Spermageddon
Szenenbild von Rasmus A. Sivertsens Animationskomödie "Spermageddon" (© Charades )

Rasmus A. Sivertsen [Interview]

Rasmus A SivertsenSpermageddon (ab 6. Oktober 2025 digital erhältlich) erzählt die Geschichte des unsicheren Jugendlichen Jens, der zum ersten Mal in seinem Leben Sex hat. So ganz weiß er nicht, was er da tut. Glücklicherweise ist Lisa aber geduldig. Sie ist es auch, die darauf achtet, nicht schwanger zu werden. Das wiederum ist ein Problem für die Spermien von Jens, die sich darauf freuen, endlich einmal ihr Können zu zeigen und sich auf ein beschwerliches Abenteuer begeben, um an ihr Ziel zu gelangen: die Eizelle. Wir haben Rasmus A. Sivertsen, der gemeinsam mit Tommy Wirkola Regie geführt hat, bei der Weltpremiere beim Annecy Festival 2024 getroffen. Im Interview spricht er über die Entstehungsgeschichte der Animationskomödie, singende Spermien und das Tabu eines ungeschickten ersten Mals

Man kennt dich für eine Reihe von Animationsfilmen für Kinder wie Louis & Luca – Das große Käserennen oder Sowas von super!. Spermageddon geht da schon in eine deutlich andere Richtung. Wie kam es dazu?

Spermageddon ist mein 13. Film. Und es stimmt, dass ich eine Reihe von Kinderfilmen gemacht habe. Aber ich habe auch an Satiren gearbeitet. Es war also nichts völlig Neues für mich, auch mit Humor für ein erwachsenes Publikum zu arbeiten. Und ich liebe es, zwischendurch auch so etwas zu machen. Als Tommy Wirkola auf mich zukam, der immer Filme für Erwachsene macht, und mich fragte, ob wir zusammen einen Film drehen wollen, habe ich sofort zugesagt. Er hat so verrückte Ideen, dass das nach einer spannenden Kooperation aussah. Er wollte auch, dass der Film wie ein Familienfilm aussieht, um den Kontrast zwischen der Optik und dem Inhalt zu schaffen. Sonst hätte der Humor nicht funktioniert. Wir wollten einen süßen, warmherzigen Film und nichts, was zu vulgär wäre.

Und wie sah die Zusammenarbeit genau aus?

Tommy ist ein großartiger Regisseur und Autor. Ich habe mich um das Team und die Animatoren gekümmert. Was an Animationsfilmen so toll ist, dass du den Film siehst, bevor du ihn drehst, da du mit Storyboards arbeitest und Synchronsprechern. Du siehst deshalb schnell, ob etwas nicht funktioniert, und kannst deshalb noch an der Geschichte arbeiten. Deswegen war es fantastisch mit jemandem zu arbeiten, der seine eigenen Geschichten schreibt.

Aber warum wollte Tommy das als Animationsfilm umsetzen? Das war für ihn auch Neuland.

Das stimmt. Er hatte die Idee schon mehrere Jahre und es war klar, dass das als Animationsfilm umgesetzt werden muss. Bei vielen Animationsfilmen ist es so, dass du die Geschichte genauso gut auch als Live Action hättest erzählen können. Hier wäre das gar nicht gegangen. Wie willst due Sperma als Live Action machen?

Ihr hättet auch einen Mix machen können: das Sperma als Animation, die Szenen mit den Menschen als Live Action.

Darüber hatten wir auch am Anfang tatsächlich nachgedacht. Aber wenn wir das gemacht hätten, wären wir ständig vom einen zum anderen gesprungen und du hättest nicht mehr das Gefühl gehabt, dass die beiden Hälften zusammengehören und Teil einer gemeinsamen Geschichte sind. Deswegen haben wir uns entschieden, doch lieber alles im selben Stil umzusetzen.

Du hast vorhin von einem Humor für Erwachsene gesprochen. Wenn du dir die Szenen mit den Jugendlichen anschaust, dann ist das aber eigentlich klassisches Coming-of-Age-Material. Wolltet ihr mit Spermageddon Jugendliche oder Erwachsene ansprechen?

In Norwegen hat der Film eine Freigabe von 12 Jahren aufwärts. Und ich denke auch, dass der Film perfekt ist für Jugendliche so um die 14 oder 15, die sich darüber unterhalten können. Aber ich denke, dass auch Ältere etwas damit anfangen können. Als wir die Premiere in Annecy hatten, hatten wir auch Leute in ihren 20ern, die ihren Spaß damit hatten. Da waren wir schon erleichtert, weil wir zwar Testscreenings hatten. Den fertigen Film hatte aber vorher niemand außer uns gesehen und wir wussten deshalb nicht, wie die Leute reagieren würden. Da waren wir schon sehr nervös.

Euer Film erinnerte mich an die französische Animationsserie Es war einmal … das Leben, bei der ebenfalls das Innere des menschlichen Körpers gezeigt und vermenschlicht wurde. Die Serie war aber stärker auf Aufklärung ausgerichtet. Hattet ihr darüber nachgedacht, auch etwas in diese Richtung zu machen?

Wir wollten schon eine Komödie daraus machen, bei der das Publikum Spaß hat. Aber es ist nicht so, dass der Film nur der Unterhaltung dient. Wir haben schon eine klare Aussage darin und setzen uns mit Sex auseinander. Da wird immer noch viel zu wenig darüber geredet. Wir wollten den Zuschauern sagen, dass es ganz normal ist, wenn du dich beim ersten Mal ungeschickt anstellst und wenn das nicht so läuft, wie du dir das vorgestellt hast. Wir wollten zwar nicht aufklären in dem Sinn. Vieles von dem, was wir zeigen, ist völlig unrealistisch und verrückt. Aber es war uns schon wichtig, den jungen Menschen zu sagen: Ihr seid nicht allein. Es ist völlig natürlich, was euch da passiert. Nur packen wir das in ein verrücktes Abenteuer. Tommy beschreibt den Film gern als Auf dem Highway ist die Hölle los mit Sperma.

Eine Sache, die ungewöhnlich ist: Normalerweise soll das Publikum die Helden ja anfeuern, damit sie ihr Ziel erreichen. In Spermageddon haben wir Helden, sie treten auch gegen einen Bösewicht an. Aber eigentlich wollen wir ja nicht, dass sie ihr Ziel erreichen, weil die Jugendliche sonst schwanger wird.

Guter Punkt. Ich hoffe aber, dass das Publikum dennoch anfeuert und mitfiebert. Letzten Endes ist ja auch jedes Leben ein Wunder, das entsteht, wenn du bedenkst, wie unwahrscheinlich das alles ist.

Du hast gemeint, dass der Film gar nicht realistisch sein soll. Habt ihr trotzdem Recherchen betrieben und euch informiert?

Wir haben tatsächlich viel nachgelesen in dieser Hinsicht und uns informiert, wie das alles funktioniert. Wir haben uns dann nur viele Freiheiten herausgenommen. Wenn du dir die Kolibakterien anschaust, da stimmen die Größenverhältnisse hinten und vorne nicht. Und dass gesungen wird, ist natürlich auch völlig erfunden.

Warum gibt es diese Musical-Szenen überhaupt? Sie waren für mich schon sehr unerwartet.

Tommy und ich fanden, dass das den Humor noch weiter verstärkt und die Geschichte noch absurder macht. Wir sind große Fans davon, wie beispielsweise in South Park oder Family Guy die Figuren einfach aus dem Nichts anfangen zu singen. Das wollten wir bei uns auch haben.

Am Ende sprechen eure menschlichen Figuren darüber, ob sie ein Kind bekommen wollen oder nicht, und Lisa sagt, dass sie noch nicht bereit ist. Ist man denn jemals wirklich bereit?

Das ist eine sehr wichtige Frage, die jeder für sich selbst beantworten muss. Es ist auch nicht so, als würde Lisa eine klare Entscheidung treffen, wir wollten das ein wenig offenlassen. Sie muss sich das noch sehr genau überlegen. Und das war auch ein Punkt, der uns wichtig war: Es ist ihre Entscheidung, ob sie das Kind behalten will oder nicht. Deswegen wollten wir das nicht vorwegnehmen.

War es schwierig, den Film finanziert zu bekommen, gerade weil er so ungewöhnlich ist?

Das war schon nicht einfach. Als Tommy seine Idee verkaufen wollte, liebten zwar alle das Drehbuch. Es wollte aber niemand finanzieren, auch weil es so anders war als Tommys andere Filme. Man kennt ihn für seine Horrorfilme und er hat anfangs auch versucht, seine Kontakte in den USA da zu nutzen. Das funktionierte aber nicht. Also ist er nach Norwegen zurück, wo es einfacher war. In Skandinavien bzw. in Europa allgemein sind die Leute offener für solche Themen.

Hattet ihr auch darüber nachgedacht, wie der Film in verschiedenen Ländern aufgenommen würde?

Nicht wirklich. Wir wollten einfach nur den Film machen, um Spaß damit zu haben, und dann sehen, was passiert. Tatsächlich sind wir immer noch überrascht, dass wir ihn überhaupt finanzieren konnte.

Und wie geht es im Anschluss für dich weiter? Eine Chance, dass wir Louis und Luca noch einmal wiedersehen?

Tatsächlich arbeiten wir an einem neuen Film, dieses Mal geht es um eine verrückte Rally von Paris bis zu den Pyramiden. Dieses Mal wird es ein CGI-Animationsfilm sein, der schon ein Reboot sein soll, sich dabei aber an den Stop-Motion-Wurzeln orientiert.

Vielen Dank für das Interview!



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