichen Platz innerhalb der chinesischen Filmlandschaft ein. This Life of Mine markiert den Beginn einer Periode seines Schaffens, die sich mit vielen Eckpfeilern der Geschichte, Politik und Gesellschaft seines Landes befasst, wobei die Perspektive nicht immer systemkonform ist und mehr als einmal kritische Töne aufweist. Darüber hinaus setzt Hui in seinen Geschichten immer wieder einfache Bürger in den Mittelpunkt, aus deren Sicht der Zuschauer eine teils alternative Sichtweise auf historische Ereignisse erhält, die sich von anderen Narrativen abhebt. This Life of Mine, der aktuell auf dem Chinesischen Filmfest München zu sehen ist, kann man als Übergangswerk sehen zu einer Zeit, in der die Kultur schon bald wieder sehr systemnah wurde und von der Zensur kontrolliert wurde. Außerhalb des geschichtlich-politischen Kontexts ist Shi Huis Film zudem ein Werk, das mit dramatischen und satirischen Tönen eine Perspektive auf große Zusammenhänge zeigt, deren Verlierer doch immer nur die sind, die in der sozialen Hierarchie ganz unten stehen.

Dieses extreme soziale Gefälle bildet dann auch den Beginn von This Life of Mine. Aus dem Off kommentiert der namenlose Protagonist Bilder von bedeutenden Bauten Beijings wie dem Sommerpalast, dem Tempel des Himmels oder dem Bronzenen Pavillon. Abgesehen von den Hintergründen zu den einzelnen Bauwerken bemerkt man im Tonfall der Hauptfigur bereits eine gewisse Müdigkeit, die keineswegs nur von seinem Alter herrührt. Vor dem inneren Auge des Zuschauers erzählt er anhand dieser Orte, wie Dynastien untergehen, sich Herrscher selbst umbringen oder nur unter großem materiellem Aufwand ihre Vision Wirklichkeit werden lassen.

Der plötzliche Schnitt zu den Arbeitern in den armen Wohngegenden der Stadt ist nicht nur ästhetisch ein Stilbruch, denn diese Menschen sind es, für die sich nichts oder nur sehr wenig geändert hat, wie der Protagonist erwähnt. Diese Dichotomie wird zu einem narrativen und formalen Leitmotiv in der nun folgenden Erzählung, bei der unser namenloser Held von seinen Erfahrungen als Polizist erzählt – einem Verbindungsglied dieser beiden Extreme innerhalb der sozialen Hierarchie. Shi Hui beobachtet, wie sich das Gemüt des sympathischen, wenn auch naiven jungen Mannes über die Jahre verändert und zu jenem verbittert-erschöpften Tonfall wird, den wir in den ersten Minuten von This Life of Mine erleben.

Ewige Ohnmacht

Das Besondere an Shi Huis Figur ist, dass sie versucht zu handeln, aber wiederholt ihre eigene Ohnmacht demonstriert bekommt. Hui spielt den Helden als eine Mischung aus Einfaltspinsel und wankelmütigem Bürger, der immer in einem Konflikt zwischen den Vorgaben seines Amts als Polizist und seiner moralischen Verpflichtung steht. Während der Bewegung des 4. Mai sind er und ein Kollege als Wachen für das Haus eines wohlhabenden Kaufmanns abkommandiert worden. Als der wütende Mob von unserem Helden verlangt, er möge ihnen nicht länger im Weg stehen, kommt es zu einem Dialog, der sinnbildlich für die Mischung aus Komik und Tragik steht, die Liuqing Yangs Drehbuch ausmacht. Unser Held versteht die Wut der Menschen, sieht sich aber zugleich in der Pflicht gegenüber einem Menschen, der ihn wenige Minuten später barsch von sich weisen wird. Im Grunde muss man beim Begriff „Held“ schon stoppen, denn Shi Huis Figur ist – wie die genannten und viele andere Momente zeigen – kein solcher, wenn er nur passiv bleibt. Das Passive ist jedoch keinesfalls eine intendierte Haltung der Hauptfigur, denn sie ist vielmehr eine aufgezwungene Einstellung, die ihm von Geburt an zuteilwird – wie auch den anderen Bewohnern seines Viertels.

Die Kommentare auf soziale Hierarchien und die Ohnmacht des einfachen Volkes sind das, was This Life of Mine ausmacht. Erzählerisch wirkt der Film aus heutiger Sicht dennoch sehr träge und wiederholt leider auch viele seiner Themen und Erkenntnisse. Zwar verschärft sich der Ton – besonders im letzten Teil des Films, der während der Nachkriegszeit und des Konflikts zwischen Nationalisten und Kommunisten spielt –, jedoch antizipiert der Zuschauer schon die weitere Entwicklung des Helden wie auch seiner Welt.

Credits

OT: „Wo zhe yibeizi“
Land: China
Jahr: 1950
Regie: Hui Shi
Drehbuch: Liuqing Yang
Musik: Yijun Huang
Kamera: Ge Weiqin
Besetzung: Hui Shi, Heling Wei, Yang Shen, Wei Li, Zhi Cheng

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This Life of Mine
fazit
„This Life of Mine“ erzählt aus der Sicht eines einfachen Streifenpolizisten von tiefgreifenden politischen und gesellschaftlichen Umbrüchen in China. Shi Huis Film changiert zwischen Komik und Tragik, wobei die Kommentare auf die Ohnmacht des einfachen Volkes besonders ätzend inszeniert sind. Der träge, etwas redundante Erzählstil bildet einen großen Kritikpunkt, gerade aus heutiger Sicht.
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