
Berge üben auf viele eine ganz eigene Faszination aus. Ob die Menschen nun zum Wandern hingehen, zum Skifahren oder auch nur zum Abschalten, sie finden dort eine Möglichkeit, den Alltag hinter sich zu lassen und einmal ganz bei sich zu sein. Kein Wunder also, dass immer wieder Dokumentarfilme in die Kinos kommen, die von eben dieser Faszination leben. Ob Mountain, This Mountain Life – Die Magie der Berge oder Bergfahrt – Reise zu den Riesen, sie alle nehmen uns mit in luftige Höhen und versuchen, uns diese Orte näherzubringen. Wer solche Filme gern sieht, bekommt nun Nachschub. Denn auch in Fiore Mio geht es letztendlich um Berge und was diese mit uns machen, wenn wir dort unterwegs sind. Der Titel mag weniger selbsterklärend sein als bei den obigen Kollegen. Inhaltlich ist man sich jedoch ziemlich nahe.
Ein Bestsellerautor auf Abwegen
Genauer nimmt uns Paolo Cognetti mit mit zum Monte Rosa, einem Gebirgsmassiv in den Walliser Alpen, wo er seine Kindheit verbracht hat. Dass der italienische Schriftsteller diese Orte liebt, ist kein Geheimnis. Immer wieder hat er dieser in seinen Texten Ausdruck verliehen. Das zeigte auch das 2022 veröffentlichte Drama Acht Berge, welches auf dem gleichnamigen Roman basiert. Bei Fiore Mio begnügt er sich nun nicht mehr damit, einfach nur über diese Liebe zu schreiben. Er möchte sie zeigen und wählte dafür das Medium des Dokumentarfilms, es ist der erste, bei dem er allein Regie führt. Dass Cognetti eigentlich in der Welt der Sprache zu Hause ist, merkt man seinem Werk nur bedingt an. Auch wenn es naheliegend gewesen wäre, per Voice over seine Gedanken und Gefühle zu teilen, so hält er sich doch stark zurück.
Stattdessen überlässt er lieber anderen das Wort. Da ist die 26-jährige Anthropologin Mia, die in einer Hütte arbeitet. Arturo war ein erfolgreicher Bergsteiger und ist auch mit über 80 noch viel dort unterwegs. Zusammen mit seiner Tochter Marta errichtete er die erste vegane Schutzhütte der Alpen, in Gedenken an seinen verstorbenen Bruder Oreste. Und dann ist da noch der nepalesische Sherpa Seta, der im Sommer in einer weiteren Hütte arbeitet und mit dem Geld seine Familie versorgt. Diese Personen sind es, um die sich die Geschichten in Fiore Mio drehen. Sie alle eint die Liebe zu den Bergen, die Schicksale sind dennoch recht unterschiedlich. Der Dokumentarfilm erhält auf diese Weise eine persönliche Note, wenn die Aufnahmen der Alpen mit den individuellen Erzählungen kombiniert werden.
Wunderbare Bilder
Zu hohe Erwartungen sollte man an diese Geschichten aber nicht haben. Zwar ist es schon irgendwie nett zu hören, was diese Leute so alles zu erzählen haben. Der Faktor Mensch eben. Aber es ist nicht so, dass diese Erzählungen so ungewöhnlich oder bewegend wären, dass sie einen sehr großen Eindruck hinterlassen. Die Interviewten sind in Fiore Mio dann doch eher Beiwerk. Verbunden werden diese biografischen Einblicke mit Aussagen, was die Berge für sie bedeuten und wie es ist, dort unterwegs zu sein. Was macht es mit einem, wenn man in einem Massiv ist, das es lange vor einem gab und das es lange nach einem geben wird? Doch auch in der Hinsicht sollte man nicht zu viel erwarten. Gleiches gilt für die Aussagen zum Klimawandel, der natürlich auch an den Gletschern nicht spurlos vorübergeht. Dieser ist ein Thema, was aber eher beiläufig geschieht.
Insgesamt lebt der Dokumentarfilm, der auf dem Locarno Film Festival 2024 Premiere hatte, dann doch mehr von den wunderbaren Bildern als dem Inhalt. Das ist nicht verwerflich, bei den anderen Beiträgen zu dem Thema war das nicht wirklich anders. Außerdem ist es wohl auch schwierig, diese Faszination in Worte fassen zu können. Doch so schön Fiore Mio zweifelsfrei ist, so sehr man sich in den Landschaftsaufnahmen verlieren möchte, ein bisschen fragt man sich bei Cognetti schon, warum es seine Version solcher Bergdokus unbedingt gebraucht hätte. Wen das nicht stört oder vielleicht auch die Alternativen gar nicht kennt, darf aber eine Reise antreten, die auf jeden Fall Eindruck hinterlässt.
OT: „Fiore Mio“
Land: Italien, Belgien
Jahr: 2024
Regie: Paolo Cognetti
Drehbuch: Paolo Cognetti
Musik: Vasco Brondi
Kamera: Ruben Impens
Bei diesen Links handelt es sich um sogenannte Affiliate-Links. Bei einem Kauf über diesen Link erhalten wir eine Provision, ohne dass für euch Mehrkosten entstehen. Auf diese Weise könnt ihr unsere Seite unterstützen.
(Anzeige)










