Vier Mütter für Edward Four Mothers
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Vier Mütter für Edward

Vier Mütter für Edward Four Mothers
„Vier Mütter für Edward“ // Deutschland-Start: 10. Juli 2025 (Kino) // 13. November 2025 (DVD)

Inhalt / Kritik

Der irische Schriftsteller Edward (James McArdle) hat gerade seinen neuen Roman veröffentlicht. Die ersten Kritiken sind blendend. Sogar in den USA will man eine Lesereise mit ihm organisieren. Allerdings muss er dafür eine Lösung für seine pflegebedürftige Mutter Alma (Fionnula Flanagan) suchen, die nach einem Schlaganfall nicht mehr sprechen kann und komplett auf die Hilfe ihres Sohnes angewiesen ist. Weil die alte Dame trotz ihrer Einschränkungen weiterhin das Sagen in der co-abhängigen Beziehung hat, kommen weder ein Besuch bei Verwandten noch eine zeitweilige Heimunterbringung infrage. Aber damit nicht genug. Für ein dreitägiges Pride-Festival auf Gran Canaria laden Edwards schwule Freunde einfach ihre Mütter Jean (Dearbhla Molloy), Rosey (Paddy Glynn) und Maude (Stella McCusker) bei Edward ab. Nach dem Motto: Weil der Kumpel sowieso zu Hause festgenagelt ist, kommt es auf ein paar mehr anspruchsvolle alte Damen auch nicht mehr an. Eine derartige Konstellation, man ahnt es, schreit geradezu nach dem Komödienfach. Tatsächlich hat der irische Regisseur Darren Thornton einen veritablen Wohlfühlfilm gedreht. Trotzdem – und das ist das Zauberhafte – opfert er die Komplexität der Mutter-Sohn-Probleme nicht auf dem Altar der Gags.

Wenn Blicke töten

Die Klingel ist Almas wichtigste Waffe, neben dem Tablet, in das sie ihre Wünsche oder Befehle eintippt und dann per Maschinensprache verkündet. Es klingelt also am Morgen, als Edward schon wach ist und sich gerade Notizen für ein bevorstehendes Radio-Interview über seinen Roman macht. Erst klingelt es verhalten, dann dringlicher und schließlich hört das Schrillen der Alarmglocke gar nicht mehr auf, damit Edward endlich seinen Zettel weglegt und ins Nebenzimmer stürmt. Der Sohn bleibt trotzdem außerordentlich freundlich und zuvorkommend, wünscht seiner Mutter einen guten Morgen, zieht sie an und kämmt sie – immer skeptisch beäugt von einem Blick, der töten könnte. Erst als sie am Frühstückstisch sitzen, nimmt Alma ihr Tablet und tippt drei Worte hinein: „Guten Morgen, Edward“.

Natürlich sind Altwerden und Kranksein nicht vergnügungssteuerpflichtig, aber in Griesgram und Dominanz der Mutter spiegelt sich Edwards größtes Problem. Er leidet am Helfersyndrom, kann nicht Nein sagen und verpasst so sein eigenes Leben. Die offensichtliche Charakterschwäche liefert einen herrlich komödiantischen Steilpass und der Film kostet ihn genüsslich aus, vergleichbar seiner Vorlage, der ebenfalls zauberhaften italienischen Komödie Das Festmahl im August von Gianni Di Gregorio. Gleichzeitig jedoch – und hierin zeigt sich die besondere Stärke des Films – wird eine zentrale Frage nicht unter den Tisch gekehrt: Wie egoistisch darf man sein, wenn die Eltern pflegebedürftig werden? Das lässt sich wahrscheinlich überhaupt nicht allgemeingültig beantworten und Vier Mütter für Edward macht hierzu glücklicherweise auch keine Angebote. Aber der Film lässt das Thema bei aller vergnüglichen Leichtigkeit, die im Grunde auch für sich stehen könnte, im Hintergrund mitlaufen. Und macht dem Publikum somit ein Angebot, über die eigene Familie nachzudenken.

Wenn man trotzdem lacht

Ähnlich wie Das Festmahl im August beruht auch Vier Mütter für Edward auf biografischen Erfahrungen. Allein schon deshalb ist der irische Film kein reines Remake, sondern greift die Grundstruktur der Story auf, um sie mit eigenem Leben zu füllen. Bei der Mutter von Regisseur Darren Thornton (Ein Date für Mad Mary) wurde 2016 eine schwere neurodegenerative Krankheit diagnostiziert. Ihm und seinem Bruder Colin, der am Drehbuch mitschrieb, war damals schnell klar, dass die Mutter bald Vollzeitpflege benötigen würde. Die Brüder zogen deshalb wieder in ihr Elternhaus, um für die Mutter da zu sein, die sich ebenfalls nur noch per iPad verständigen konnte. Das ist natürlich überhaupt nicht lustig – aber vielleicht eine der Situationen im Leben, die man nur mit Humor wirklich bewältigen kann. Im Film jedenfalls funktioniert die Balance zwischen Komödie und Tragik hervorragend, gerade auch wegen der ungeschminkten, realitätsnahen Dialoge und dem feinen Grat, über den das Drehbuch schwindelfrei balanciert.

Sein Roman bediene einerseits das Genre der schwulen Liebesgeschichte, lebe aber genauso vom Subtext, behauptet Autor Edward in einem Interview. Genauso verhält es sich mit dem Film. Vieles ist hier versammelt: Einsamkeit im Alter, schwule Söhne und ihre Mütter, die Sache mit dem Coming-Out, der Katholizismus der älteren irischen Generation, die traditionelle Rollenverteilung zwischen Mann und Frau, das Leiden der Söhne unter den Macho-Vätern – und nicht zuletzt die unter den Teppich gekehrten Konflikte zwischen Müttern und symbiotisch verbandelten Söhnen. Dennoch umschmeichelt der Film das Publikum wie ein Sommerwind im Open-Air-Kino. Selbst wenn die gedämpften Farben und die Vereinzelung der Figuren in Schnitt und Kameraeinstellung den Wohlfühlfaktor realistisch grundieren, tut dies dem warmherzigen Grundton keinen Abbruch. Wenn per Split-Screen die Figuren aus ihrer Einsamkeit gerissen werden, hat die gute Laune schon wieder Oberwasser.

Credits

OT: „Four Mothers“
Land: Irland, UK
Jahr: 2024
Regie: Darren Thornton
Drehbuch: Colin Thornton, Darren Thornton
Musik: Hugh Drumm, Stephen Rennicks
Kamera: Tom Comerford
Besetzung: James McArdle, Fionnula Flanagan, Dearbhla Molloy, Stella McCusker, Paddy Glynn

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Vier Mütter für Edward
fazit
„Vier Mütter für Edward“ erzählt von der ebenso humorvollen wie schwierigen Beziehung eines aufstrebenden schwulen Schriftstellers zu seiner pflegebedürftigen Mutter. Regisseur Darren Thornton und sein Bruder Colin schöpfen bei ihrem Remake von „Das Festmahl im August“ aus eigenen Erfahrungen, lassen sich davon aber nicht herunterziehen. Sondern wandeln leichtfüßig über den schmalen Grat zwischen Komödie und ernsthaftem Subtext. Ein Wohlfühlfilm mit wunderbar schrulligen Charakteren.
Leserwertung4 Bewertungen
4.2
9
von 10