Another World (2025)

Der Tod ist nur der Anfang: Wer gestorben ist, hat immer noch die Möglichkeit zur Wiedergeburt, muss dafür aber erst einmal eine magische Welt durchqueren. Gudo lebt in dieser Welt und hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Verstorbenen zu leiten und sie zu ihrem Ziel zu bringen. Dabei trifft er eines Tages auf Yuri, die auf der Suche nach ihrem verschwundenen Bruder ist und dringend Hilfe gebrauchen kann. Gemeinsam begeben sie sich auf eine beschwerliche Reise, müssen Gefahren trotzen. Doch da ist noch mehr an diesem Kind, eine Dunkelheit, die in ihr lauert. Und es liegt an Gudo, sie auf dem Weg dorthin zu begleiten …

Fantasyabenteuer aus Hongkong

In den letzten Jahren haben chinesische Animationsfilme einen gewaltigen Popularitätsschub erfahren. Früher nur eine Fußnote gewesen, die im Vergleich zu westlichen und japanischen Beiträgen kaum zu sehen war, haben sie sich doch etablieren können. Das bekannteste Beispiel ist natürlich Ne Zha 2, das dieses Jahr alle Rekorde gebrochen hat und inzwischen der erfolgreichste Animationsfilm ist – weltweit wohlgemerkt. Auch auf Festivals sieht man immer wieder Beiträge aus dem Reich der Mitte, darunter den fantasievollen Geheimtipp The Storm. Als solchen darf man auch Another World bezeichnen, wobei dieser nur bedingt aus China kommt. Genauer handelt es sich bei dem Fantasyabenteuer um eine Produktion aus Hongkong, welches man bislang eher weniger mit animierten Werken in Verbindung gebracht hat.

Die Herkunft ist dabei auch nicht zu erkennen. Tatsächlich stammt die inhaltliche Vorlage aus Japan, genauer ließ man sich von dem Roman Sen nen ki von Saijo Naka inspirieren. Und auch visuell könnte man zunächst den Eindruck haben, einen Anime vor sich zu haben. Gerade die Charakterdesigns könnten ohne Weiteres aus dem Land der aufgehenden Sonne stammen. Das bedeutet aber nicht, dass Another World visuell beliebig ist. Der Animationsfilm gefällt durch einen Mix aus realistischen und fantastischen Settings, wenn das Leben in unserer Welt und die jenseitige in einer engen Verbindung stehen. Da gibt es detailverliebte Landschaften in allen möglichen Farben ebenso wie düstere menschliche Bauten, in denen Grausames vor sich geht. So mancher Anime könnte sich an dieser Bilderflut ein Beispiel nehmen.

Brutal und komplex

Letzteres kommt etwas überraschend. So könnte man auf den ersten Blick meinen, es handele sich um ein Fantasyabenteuer für ein jüngeres Publikum. Wenn aber plötzlich Körper zerstückelt werden und es zu Massenmorden kommt, versteht man, warum die Premiere beim Annecy Filmfestival 2025 in der Sektion Midnight Specials stattfand, wo unter anderem auch All You Need Is Kill und Mononoke The Movie: Chapter II – The Ashes of Rage gezeigt wurden. Aber auch inhaltlich mutet Another World den Zuschauern und Zuschauerinnen einiges zu. Zu viel sollte man vorab nicht erfahren, da die Geschichte einige Überraschungen und Wendungen bereithält. Aber es wird düster und tragisch, sowohl im Hinblick auf die Protagonistin, deren Geheimnis wir erst spät erfahren, wie auch auf andere Figuren, denen wir im Lauf der rund 110 Minuten begegnen.

Das hätte man eventuell ein wenig entschlacken können, der Film ist schon recht umfangreich und komplex geworden – so manche im Publikum waren von der Geschichte dann auch etwas überfordert. Zumal ja auch die Themen schon anspruchsvoll genug sind, wenn es unter anderem um die Frage geht, wie man mit einer unverzeihlichen Schuld umgehen kann. Ein bisschen Stoff zum Nachdenken ist bei Another World also dabei, da spukt einiges auch über den Abspann hinaus im Kopf herum. Man kann das Animationswerk aber auch einfach als Ausflug in eine ganz eigene Welt bewundern, in der sonderbare Wesen umherstreifen und eine physische Reise gleichzeitig eine metaphorische wird. So oder so macht das neugierig auf weitere Werke von Regisseur Tommy Kai Chung Ng, der hiermit sein Langfilmdebüt gibt – und auf weitere aus Hongkong allgemein.