
Die Anschuldigungen wiegen schwer: Nick Storm (Matthias Koeberlin) soll seine Freundin Yvonne Schubert (Johanna Klante) vergewaltigt haben. Doch ist dieser Vorwurf auch gerechtfertigt? Von Anfang an herrschen dabei Zweifel, welche Storms Anwältin Lea Jung (Julia Koschitz) auszunutzen weiß. Tatsächlich gelingt es ihr, vor Gericht einen Freispruch zu erlangen. Damit ist die Geschichte für sie aber nicht vorbei. Zum einen wird sie in Folge immer wieder angefeindet und beschuldigt, einem Vergewaltiger geholfen zu haben. Aber auch Storm selbst trägt dazu bei, dass das Ende des Prozesses erst der Anfang ist, indem er verstärkt die Nähe von Jung sucht. Diese scheut sich zunächst davor, empfindet das als unprofessionell. Mit der Zeit lässt sie sich dennoch darauf ein, muss sich jedoch fragen: Was, wenn die Anschuldigungen wahr waren?
Ein Psychothriller unter vielen
Im deutschen Fernsehen mangelt es bekanntlich nicht an Krimis und Thrillern, da kommen jede Woche gleich mehrere Titel heraus, um den unstillbaren Hunger des Publikums zu bedienen. Die meisten davon gehören zu festen Reihen, manche werden seit Jahren fortgesetzt. Dann und wann kommen aber auch Einzelfilme heraus. In Momentversagen etwa gerät ein Staatsanwalt nach einer Affäre und einer gewalttätigen Situation in Schwierigkeiten. Zuletzt erzählte der auf einer wahren Geschichte basierende Thriller Ohne jede Spur – Der Fall der Nathalie B. von einer Frau, die von einem Mann entführt wird. Schon ein bisschen älter ist das Beispiel In gefährlicher Nähe, eine weitere ARD-Produktion, bei dem die Hauptfigur plötzlich in eine brenzlige Lage gerät und das Publikum mitfiebern soll, wie es weitergeht.
Wobei der Film lange Zeit offenlässt, ob es diese Gefahr nun gibt oder nicht. Zwar wird anfangs impliziert, dass Storm sehr wohl ein Vergewaltiger ist und damit potenziell für weitere Gewalttaten in Frage kommt. Ein bisschen unheimlich ist er auch, wie er die Anwältin im Anschluss bedrängt. Da liegen Vergleiche zu diversen Psycho- bzw. Stalkingthrillern auf der Hand, wie sie das deutsche und das österreichische Fernsehen in den letzten Jahren immer wieder produziert haben. Ewig Dein fällt einem da etwa ein, auch dort spielte Julia Koschitz die Hauptrolle und bekam es mit einem sehr aufdringlichen Herrn zu tun. Überhaupt ist In gefährlicher Nähe über weite Strecken kein sehr origineller Film, ein Großteil besteht nur aus den üblichen Versatzstücken, wie man sie immer wieder findet.
Ärgerliche Figurenzeichnung
Das funktioniert prinzipiell dann auch, die Zielgruppe dürfte zufrieden sein. Da sind allerdings auch ein paar Punkte, die für Irritationen sorgen. Ärgerlich ist zum Beispiel, wie die Protagonistin dann doch zu einer psychisch angeknacksten Damsel in Distress reduziert wird, aufgeladen mit alten Traumata, nachdem sie anfangs noch als starke Anwältin auftreten konnte. In gefährlicher Nähe hält sich zudem nicht wirklich lange mit der Diskussion auf, ob die Anwältin überhaupt etwas mit dem ehemaligen Mandanten anfangen darf oder nicht. Grundsätzlich hätte das ein spannendes Thema werden können, wird aber nur genutzt, um die angeknackste Psyche der Hauptfigur zu verdeutlichen.
Allgemein sind die Figuren nicht sehr interessant geworden. Die zweite weibliche Figur, die Exfreundin des Mandanten, ist auch nicht mehr als das Psychowrack. Die Männer entsprechen den typischen Klischees, da wurde erst recht keine Arbeit investiert. Es gibt daher nicht so wahnsinnig viele Gründe, warum man sich In gefährlicher Nähe unbedingt anschauen muss. Am ehesten ist es noch die Frage, wie das Ganze ausgehen wird. Und zumindest in der Hinsicht versucht der deutsche Thriller, ein bisschen was anders zu machen. Glaubwürdigkeit darf man an der Stelle jedoch nicht erwarten, das ist teilweise schon ein bisschen plump bis albern geworden. Insgesamt reicht das dann zwar schon aus, um sich irgendwie die Zeit zu vertreiben. Gesehen haben muss man das Ergebnis aber kaum.
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