
Bernard (Lenn Kudrjawizki) lebt in einer sehr schicken, minimalistischen Wohnung, die er sich mit seinem Schaf Fiete teilt. Die Beziehung zu anderen Menschen fällt dem Schriftsteller hingegen schwer. Da ist zum einen seine Freundin Agata (Sophie Mousel), mit der er immer wieder aneinandergerät, wenn sie mit dem richtigen Maß aus Nähe und Distanz zu kämpfen haben. Und dann ist da noch sein Vater Carlos (Michael Hanemann), mit dem er sich nicht immer versteht. Als dieser eines Tages überfallen wird und ins Krankenhaus kommt, stellt sich heraus, dass er einen Gehirntumor hat. Nur noch wenige Wochen, maximal Monate hat er zu leben, sofern er sich nicht einer Operation unterzieht. Doch die ist sehr riskant. Während sie noch darum ringen, was die richtige Antwort ist, verliert sich Bernard zunehmend in Fantasien …
Persönlich und seltsam abstrakt
Es gibt Ereignisse im Leben, die einen für immer verändern. Das kann die erste Beziehung sein, die Geburt des ersten Kindes. Aber auch der Tod der Eltern gehört dazu. Sie sind die wichtigsten Bezugspersonen, die man zu Beginn hat, in gewisser Hinsicht bleiben sie das auch. Der Kuss des Grashüpfers ist einem solchen drohenden Verlust gewidmet. Zwar hat der Film noch andere Themen und Figuren, die während der rund zwei Stunden Laufzeit eine Rolle spielen werden. Doch der zentrale Aspekt des Dramas ist das komplexe Verhältnis zwischen Vater und Sohn und wie die beiden versuchen, sich innerhalb dieser Ausnahmesituation zurechtzufinden. Was macht das mit einem, ein Elternteil zu verlieren? Sich durch eine Welt zu bewegen, die sich auf den Kopf stellt und dabei doch gleichbleibt?
Regisseur und Drehbuchautor Elmar Imanov (End of Season) versucht, dies durch eine besonders surreale Stimmung auszudrücken, wenn sich die uns bekannte Welt immer mal wieder auf eigenwillige Weise verändert. Das wird dann nicht so fantastisch, wie es etwa bei Willkommen um zu bleiben kürzlich der Fall war, wo der Protagonist in einem dubiosen Hotel feststeckt. Oft reichen kleine sonderbare Einfälle, um einem das Gefühl zu geben, dass etwas nicht stimmt. Manches davon ist in Der Kuss des Grashüpfers skurril, wodurch ein Kontrast zu den ernsten Themen entsteht. Der Film wird dabei jedoch nie zu einer Komödie, an dem das Publikum viel Spaß haben soll. Überhaupt ist das hier weit entfernt von einem Crowdpleaser, viele Zuschauer und Zuschauerinnen dürften ihre Schwierigkeiten mit diesem Werk haben, das gleichzeitig persönlich und seltsam abstrakt ist.
Verkopfte Geduldprobe
Ein Problem ist dabei auch die fehlende Unterscheidung zwischen dem real Erlebten und dem Vorgestellten. Man weiß oft nicht, ob wir gerade mit dem Schriftsteller in unserer Welt oder in seinem Kopf unterwegs sind, die Grenzen sind dabei fließend. Hinzu kommt, dass das Tempo von Der Kuss des Grashüpfers ziemlich gering ist, weshalb die zwei Stunden Laufzeit zu einer Geduldprobe werden können. Phasenweise passiert wenig oder Imanov begnügt sich damit, Szenen in mehreren Versionen zu variieren, anstatt die Handlung voranzutreiben. Es ist nicht einmal so, dass diese Passagen viel Stoff zum Nachdenken bieten würden. Da geht es dann doch mehr um ein Gefühl als eine Aussage.
Das heißt aber nicht, dass man sich hier keine Gedanken gemacht hat. So passt diese eigenwillige Erzählart durchaus zu der Situation, wenn die Welt sich gleichzeitig verändert und stillsteht. Es macht das Drama aber auch zu einer Herausforderung, weshalb es nicht verwundert, dass es in der oft experimentelleren Sektion Forum der Berlinale 2025 Premiere feierte. Wer sich dieser stellen möchte, wird bei Der Kuss des Grashüpfers mit einem ungewöhnlichen Film belohnt, der einen ganz eigenen Zugang zu den existenziellen Erlebnissen sucht und anbietet. Auf jeden Fall macht das neugierig, was Imanov wohl das nächste Mal zu zeigen hat.
OT: „Der Kuss des Grashüpfers“
Land: Deutschland, Luxemburg, Italien
Jahr: 2025
Regie: Elmar Imanov
Drehbuch: Elmar Imanov
Musik: Kyan Bayani
Kamera: Borris Kehl
Besetzung: Lenn Kudrjawizki, Michael Hanemann, Sophie Mousel
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