
Der Auftragskiller Shinno (Ryuhei Matsuda) soll den mysteriösen Sektenführer Hanzo (Chihara Jr.) finden und töten. Seine Auftraggeberin Nonoka (Haruka Imou) will außerdem, dass er ihren verschwundenen Bruder Rosuke (Yosuke Kubozuka) ausfindig macht. Dieser war Mitglied in Hanzos Sekte und seine Schwester vermutet, Hanzo habe ihn umgebracht. Sein Ziel zu finden ist kein Problem, da Hanzos Tempel für alle Menschen zugänglich ist. Doch den Sektenführer auszuschalten, erweist sich als schier unmögliche Aufgabe, da dieser über Mächte verfügt, welche Shinnos Waffen wirkungslos machen. Ihm wird klar, dass dieser Job eine andere Herangehensweise erfordert, sodass er sich vertieft in die Lehre Hanzos vom Überschreiten der Dimensionen und der damit steigenden Macht eines Menschen. Kompliziert wird sein Auftrag ferner, als der vermisst geglaubte Rosuke auf einmal wieder auftaucht. Doch der junge Mann ist nicht mehr der, der er einmal war, und die Macht, über die er verfügt, scheint Hanzos noch zu übertreffen.
Spirituelles Filmemachen
Toshiaki Toyoda gehört mit Abstand zu den wichtigsten heutigen Filmemachern Japans. Auch wenn seine Filmografie nicht so lang ist wie die einiger seiner Kollegen, spricht die thematische und visuelle Kraft seiner Werke für sich, weshalb es an der Zeit ist, dass man sich auch außerhalb von Filmfestivals mit seinen Filmen befasst. Kurzfilme wie Go Seppuku Yourselves oder Wolf Calling befassten sich mit dem politisch-sozialen Chaos während und nach der Pandemie, doch in seinem neuen Spielfilm Transcending Dimensions geht Toyoda einen Schritt weiter. Der Film, der auf der diesjährigen Nippon Connection zu sehen sein wird, thematisiert das spirituelle Vakuum, was viele Menschen entweder in die Flucht zur Technologie treibt oder radikalisiert.
In einem Interview über Transcending Dimensions definiert Toyoda seine Art des Filmemachens als „spirituell“. Auch wenn diese Beschreibung augenscheinlich in erster Linie auf seine Werke in den letzten Jahren zutreffen, ist Toyodas Schaffen seit seinen ersten Filmen Pornostar und der Manga-Adaption Blue Spring angetrieben von unterschiedlichen Stimmungen. Toyodas Blick gilt nicht nur seiner Heimat, sondern geht darüber hinaus, wenn er auf politische und gesellschaftliche Zusammenhänge verweist, wie beispielsweise in Go Seppuku Yourselves der wachsenden Kluft zwischen den Mächtigen und den Bürgern. Die Wut, die seine letzten Kurzfilme angetrieben hat, ist in Transcending Dimensions nur zu einem gewissen Teil spürbar, denn nun geht es Toyoda um den Menschen und nur noch am Rande um das System, das ihn umgibt. Auf der Suche nach spiritueller Führung fallen die Figuren auf Hanzo herein, den Chihara Jr. mit dem Nimbus eines Machthabers spielt, der alle Antworten zu wissen scheint. Wie bei all diesen Sektenführern fallen die Antworten vage aus, sind entweder nur leere Hüllen oder beinhalten tatsächlich den neuen Antrieb, den sich die Figuren in ihrem Leben wünschen. Ryuhei Matsudas Figur findet eine neue Herausforderung sowie so etwas wie einen tieferen Sinn in seinem Leben, während Kiyohiko Shibukawas Figur einen Gegner findet, der ihn dazu motiviert, Körper und Geist noch mehr zu trainieren. Die große Leere in einem selbst, ausgelöst durch das Wegfallen vieler vermeintlich sicherer Strukturen, wird zur Beute von Scharlatanen, Ausbeutern und Machthungrigen, doch das Chaos wird eigentlich nur noch größer.
Über die Grenzen hinaus
Das Überschreiten der Dimensionen ist in Toyodas Film jedoch keineswegs nur eine Metapher. In einer von vielen beeindruckenden Sequenzen „zoomt“ die Kamera heraus und überschreitet dabei Zeit und Raum, was wie ein Verweis auf eine ähnliche Szene aus Stanley Kubricks 2001 – Odyssee im Weltraum anmutet. Die Verbindung von Technologie und der wilden Mischung unterschiedlicher Religionen, die Hanzo als seinen Glauben ausgibt, wird nichts weniger als der neue Mensch angestrebt. Yosuke Kubozuka betont durch sein facettenreiches Spiel zum einen das Suchen eines jungen Mannes nach einem Ausweg aus der spirituellen Leere und zum anderen einen dieser „neuen Menschen“, der zwar Grenzen überschritten hat, aber noch immer auf der Suche scheint. Die Konfrontation mit seinem Meister inszeniert Toyoda als visuell beachtliche Spiegel-Sequenz, die wie ein Echo auf die ideologischen Grabenkriege wirkt, die wir tagtäglich in sozialen Netzwerken oder auf der politischen Bühne beobachten. Das persönliche Narrativ ist zur Ideologie geworden, dem sich alle unterzuordnen haben, doch das Chaos bleibt oder wird noch größer.
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