We All Bleed Red
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We All Bleed Red

We All Bleed Red
„We All Bleed Red“ // Deutschland-Start: 28. August 2025 (Kino)

Inhalt / Kritik

Seit mehr als 30 Jahren lebt Martin Schoeller in den USA, momentan mit Frau und Sohn in New York City. Dank seiner Arbeit ist er aber andauernd auf Achse. Der 1968 in München geborene und in Frankfurt am Main aufgewachsene Schoeller ist ein bekannter Fotograf, dessen Arbeit zwischen kommerziellen Aufträgen für Magazine wie National Geographic, The New Yorker, Vanity Fair oder TIME und sehr persönlichen Projekten wechselt. In seinen Porträtserien unter dem Titel Close-Ups nimmt er sowohl prominente Gesichter als auch vollkommen unbekannte Menschen in den Fokus.

Nahaufnahme(n)

Ist das Gesicht auf dem großformatigen Foto nicht das Barack Obamas? Und was hat ein Porträt des ehemaligen US-Präsidenten in diesem Film zu suchen, dessen Protagonist nur wenige Szenen zuvor noch Obdachlose auf den Straßen von Los Angeles mit seiner Kamera festhielt? Beide – die oberen und die unteren Zehntausend – sind Teil einer Ausstellung, die berühmte Köpfe mit Allerweltsmenschen mischt. Kurz vor der Eröffnung wird die Porträtaufnahme Christopher Walkens abgehängt. Der aus Filmklassikern wie Die durch die Hölle gehen (1978) und dem aktuellen Serienhit Severance bekannte Schauspieler muss dem Foto eines Unbekannten weichen. Was einen verblüffenden Effekt auf das Kinopublikum hat.

In die Rolle der Betrachtenden gezwungen, gleichen wir die Köpfe entlang der Ausstellungswände automatisch mit der Promi-Datenbank in unserem eigenen Oberstübchen ab. Unverwechselbare Konterfeis wie die Jack Nicholsons, Angela Merkels oder Udo Lindenbergs zu erkennen, fällt nicht schwer. (Zumindest fürs deutsche Publikum.) Doch wie sieht es mit weniger populären Promis aus? Das Rätselraten, wer berühmt ist und wer nicht, nimmt seinen Lauf und zeitigt eine weitere Erkenntnis: Auch die Reichen, Schönen und Mächtigen haben ganz gewöhnliche Gesichter. Eigentlich eine Binsenweisheit, der man sich angesichts der Mechanismen einer andauernden medialen Überhöhung und Inszenierung aber nicht immer bewusst ist.

Mit humanistischem Blick

Martin Schoeller, der all diese Menschen fotografiert, macht genau das: Er inszeniert, allerdings ohne die Menschen vor seinem Objektiv dabei zu überhöhen. Egal ob er Staatsoberhäupter, Sängerinnen oder Filmstars vor der Linse hat, egal ob es Obdachlose, Dragqueens, trans Menschen, Native Americans, Überlebende des Holocaust oder Menschen sind, die zu Unrecht in der Todeszelle saßen – Schoeller lichtet sie alle auf dieselbe simple Art und Weise ab. Dieser zutiefst humanistische Ansatz, der jeden gleich behandelt und ganz nebenbei während der Fotoshootings auch den Geschichten dieser Menschen lauscht, zeichnet nicht nur Schoellers Arbeit, sondern auch den Dokumentarfilm aus, den die Regisseurin Josephine Links darüber gedreht hat. Ihr Anliegen hinter ihrem Film formuliert Links so: „Gerade in Zeiten, in denen nicht nur in der US-Gesellschaft, sondern auch hier in Europa die Konflikte und Unterschiede zwischen den Menschen verstärkt und extrem betont werden, halte ich einen verbindenden Blick auf die Welt und unsere Spezies für relevant und zwingend.“

Die Regisseurin ist die Stiefschwester des Fotografen. Josephine Links‘ Mutter und Martin Schoellers Vater, der 2020 gestorbene Journalist und Literaturkritiker Wilfried F. Schoeller, waren verheiratet. Einen gemeinsamen Alltag verbrachten Links und Schoeller zwar nie, die Verwandtschaftsbeziehung hat den Zugang zu ihrem Protagonisten aber erleichtert. Dass die zwei miteinander verwandt sind, spielt im Film übrigens ebenso wenig eine Rolle wie Martin Schoellers Vater oder seine Schwester, die Regisseurin Bettina Schoeller. Links konzentriert sich voll und ganz auf die fotografische Arbeit, was dem Film guttut. Dabei legen sowohl der Protagonist als auch der über ihn entstandene Dokumentarfilm Qualitäten an den Tag, die vielen Menschen in unserer politisch aufgeheizten Zeit inzwischen abgehen: genau hinsehen, aufmerksam zuhören, sein Gegenüber ausreden lassen und ihm vorurteilsfrei begegnen. Am Ende entsteht dadurch ein ganz anderes Bild von den USA und ihren Menschen, als man auf den ersten Blick vielleicht annehmen würde.

Credits

OT: „We All Bleed Red“
Land: Deutschland
Jahr: 2024
Regie: Josephine Links
Musik: Leonard Petersen
Kamera: Michel Links, Marcus Winterbauer

Bilder

Trailer

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We All Bleed Red
fazit
Der Dokumentarfilm „We All Bleed Red“ begleitet den deutschen, seit mehr als 30 Jahren in den USA lebenden Fotografen Martin Schoeller bei der Arbeit. Durch Schoellers Begegnungen mit den unterschiedlichsten Menschen aus allen Gesellschaftsschichten weitet sich der Blick des Kinopublikums und legt statt Differenzen vor allem Gemeinsamkeiten offen.
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