
Eigentlich träumt Thooya (Naaz Shaikh) davon, als Schauspielerin groß rauszukommen. Aber das ist nicht einfach, die Konkurrenz in Mumbai ist enorm. Und so hält sie sich als Sexarbeiterin über Wasser. Ein weiterer Versuch, an Geld zu kommen, besteht darin, die Wohnung ihres Sugardaddys unterzuvermieten. Dabei lernt sie Swetha (Sumi Baghel) kennen, auch sie ist eine Migrantin und durch ihre Arbeit in einem Call Center alles andere als vermögend. Was als reine Zweckgemeinschaft startet, entwickelt sich mit der Zeit weiter, wenn sich die beiden Frauen Halt geben in einer Stadt, die kaum von ihnen Notiz nimmt …
Der wenig poetische Alltag in Mumbai
Eines muss man Anuparna Roy ja lassen: Die Regisseurin und Drehbuchautorin hat einen besonderen Titel für ihr Langfilmdebüt ausgesucht. Songs of Forgotten Trees, das ist schon sehr poetisch, geradezu märchenhaft mutet das an. Das Ergebnis ist es aber nur bedingt. Stattdessen erzählt die Filmemacherin die Geschichte zweier Frauen, die in der indischen Metropole ihren Weg suchen und dabei mit jeder Menge Hindernisse zu kämpfen haben. Das Ergebnis ist also eine Mischung aus Sozialdrama und Gesellschaftsporträt, bei dem diverse Schieflagen und Probleme offen angesprochen werden. Mit verträumter Poesie hat das dann wenig zu tun, eher mit trauriger Realität.
Wobei Roy nicht das indische Pendant zu den Dardennes-Brüdern oder Ken Loach ist, Ikonen des Sozialdramas. Denn während die ein bestimmtes Thema in den Mittelpunkt rücken und ausführlich besprechen, fehlt ein solches in Songs of Forgotten Trees. Themen sind dabei durchaus vorhanden. Mal geht es um das patriarchale System, es finden sich kapitalismuskritische Momente, die beiden Protagonistinnen sind Migrantinnen. Aber der Film behandelt diese Punkte eher beiläufig, baut sie in Gespräche ein, ohne sie dem Publikum um die Ohren zu hauen. Die indische Produktion ist kein Thesenfilm, der die Zuschauer und Zuschauerinnen aufrütteln will. Vielmehr wird hiermit ein Einblick gewährt in das Leben von zwei Frauen und den Kontext, in dem sie sich bewegen. Dieser ist nicht unbedingt schön, aber auch kein Quell ewiger Verzweiflung. Man schlägt sich eben so durch.
Schöne Bilder, ruhige Erzählung
Der Vergleich zu All We Imagine as Light drängt sich da geradezu auf. Auch in dem Festivalhit sehen wir den Alltag mehrerer Frauen in Mumbai, auch dort wurde vieles ruhig und zurückhaltend erzählt. Auch der Hang zum Poetischen ist beiden gemeinsam. Denn selbst wenn Songs of Forgotten Trees kein Märchen ist, findet Roy immer wieder bezaubernde Momente, in denen sie die Schönheit inmitten des Gewöhnlichen sucht. Visuell ist das Drama dann auch sehr gelungen, der Debütfilm fühlt sich viel reifer an, als man es erwarten dürfte. Da sind viele stille Momente dabei, in denen auf die Kraft der Bilder vertraut wird, wenn ein Essen gezeigt wird oder man den Blick schweifen lässt. Die müssen dann auch nicht mal unbedingt einen narrativen Zweck verfolgen, manchmal geht es dann doch mehr um die Atmosphäre als einen Inhalt.
Das macht den Film im Vergleich zu dem obigen Kollegen auch etwas weniger eindrücklich. Dort waren die Schicksale doch noch stärker ausgearbeitet, es gab eine klarere Dramaturgie bei der Darstellung des Lebens. Und während dort die Solidarität zwischen den Frauen eine Rolle spielte, da haben wir es hier mit zwei Fremden zu tun. Das ändert sich natürlich im Laufe der Geschichte, Songs of Forgotten Trees handelt eben auch von der Annäherung zweier Frauen, deren Zweckgemeinschaft sich allmählich durch Gespräche und andere Formen der Zweisamkeit zu vertiefen beginnt. Das Drama, das bei den Filmfestspielen von Venedig Weltpremiere hatte, bleibt aber auch in der Hinsicht zurückhaltend, fast so, als würde befürchtet, das zerbrechliche Konstrukt gleich wieder zu zerstören. Ein Wohlfühlfilm ist das Ergebnis kaum. Aber doch einer, der irgendwie hoffnungsvoll stimmt, dass selbst in einer von Anonymität und Entfremdung geprägten Welt sich Menschen finden können.
OT: „Songs of Forgotten Trees“
Land: Indien
Jahr: 2025
Regie: Anuparna Roy
Drehbuch: Anuparna Roy
Musik: Nishant Ramteke
Kamera: Debjit Samanta
Besetzung: Naaz Shaikh, Sumi Baghel, Bhushan Shimpi, Ravi Maan, Pritam Pilania, Lovely Singh
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