
Früher einmal, da arbeitete Elias (Vahid Behrozian) als Theaterschauspieler. Doch diese Zeiten liegen hinter ihm, sein letztes Engagement ist schon eine ganze Weile her. Um irgendwie über die Runden zu kommen, hat er deshalb eine Stelle in einem Kindergarten angenommen, in denen er sich in ein Tierkostüm zwingen muss. Doch selbst dabei hält sich die Resonanz in Grenzen, die Kinder haben eher Angst vor dem massigen Mann, der niemals lächelt. Parallel zu seiner beruflichen Krise gerät er auch privat in eine: Seine Ehe steht vor dem Aus, sein Freundeskreis will ebenfalls nichts mehr mit ihm zu tun haben. Und so rutscht der Iraner immer weiter in den Abgrund, geht in einer Welt verloren, die keinen Nutzen mehr in ihm sieht …
Schräg verpackte Tragik
An Filmen aus Iran, die sich kritisch mit der eigenen Gesellschaft auseinandersetzen, mangelt es nun wirklich nicht. Vor allem im Westen werden Werke bejubelt, die den Finger in die Wunde legen und die Repressionen des Regimes beklagen. It Was Just an Accident von Jafar Panahi über ehemalige Gefängnisinsassen, die ihrem alten Peiniger begegnen, gewann 2025 in Cannes die Goldene Palme. Andere hoch gelobte Beispiele der letzten Zeit waren Die Saat des heiligen Feigenbaums von Mohammad Rasulof oder Ein kleines Stück vom Kuchen von Maryam Moghaddam und Behtash Sanaeeha, auch diese Filme wurden mit Preisen bedacht. Eher weniger Aufmerksamkeit erhalten die Werke von Vahid Vakilifar, der 2010 mit Gesher sein Debüt vorlegte und dessen bislang fünfter Film Rhinos Conquered the Middle East 2024 Premiere feierte, obwohl auch er einiges zu sagen hat.
Dabei ist es durchaus nachzuvollziehen, weshalb sich der iranische Regisseur und Drehbuchautor schwerer damit tut Anklang zu finden: Seine Arbeiten sind schwerer zugänglich, gern auch mal etwas kryptisch. Während seine Kollegen zuweilen recht deutlich zeigen, worum es ihnen geht und was alles in dem Land kaputt ist, da geht Vakilifar Umwege. Zuletzt stattete er in dem dystopischen K9 dem Science-Fiction-Genre einen Besuch ab. Mit Rhinos Conquered the Middle East kehrt er zwar wieder zum Alltag zurück und zeigt das sehr irdische Schicksal eines Theaterschauspielers, der durch alle Raster fällt. Aber auch hier finden sich regelmäßig surreale Szenen, wenn der Protagonist etwa in einem Käfig steckt. Und selbst, wenn wir mitansehen, wie er regulär mit anderen Menschen agiert, ist das Ganze recht schräg. Teilweise wirkt es geradezu komisch, wie Elias in einem völlig unpassenden Tierkostüm steckt.
Verloren in der Welt
Daran hat Hauptdarsteller Vahid Behrozian natürlich einen großen Anteil, wenn er mit versteinerter Miene und seinem massigen Körper überall auffällt und dabei zu einem Fremdkörper wird. Ein Berg mitten in der Stadt, der Befremden auslöst oder gleich völlig ignoriert wird. Das ist daher trotz der kuriosen Anmutung auch richtig tragisch: Vakilifar stellt uns einen Menschen vor, der so deplatziert und isoliert ist, dass er nirgends reinpasst. In Rhinos Conquered the Middle East kann er nicht einmal einen Zoo besuchen, ohne dass es dabei zu Problemen kommen würde. Die muss man dann nicht unbedingt nachvollziehen können. Tatsächlich tragen die seltsam unmotivierten Konflikte zu der Stimmung des Films bei.
Erklärungen braucht man deshalb keine zu erwarten, ebenso wenig eine klare Dramaturgie. Die Geschichte von Elias schreitet voran, ohne sich wirklich zu entwickeln. Rhinos Conquered the Middle East besteht vielmehr aus zahlreichen Momentaufnahmen, die zwar inhaltlich zusammenhängen, aber nicht aufeinander aufbauen. Auch das trägt dazu bei, dass der Film schwerer zugänglich ist. Aber es macht ihn auch faszinierend: Der Beitrag vom Cinema Iran Festival 2025 ist ein Drama, das eigenwillig ist, sonderbar – und doch sehr nah an den Menschen und ihrer Empfindungswelt. Vakilifar vermittelt das Gefühl, nirgends hineinzupassen und ungewollt zu sein, was in Zeiten weltweit steigender Einsamkeit durchaus ein wichtiges Thema ist. Der Film mag nicht so viel über die iranische Gesellschaft sagen wie andere, ist aber auf seine Weise sehr universell und allein deshalb schon sehenswert.
OT: „Rhinos Conquered the Middle East“
Land: Iran
Jahr: 2024
Regie: Vahid Vakilifar
Drehbuch: Vahid Vakilifar
Musik: Foad Ghahremani
Kamera: Amin Bagheri
Besetzung: Vahid Behrozian, Mahtab Khoshmanesh
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