© Chinesisches Filmfest München 1963

The House of 72 Tenants (1963)

„The House of 72 Tenants“ // Deutschland-Start: nicht angekündigt

Inhalt / Kritik

In den Städten Chinas ist Wohnraum knapp, und wer das Glück hat, eine Wohnung zu finden, muss jeden Monat horrende Mieten aufbringen. Ba Gu (Tam Yuk-Chan) gehört eines dieser überfüllten Altstadthäuser – und auch sie bildet keine Ausnahme. Mit 72 Mietparteien ist das Gebäude hoffnungslos überbelegt, doch Ba Gu denkt nicht daran, die Mieten zu senken. Im Gegenteil: Jede Gelegenheit wird genutzt, um den Bewohnern noch mehr Geld aus der Tasche zu ziehen. Unterstützt wird sie dabei von ihrem Ehemann Bing-Chen (Man Kok-Fei), der eine berüchtigte Schlägerbande anführt, sowie von dem korrupten Polizisten „369“ (Wong Chung), der den Mietern mit Räumungen droht, sollten sie den Forderungen der Vermieterin nicht nachkommen.

Trotz der hohen Mieten, Zusatzgebühren und Bußgelder, die Ba Gu selbst bei kleinsten Regelüberschreitungen kassiert, ist ihr das Geld nicht genug. Bing-Chen schlägt schließlich vor, den Bewohnern kurzerhand zu kündigen und das Haus in ein Bordell und ein Kasino umzubauen – ein Geschäft, das deutlich höhere Gewinne verspricht. Mit ihren guten Kontakten zur Polizei wollen die beiden ihren Plan so schnell wie möglich umsetzen. Doch unterdessen haben die Mieter Gerüchte über das Vorhaben aufgeschnappt. Anstatt sich einzuschüchtern zu lassen, schließen sie sich zusammen und sind entschlossen, sich mit allen Mitteln gegen die Vertreibung zu wehren.

Kritik und Komik

Eine bessere Publicity hätte sich Regisseur Wang Weiyi für seinen Film The House of 72 Tenants wohl nicht vorstellen können, als er wegen seiner systemkritischen Haltung ins Kreuzfeuer der Kritik geriet. Als das Publikum jedoch den fertigen Film sah, konnten sich die Zuschauer vor Lachen kaum halten, wie sich der Regisseur in Interviews erinnert. Dank dieser Reaktionen konnte The House of 72 Tenants dann doch öffentlich gezeigt werden und wurde schnell zu einem kommerziellen Erfolg. Aus heutiger Sicht könnte der Beitrag vom Chinesischen Filmfest München 2025 zu sehen ist, wohl nicht aktueller sein, passt er doch perfekt zu Diskussionen um Themen wie Mietpreisbremse oder Gentrifizierung. Wang Weiyi zeigt satirisch überhöht ein System, das nicht bei den Vermietern aufhört, sondern weit vernetzt ist und sogar Institutionen wie die Polizei für seine Belange in Beschlag nimmt. Der Inszenierung sieht man jedoch an, dass als Vorlage ein bekanntes Theaterstück genutzt wurde, denn sie scheint mehr für die Bühne als für den Film ausgerichtet zu sein.

Sozialkritik und Komik gehen in Wang Weiyis Film von der ersten Minute an Hand in Hand. Die Kamera fängt zunächst das Panorama des Handlungsortes ein, in dem geschäftiges Treiben herrscht. Die Mieter scharen sich um den Brunnen im Innenhof des Hauses, dessen Hahn aber von der Vermieterin mit einem Schloss abgesperrt wurde. Sie besteht auf der noch ausstehenden Miete der Menschen, wobei sie keine Widerworte oder gar Kritik zulässt – und die erbosten Mietparteien, die längst gezahlt haben, geflissentlich ignoriert. Man merkt schnell, dass es schon längst nicht mehr „nur“ um die monatliche Miete geht, denn hier geht es um einen Machtkampf, den Ba Gu und ihr Mann für sich entscheiden wollen. Indem sie über das Nötigste entscheiden – in diesem Falle das Wasser – betonen sie ihre Überlegenheit, die mittels der folgenden Slapstick-Einlagen sowie dem Wortwitz der Dialoge wieder ins Komische gelenkt wird. Dennoch ist der Ernst der Lage jederzeit präsent, denn hier werden Menschen ausgebeutet, instrumentalisiert und gedemütigt. Darüber hinaus soll auch jedes Gefühl für Gemeinschaft zerschlagen werden.

Profit mit der Not

Der Wohnkomplex, den The House of 72 Tenants zeigt, ist ein Abbild gesellschaftlich-politischer Mechanismen. Die bereits erwähnte bühnenhafte Inszenierung wirkt zwar stellenweise gestelzt und altmodisch, jedoch unterstreicht sie auch die Beispielhaftigkeit vieler Ereignisse. Ein Schneider wird von der Vermieterin abgelenkt und vergisst das heiße Bügeleisen, das derweil die Hose eines Arztes beschädigt. Zum Gespött aller Umstehenden zieht dieser nichtsahnend später die kaputte Hose an, wobei sein linkes Bein halb entblößt ist. Ihre Schuld an dem Vorfall will die Vermieterin natürlich nicht einräumen, womit sie alles nur noch schlimmer macht und für noch mehr Verwirrung sorgt. Selbst die Eindeutigkeit einer Tat oder eines Irrtums ist nicht gegeben, sofern man über genügend Macht verfügt, um das Narrativ zu ändern. Die Demütigung eines Anderen wird billigend in Kauf genommen, während man die eigene selbstverständlich nicht duldet – und sofort mit entsprechenden Strafen und Drohungen ahndet.

Die erwähnte Inszenierung hat auch ein entsprechendes Schauspiel zur Folge. Subtil ist hier nichts, sondern vielmehr groß und laut, was bisweilen einen störenden Kontrast zur ernsten Grundproblematik darstellt. The House of 72 Tenants ist nicht ohne Lacher und komische Momente, doch mehr als einmal bleibt einem das Lachen im Hals stecken.

Credits

OT:Chat sup yee ga fong hak
Land: China
Jahr: 1963
Regie: Weiyi Wang
Drehbuch: Weiyi Wang, Kuk-Lau Wong
Kamera: Hong-Ming Liu, Yun-Hui Wang
Besetzung: Yuk-Chan Tam, Kok-Fei Man, Kwok-Wa Che, Yim-Ling Lee, Wai-Ching Ng, Chim Poon, Chung Wong

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The House of 72 Tenants (1963)
fazit
„The House of 72 Tenants“ ist eine Satire über Ausbeutung und Willkür, gegen die nur die Gemeinschaft hilft. Wang Weiyi behandelt in seinem Film ernste und erschreckend aktuelle Themen, doch die altmodische Inszenierung sowie die teils deplatziert wirkenden komischen Momente sind Anzeichen einer insgesamt eher unausgegorenen Herangehensweise.
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