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The Testament of Ann Lee

Inhalt / Kritik

Ann Lee (Amanda Seyfried) wird 1736 als Tochter eines Schmieds in Manchester geboren. Bereits in ihrer Jugend arbeitet sie als Weberin und bringt ihren Nächsten trotz Armut Freundlichkeit und Großzügigkeit entgegen. Als die gläubige Ann einer kleinen Gemeinschaft von Quäkern vorgestellt wird, nimmt sie deren Art des Glaubens nicht nur an, sondern beginnt, sich immer mehr einzubringen. Schließlich findet eine eigene spirituelle Richtung und wird zur zentralen Figur einer neuen Glaubensgemeinschaft. Aus der kleinen Gruppe entwickelt sich schnell eine Bewegung, die traditionellen Protestanten und Anglikanern ein Dorn im Auge ist. Nachdem Ann Lee Blasphemie vorgeworfen wird, entschließt sie sich, ihre Gemeinschaft in die Neue Welt zu verlagern und wird zur bedeutendsten Galionsfigur der Shaker.

Epochales Musical

Nach Der Brutalist im Jahr 2024 kehren Mona Fastvold und ihr kreativer Partner und Ehemann Brady Corbet zurück an den Strand von Venedig, um Festivalbesuchern ihr neuestes Historienepos zu präsentieren. The Testament of Ann Lee illustriert die Gründungsgeschichte der Vereinigten Gemeinschaft der Gläubigen an die Wiederkunft Christi und ihrer Gründerin, der zweiten Erscheinung Christi in weiblicher Gestalt. Entsprechend der Shaker-Tradition des gesungenen Gebets inszenieren Fastvold und Corbet The Testament of Ann Lee als ekstatisches Musical.

Spirituelle Revolution?

Das Manchester des 18. Jahrhunderts ist von Armut, Krankheit und Kindersterblichkeit gezeichnet. In ihrer Verzweiflung und mangels Alternativen suchen die Menschen Hoffnung, Erklärung und Erlösung in Gott. Dramatische Zeiten bieten einen perfekten Nährboden für neue, alternative und vergleichsweise progressive Glaubensrichtungen. Nach fünf verlorenen Kindern und einer erzwungenen Heirat droht Ann Lee, sich trotz gefestigten Glaubens in Melancholie und Agonie zu verlieren. Ihre erste Zusammenkunft mit einer religiösen Erweckungsbewegung reißt sie aus ihrem Tief und markiert die Geburt einer neuen, radikalen Bewegung. The Testament of Ann Lee illustriert den Aufstieg Anns als Prophetin auf Erden und gleichzeitig die rasante religiöse Radikalisierung einer jungen Frau und ihrer Anhänger.

Die Shaker-Bewegung entsagt sich jeder Form der Ausübung von Gewalt, bürdet sich jedoch eine fanatische Akzeptanz von selbst- wie fremdverschuldetem Leid auf. Begleitet von ekstatisch gesungenen Gebeten der Shaker, inszeniert Fastvold deren harsche Realität anhand von Natur- wie weltlicher Gewalt. Ann Lees Flucht in die Religion sowie die spätere Flucht der Shaker in die Neue Welt illustrieren Verzweiflung und gleichzeitig Hoffnung auf einen Neuanfang. Die Lebensweise der Shaker weist in vielerlei Hinsicht Parallelen zu konventionellen Praktiken christlicher Glaubensgemeinschaften auf. Ähnlich den drei klassischen Ordensgelübden leben auch sie in Armut, Gehorsam und Keuschheit. Gleichzeitig zeigt The Testament of Ann Lee die progressiven Ansätze der Shaker. Die Vorstellung einer weiblichen Prophetin ist selbst heute in vielen religiösen Gemeinschaften in vielerlei Hinsicht undenkbar, und auch in den Dialogen und Rezitationen Ann Lees thematisiert der Film einen modernen feministischen Ansatz wie die absolute Gleichberechtigung von Männern und Frauen.

Visuelle Virtuosität

In der Art der Inszenierung kommt man um einen Vergleich von The Testament of Ann Lee mit Der Brutalist nicht umhin. William Rexers Kamera fängt die detailreich gezeichnete Welt des frühindustriellen Manchesters auf 35mm Film ein und liefert durch die Überproportionierung auf 70mm ein visuell beeindruckendes und authentisches Historienepos. Letzteres ist auch maßgeblich Produktionsdesigner Sam Bender und Kostümdesignerin Malgorzata Karpuik zu verdanken, die The Testament of Ann Lee zu einer Zeitreise werden lassen. Amanda Seyfried in der titelgebenden Hauptrolle der Ann Lee überzeugt sowohl schauspielerisch als auch gesanglich auf ganzer Linie und wird durch ein exzellentes Ensemble bravourös in Szene gesetzt. Fastvolds lineare Erzählstruktur wirkt trotz allem, bei einer über zweistündigen Lauflänge, stellenweise zu chaotisch und repetitiv.

Credits

OT: „The Testament of Ann Lee“
Jahr: 2025
Land: UK
Regie: Mona Fastvold
Drehbuch: Brady Corbet, Mona Fastvold
Musik: Daniel Blumberg
Kamera: William Rexer
Besetzung: Amanda Seyfried, Thomasin McKenzie, Lewis Pullman, Stacy Martin, Tim Blake Nelson, Christopher Abbott, Matthew Beard

Trailer

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The Testament of Ann Lee
fazit
"The Testament of Ann Lee" ist eine audiovisuell beeindruckende Symbiose aus Musical und Historienepos. Trotz erzählerischer Längen und teils chaotischer Struktur vermittelt Fastvold Substanz, indem sie die Ambivalenz zwischen den konservativen religiösen Praktiken der Shaker und ihrem gleichzeitig feministischen Progressivismus eindringlich illustriert.
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