
John D. (Fabio Testi) liebt es, am Strand des kleinen französischen Küstenstädtchens zu sitzen und hinaus aufs Meer zu blicken. Oder auch auf die junge Frau, die sich in der Sonne räkelt. Geblendet von dem Licht, das sich in ihrem Getränk reflektiert, denkt er zurück an früher, an die 1960er. Damals als junger Mann (Yannick Renier) war er als Geheimagent tätig und musste die gefährlichsten Aufgaben übernehmen, wenn er etwa Menschen beschützen oder Verbrecher jagen musste. Dabei kreuzte sich sein Weg mehrfach mit dem der maskierten Killerin Serpentik, bei der niemand sagen kann, wer sie eigentlich ist …
Referenz an 60er-Jahre Spionagethriller
Wenn Hélène Cattet und Bruno Forzani einen Film drehen, weiß man schon im Vorfeld, dass da etwas ganz Besonderes herauskommt. Ob mit Amer – Die dunkle Seite der Träume (2009), The Strange Colour of your Body’s Tears – Der Tod weint rote Tränen (2013) oder Leichen unter brennender Sonne (2017), das Regie- und Drehbuchduo verzückte und verwirrte mit sonderbaren Werken, die alten Klassikern nachempfunden sind, daraus aber etwas ganz Eigenes geschaffen haben. Und das gilt dann auch für ihren vierten Film Reflection in a Dead Diamond. Auf diesen hatte man zwar erstaunlich lang warten müssen, siebeneinhalb Jahre waren seit dem vorangegangenen Film vergangen. Aber die Wartezeit hat sich gelohnt, da der neueste Streich des belgischen Gespanns auf bekannten Merkmalen aufbaut und doch irgendwie einzigartig ist.
Nachdem sich die beiden zuvor beispielsweise des Giallos und des Westerns angenommen haben, steht dieses Mal ein anderes Genre auf dem Programm: der Spionagethriller. Genauer orientieren sie sich an der 60er-Jahre-Version, als nach dem gigantischen Erfolg von James Bond viele versuchten, sich mit ähnlichen Filmen ein Stück vom Kuchen abzuschneiden. Dass die ältere der beiden Zeitebenen von Reflection in a Dead Diamond während eben dieser Phase spielt, ist schließlich keine zufällige Entscheidung. Schon immer verstanden es Cattet und Forzani, Verweise auf ein Kino vergangener Zeiten einzubauen. Anders als aber so manch andere Filmschaffende, die primär auf Nostalgie setzen, machen es sich die beiden cineastischen Chronisten nicht ganz so einfach. Vielmehr zerlegen sie die Vorlage und setzen sie neu zusammen.
Audiovisuelles Wunderwerk
Bei Reflection in a Dead Diamond gilt das sogar wörtlich. Immer wieder zerfallen Szenen in Details, die neue Bilder ergeben. Nichts ist in dem Film beständig, wenn sich Menschen verwandeln, der Blick hinter Masken neue Masken enthüllt und auch die Grenze zwischen den Zeiten aufgelöst werden. Der Blick auf das sich reflektierende Licht zu Beginn ruft Erinnerungen hervor bei dem Protagonisten, die dann mit der Gegenwart verschmelzen. Wo das eine beginnt und das andere aufhört, ist dabei oft nur schwer zu sagen. Allgemein ist das hier kein Film für ein Publikum, das klare Antworten braucht. Auch wenn die Fragmente sich zu Bildern zusammensetzen, eine durchgängige Geschichte entsteht daraus nicht. Zwar wird einiges mit der Zeit klarer, wenn wir mehr über den Protagonisten und seine Abenteuer erfahren. Es wird aber kein Plot daraus, vergleichbar zu Bond, den man irgendwie in Worte fassen könnte. Die Reminiszenz an ein früheres Leben und an das Kino von einst, will erlebt, nicht verstanden werden.
Als Erlebnis ist das hier dafür unglaublich. Der Thriller, der auf der Berlinale 2025 Weltpremiere feierte, ist ein audiovisuelles Wunderwerk, das mit seiner kunstvollen Inszenierung fasziniert. Der Einfallsreichtum des Duos ist dabei bewundernswert, wenn sie das Publikum mit auf einen Trip nehmen, der von Minute zu Minute surrealer zu werden scheint. Wer Spaß am Interpretieren hat, bekommt bei Reflection in a Dead Diamond einiges zu tun, man kann hier problemlos Wochen und Monate mit Analysen verbringen. Darf über das Thema Identität nachdenken, über die Natur des Erinnerns oder auch wie wir zum Spiegel unserer Zeit werden. Man kann sich aber auch ebenso bequem zurücklehnen und diesen Bilderrausch genießen, von dem ganz viele Eindrücke zurückbleiben, selbst wenn man gar nicht so genau sagen kann, was man da gerade gesehen hat.
OT: „Reflet dans un diamant mort“
Land: Belgien, Luxemburg, Italien, Frankreich
Jahr: 2025
Regie: Hélène Cattet, Bruno Forzani
Drehbuch: Hélène Cattet, Bruno Forzani
Kamera: Manu Dacosse
Besetzung: Fabio Testi, Yannick Renier, Koen De Bouw, Thi May Nguyen
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