Maria Reiche: Das Geheimnis der Nazca-Linien Lady Nazca
Devrim Lingnau in dem biografischen Drama „Maria Reiche: Das Geheimnis der Nazca-Linien“ (© TOBIS Film, Daniela Talavera)

Devrim Lingnau [Interview]

Maria Reiche: Das Geheimnis der Nazca-Linien erinnert an die gleichnamige deutsche Wissenschaftlerin, die in den 1930ern nach Peru ausgewandert war und dort per Zufall Linien in der Wüste entdeckte. Sie war sofort von dem Fund fasziniert, von dem auf Anhieb niemand wusste, wer ihn hinterlassen hat oder wozu er diente. Sie widmete ihr Leben anschließend nicht nur der Erforschung der Linien, sondern auch deren Erhalt – gegen alle Widerstände. Wir haben uns zum Kinostart am 25. September 2025 mit Hauptdarstellerin Devrim Lingnau unterhalten. Im Interview sprechen wir über die Arbeit an dem Film und die Leidenschaft ihrer Figur.

Warum hast du Maria Reiche: Das Geheimnis der Nazca-Linien gedreht? Was hat dich an dem Film gereizt?

Ich fand schon das Drehbuch sehr spannend. Maria Reiche ist ein faszinierender Mensch mit einer außergewöhnlichen Lebensgeschichte, schon bevor sie die Linien entdeckt hat. Sie war eine queere Wissenschaftlerin und hat das faschistische Deutschland hinter sich gelassen, um auf einem für sie komplett unbekannten Kontinent zu leben. Das war in den 1930ern noch sehr viel schwieriger. Sie war auf der Suche nach Freiheit und einer Berufung. Und ich glaube, das ist etwas, was viele Menschen beschäftigt. Zwei Wochen, nachdem ich das Drehbuch gelesen habe, habe ich mich mit dem Regisseur Damien Dorsaz in Paris getroffen. Wir sind an der Seine spazieren gegangen und haben uns intensiv über das Projekt ausgetauscht. Das war so ein toller Austausch, dass ich mich noch mehr dafür begeistert habe.

Kanntest du die Geschichte deiner Protagonistin vorher schon?

Nein, ich kannte weder Maria noch die Nazca-Linien. Ich habe mich vor dem Dreh mit ihr als Person auseinandergesetzt. Das war auch Teil meines Austauschs mit Damien, da er sie persönlich in Peru kennengelernt hatte. Das war 1998, wenige Monate vor ihrem Tod. Er hat viele Jahre an dem Drehbuch gesessen und sich mit der Geschichte der Linien auseinandergesetzt. Dadurch habe ich auch viel über Damien mitbekommen.

Warum hat sie ausgerechnet in diesen Linien ihre Berufung gefunden?

Nachdem ich die Linien inzwischen selbst gesehen habe, kann ich es sehr gut nachvollziehen, dass man sein Leben diesen Linien widmet. Dieses riesige System von Linien und Kunstwerken, von dem man nicht weiß, von wann sie sind und von wem sie sind, das ist so beeindruckend. Da kann ich verstehen, dass jemand herausfinden möchte, was es damit auf sich hat. Für sie muss das noch extremer gewesen sein, weil sie die erste war, die diese Linien entdeckt hat. Hinzu kommt, dass sie eben Mathematikerin war und sich deshalb von dem System angesprochen fühlte. Das muss für sie wie eine Fügung gewesen sein, ein Zeichen.

Diese völlige Hingabe zu dieser Aufgabe, ist das etwas, womit du dich als Schauspielerin identifizieren kannst? Als solche musst du ja auch in deinen Rollen aufgehen.

Ja, absolut. Ich habe eben schon ganz begeistert von Maria Reiche gesprochen und warum sie mich fasziniert hat. Das resoniert so stark in mir, weil ich eben auch den Wunsch habe, mein Leben etwas zu widmen und Kunst zu machen, die einen relevanten Inhalt hat. Es ist mir wichtig, Themen zu bearbeiten, die eine Bedeutung haben.

Diese Hingabe von Reiche hatte aber auch Auswirkungen auf ihr Privatleben. Das rückte mit der Zeit so weit in den Hintergrund, dass kaum etwas mehr übrigblieb. Wie schafft man es, sich einer Aufgabe zu widmen, ohne sich selbst aufzugeben?

Ich glaube nicht, dass sie sich selbst aufgegeben hat. Für mich ist es so, dass sie sich selbst gefunden hat. Das ist vermutlich Auslegungssache. Es stimmt natürlich, dass sie etwas aufgegeben hat, als sie von ihrer Freundin weg ist. Aber für mich hat sie damit einen neuen Lebensabschnitt begonnen.

Du sprichst in dem Film gleich mehrere Sprachen. Konntest du die schon oder musstest du sie für den Film erst lernen?

Das stimmt, ich spreche Englisch, Französisch und Spanisch. Bei Englisch musste ich nicht viel vorbereiten. Französisch und Spanisch hatte ich in der Schule, hatte also Grundkenntnisse, musste die aber für den Dreh auffrischen. Das war viel Text zu lernen, aber ich hatte tolle Sprach-Coaches. Es war auch eine spannende Erfahrung. Weil es macht doch etwas mit dir, wenn du in einer anderen Sprache drehst. Jede Sprache färbt auf dich ab. Wenn ich zum Beispiel Türkisch spreche, dann macht das eine andere Person aus mir. Ich fand es interessant, was diese anderen Sprachen mit mir als Schauspielerin gemacht haben.

Reiche musste sich in ihrem Feld erst durchsetzen lernen, weil sie als Frau in einer Männerwelt agieren musste. Ist das etwas, womit du dich als Schauspielerin identifizieren kannst?

Ja, das würde ich aber nicht nur auf meinen Beruf als Schauspielerin begrenzen. Wir sind noch immer in total patriarchalen Strukturen gefangen, leider. Mit dem Erstarken rechter Parteien wird das auch wieder mehr. Der Alltag wird wieder sexistischer. Oder wenn du dir die Rhetorik rechter Parteien im Bundestag anhörst. Das ist eine Entwicklung, die ich mit großer Sorge und Wut beobachte.

Würdest du Reiche für das, was sie getan hat, als Vorbild bezeichnen?

Man macht auf jeden Fall nichts falsch, wenn man sie als Vorbild wählt, denn das beeindruckende ist, dass sie ihr ganzes Leben einer wichtigen Aufgabe gewidmet hat

Das Thema Geschichte spielt eine große Rolle in dem Film. Er spielt nicht nur in der Vergangenheit, sondern handelt auch von einer lang zurückliegenden Vergangenheit. Bist du selbst jemand, der sich für Geschichte interessiert?

Ja, auf jeden Fall. Ich habe auch ein großes Interesse an Kunstgeschichte und habe das sogar zwei Semester lang studiert. Ich sehe auch gern in Filmen historische Geschichten, weil man durch diese zeitliche Distanz oft schafft, Themen konkreter zu erzählen, die auch für uns heute noch relevant sind. Deswegen mag ich die Form sehr gerne.

Wenn du die Wahl hättest, welche vergangene Epoche würdest du gern kennenlernen?

Mich würde das Rokoko sehr interessieren. Damals kam „la Turquerie“ in Europa in Mode. Das muss sowohl politisch als auch kulturell eine ganz interessante Zeit in Europa gewesen sein.

Letzte Frage zur Zukunft: Was sind deine nächsten Projekte?

Im November kommt der Film Hysteria ins Kino, der auch schon auf der Berlinale lief. Momentan drehe ich die dritte und letzte Staffel von Die Kaiserin. Außerdem werde ich nächstes Jahr einen Film mit Ayşe Polat drehen, worauf ich mich schon sehr freue.

Vielen Dank für das Interview!



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