Buzzheart
© Busch Media Group

Buzzheart

„Buzzheart“ // Deutschland-Start: 27. November 2025 (DVD / Blu-ray)

Inhalt / Kritik

Der junge Argiris (Claudio Kaya) staunt weder über die Grenzüberschreitung im Behandlungszimmer – die Physiotherapeutin Mary (Konstantina Messini) holt ihm während einer Sitzung einen runter – noch über die sich unmittelbar anschließende Einladung zu einem Wochenende bei ihren Eltern (Evelina Papoulia, Yorgos Liantos) in einem abgelegenen Landhaus. Argiris sagt zu, ohne mit der Wimper zu zucken. Doch kaum angekommen, kippt die Situation in eine leicht verschobene Wirklichkeit: Das Architektenhaus wirkt glatt und zugleich seltsam, im Gästezimmer steht eine bepflanzte, funktionslose Toilettenschüssel wie ein fremder Organismus, Die Mutter Sandra, eine ehemalige Psychologin und nunmehrige Raumausstatterin, begegnet Argiris mit einer Mischung aus professioneller Diagnosebereitschaft und familiärer Übergriffigkeit. Auch Kinderarzt Yorgos, Marys Vater, verhält sich merkwürdig kontrollierend. Als Mary schließlich andeutet, ihre Eltern hätten sie als Kind womöglich zu Experimenten benutzt, und die Familie offenbart, sie wolle Argiris mit einer Reihe von Tests auf seine Tauglichkeit als Schwiegersohn prüfen, verdichtet sich das Unbehagen eines Wochenendes, das sich langsam, aber unaufhaltsam in ein Bedrohungsszenario verwandelt.

Greek Weird Wave

Mit Buzzheart kehrt Dennis Iliades nach langer Abwesenheit in die griechische Filmlandschaft zurück. Nach seinem Debüt Hardcore (2004) verlagerte er seine Arbeit überwiegend in den US-Genrefilm und drehte unter anderem das Remake von The Last House on the Left, die Party-Horrorfantasie Party Invaders, den Psychothriller Delirium sowie den Slasher He’s Out There. Nun unternimmt er den Versuch, seine Rückkehr mit einem späten Beitrag zur sogenannten Greek Weird Wave zu verbinden, deren prominentester Vertreter Yorgos Lanthimos, dessen Dogtooth als Beginn der Welle gilt, den Sprung ins internationale Arthouse-Kino längst vollzogen hat. Dabei ist entscheidend, dass die Greek Weird Wave weniger als ein stilistisches Label zu begreifen ist, sondern als cineastische Reaktion auf die traumatischen Folgen der Finanzkrise von 2008, die Griechenland gesellschaftlich wie politisch erschütterte. Buzzheart stellt sich nachträglich in diese Tradition und präsentiert sich als verspätetes Echo auf eine Bewegung, die ihren Zenit bereits überschritten hat.

Iliades macht früh deutlich, dass es ihm nicht um naturalistische Abbildung geht. Das Haus der Eltern, seine Oberflächen und Winkel, die Blickachsen der Kamera – all das markiert von Beginn an eine Welt, in der die Realität einen feinen Riss bekommen hat. Zunächst sind es nur leichte Irritationen: die merkwürdig arrangierten Räume, die Körperhaltung der Eltern, ihre überhöfliche, aber in jeder Sekunde spannungsgeladene Sprache. Spätestens mit Marys Erzählung von wiederkehrenden Träumen, in denen sich ein Verdacht über mögliche Experimente ihrer Eltern an ihr als Kind sedimentiert, rückt der Film endgültig in eine Sphäre des Unwirklichen. Wenn schließlich die Prüfungen beginnen, mit denen Argiris’ Eignung als künftiger Schwiegersohn ausgelotet werden soll, überschreitet Buzzheart zwar nicht die Grenze ins offen Surreale, aber das Verhalten der Familie wird Stück für Stück absurder, die Regeln ihres Mikrokosmos immer weniger nachvollziehbar.

Psychologische Experimente

Der deutsche Verleih spricht vollmundig von Tests, die „in brutalster Weise eskalieren“ – eine Formulierung, die an den Marketington des Horrorkinos erinnert, dem Iliades entstammt, und die der filmischen Realität nur bedingt entspricht. Die Prüfungen, denen Argiris unterzogen wird, sind zunächst von beinahe banaler Alltäglichkeit. Die ehemalige experimentelle Behavioristin Sandra inszeniert Szenarien, die eher der experimentellen Psychologie entstammen als einem klassischen Folterkeller: Argiris soll in einen verdreckten, von Laub bedeckten Pool springen, Multiple-Choice-Fragen beantworten, sich in einer Partie Völkerball bewähren.

Die Brutalität liegt – wenn überhaupt – weniger in der physischen Eskalation als in der beständigen Verschiebung der Grenzen des Erträglichen. Lange bleibt unklar, welchem Zweck das alles dient: Sind Marys Eltern schlicht wahnsinnig, radikale Helikopter-Eltern, die im Namen des Wohlergehens ihrer Tochter jedes Maß verlieren, oder sind sie nur grotesk überzeichnete Platzhalter für eine Gesellschaft, die Intimität in Kontrollszenarien übersetzt? Rückblenden zu einem früheren gemeinsamen Abendessen, die mögliche Motivationen liefern könnten, verweigern klare Antworten und verstärken eher das Gefühl einer Konstruktion, die ihre eigenen Bedingungen nicht vollständig kennt.

Je länger das Wochenende dauert, desto stärker franst die innere Logik der Figuren aus. Nicht nur Marys Eltern verhalten sich zunehmend erratisch; auch Argiris selbst reagiert mit einer Passivität, die weniger wie ein psychologisch nachvollziehbares Verhalten wirkt, sondern eher wie eine bewusste Entscheidung des Autors. Man fragt sich wiederholt, weshalb er nicht längst die Flucht ergreift. Mary wiederum bleibt in ihrer Sprunghaftigkeit schwer fassbar – mal Komplizin, mal Opfer, mal Motor der Handlung. Immer wieder hat man den Eindruck, hier sollen vor allem bizarr wirkende Einfälle vorgeführt werden, ohne dass sie in einer klaren emotionalen oder gesellschaftlichen Logik verankert wären. Am Ende bietet Iliades eine Auflösung an, die überraschend stimmig ist und das Gesehene in ein anderes Licht rückt. Doch die Frage, ob diese Pointe das Gewicht von rund 90 Minuten stilistisch kompetent inszenierter, aber über weite Strecken spannungsarmer und psychologisch unterfütterter Mittelmäßigkeit trägt, bleibt offen – und wird jeder Zuschauerin und jedem Zuschauer von Buzzheart eine eigene, vielleicht ebenso ambivalente Prüfung abverlangen wie den Figuren im Film.

Credits

OT: „Buzzheart“
Land: Griechenland, USA
Jahr: 2024
Regie: Dennis Iliadis
Buch: Dennis Iliadis
Musik: Vasilis Dokakis, Coti K.
Kamera: Evan Maragkoudakis
Besetzung: Evelina Papoulia, Yorgos Liantos, Konstantina Messini, Claudio Kaya

Bilder

Trailer

Kaufen / Streamen

Amazon (DVD „Buzzheart“)

Bei diesen Links handelt es sich um sogenannte Affiliate-Links. Bei einem Kauf über diesen Link erhalten wir eine Provision, ohne dass für euch Mehrkosten entstehen. Auf diese Weise könnt ihr unsere Seite unterstützen.




(Anzeige)

Buzzheart
fazit
„Buzzheart“ ist ein Film, der formal sauber inszeniert ist und immer wieder interessante visuelle Ideen zeigt, jedoch inhaltlich und emotional nur bedingt überzeugt. Die Figuren agieren oft irrational, die Spannung bleibt diffus, und die surrealen Momente wirken teils beliebig. Dennoch bietet die überraschende Auflösung einen Moment der Klarheit, der die Reise durch die seltsame, verstörende Welt des Films belohnt.
Leserwertung0 Bewertungen
0
6
von 10