Peak Everything
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Peak Everything

Peak Everything
„Peak Everything“ // Deutschland-Start: nicht angekündigt

Inhalt / Kritik

Der 45-jährige Frankokanadier Adam (Patrick Hivon) lebt in einem verschlafenen Nest in Québec und hat nicht viel, das ihn hoffnungsfroh in die Zukunft blicken lässt. Er betreibt mehr schlecht als recht einen Hundezwinger und lässt sich von seiner jungen Mitarbeiterin Romy (Élizabeth Mageren) auf der Nase herumtanzen. Seine letzte Beziehung liegt Jahre zurück und seine Angst vor der Klimakrise stürzt ihn in eine Depression. Um die schlechten Gedanken zu vertreiben, meditiert Adam nicht nur und zieht sich währenddessen in seinem Kopf in eine fiktive Winterlandschaft zurück, er hat sich auch eine Lichttherapielampe gekauft, vor der er jeden Abend vor dem Schlafengehen Platz nimmt. Doch das pyramidenförmige Gerät scheint nicht zu funktionieren. Also ruft Adam eines Abends beim Kundenservice an – und hat Tina (Piper Perabo) an der Strippe. Tinas Stimme nimmt Adam sofort gefangen. Wiederholt ruft Adam die Hotline an. Als eines ihrer Telefonate abrupt unterbrochen wird und es sich so anhört, als schwebe Tina in Gefahr, setzt sich Adam ins Auto seines Vaters (Gilles Renaud), um Tina zu Hilfe zu eilen. Eine seltsame Beziehung voll schräger Momente nimmt ihren Lauf.

Telefonierende Liebende

Was wäre das Kino ohne schräge Charaktere, ohne all die Käuze und Eigenbrötler, die in ihren eigenen kleinen Universen kreisen? Im Mainstream sind sie immer seltener zu finden, doch zum Glück wird der Independent-Film nicht müde, diesen skurrilen Typen einen gebührenden Platz einzuräumen. Und selbst wenn es nur ein Bruchteil der Filme überhaupt in die Kinos schafft – auch Peak Everything der kanadischen Regisseurin und Drehbuchautorin Anne Émond wird es schwer haben –, sind sie erfreulich oft auf dem Heimkinomarkt oder im Streaming erhältlich.

Émonds romantische Komödie Peak Everything, die im Zuge der 78. Internationalen Filmfestspiele von Cannes in der unabhängigen Nebenreihe Quinzaine des cinéastes ihre Weltpremiere feierte, verströmt von der ersten Minuten an einen weirden Vibe. Sie erinnert an eine Handvoll anderer schräger romantischer Komödien aus Nordamerika der vergangenen Jahre. Wer Kajillionaire (2020), Looks that Kill (2020) oder Daydreams (Originaltitel: Sometimes I Think About Dying; 2023) mochte, der wird auch diese Indie-Perle lieben.

Seltsame Figuren, Orte und Wendepunkte

Die 1982 geborene Émond ist schon 20 Jahre im Geschäft. Seither hat sie sieben Kurz- und fünf Langfilme gedreht. Peak Everything ist ihr sechstes abendfüllendes Werk und von eigenen Erfahrungen geprägt. Mit dem Drehbuchschreiben habe sie begonnen, um ihre eigenen Ängste zu überwinden, sagt sie. „Ich litt unter einer Art von Stress, die typisch für unsere Zeit ist und zur Normalität geworden ist: Depressionen, Angstzustände, Öko-Angst, ein Gefühl der Leere, Angst vor der Zukunft.“ Wie ihre Hauptfigur, der depressive Betreiber eines Hundezwingers, besitzt auch die Regisseurin eine Lichttherapielampe, anders als ihr Protagonist rief sie allerdings nie bei der Kundenhotline des Herstellers an. Das Telefonat entspann sich erst in ihrem Kopf und führte zu einer ganzen Reihe seltsamer Charaktere.

Die Kuriositäten in Émonds Film machen nicht bei den Figuren halt. Sie spiegeln sich bereits im Handlungsort. Der vom Frankokanadier Patrick Hivon gespielte Protagonist, der angesichts seiner Furcht vor dem nahenden Weltuntergang bezeichnenderweise Adam heißt, also den Namen des ersten Menschen trägt, lebt in einer alten Bergarbeiterstadt. Zwischen tiefen Gruben und gigantischen Schornsteinen findet der Kameramann Olivier Gossot immer wieder einzigartige Einstellungen von rauer, industriell verschmutzter Schönheit. Und das Kuriose setzt sich schließlich in unerwarteten Wendepunkten und Handlungsverläufen fort.

Narrative Kröten und perfekte Chemie

Émonds Publikum muss eine Menge Unwahrscheinlichkeiten schlucken. Ungereimt ist jedoch keine davon. Dass sich Adam mir nichts, dir nichts auf den Weg zu seinem Objekt der Begierde, der von Piper Perabo verkörperten Hotline-Mitarbeiterin Tina, macht, als er diese in Gefahr wähnt, ist angesichts seiner hoffnungslosen Lebenslage nachvollziehbar. Dass Tina ihre eigenen Lebensumstände erst sukzessive offenbart, ist ebenfalls verständlich. Dass aus dieser verzwickten Lage schließlich wider Erwarten doch noch die Hoffnung auf eine romantische Beziehung keimt, ist sicherlich die größte erzählerische Kröte, die Émonds ihrem Publikum vorsetzt. Doch wer an die erneuernde Kraft romantischer Erzählungen glaubt, wird daran nicht viel auszusetzen haben.

Piper Perabo im Zusammenspiel mit Patrick Hivon zu sehen, trägt einen nicht unerheblichen Anteil zum Gelingen dieses Films bei. Perabo, die ihren Durchbruch vor nunmehr 25 Jahren mit der lasziven, feuchtfröhlichen Romcom Coyote Ugly (2000) hatte, liefert in Peak Everything eine vollkommen andere Leistung ab. Die Leinwandchemie zwischen Perabo und Hivon ist perfekt. Gemeinsam führen sie vor Augen, wie dünn die Linie zwischen leidenschaftlicher, mit einer Prise Wahnwitz gewürzter Impulsivität, Zerbrechlichkeit, Zärtlichkeit und Zukunftsangst sein kann. Der französische Titel dieser Komödie lautet denn auch Amour Apocalypse. Der englische Originaltitel Peak Everything steht für ein wissenschaftliches Konzept, demzufolge die Menschheit im 21. Jahrhundert an die Grenzen aller Ressourcen stoßen wird. Wer Peak Everything gesehen hat, kann hingegen nur hoffen, dass Anne Émond noch nicht an den Grenzen ihrer Erzählkunst angelangt ist.



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Peak Everything
fazit
„Peak Everything“ ist ein Independent-Film voller schräger Figuren, absurder Situationen und skurriler Wendepunkte. Die Chemie zwischen den zwei Hauptdarstellern Patrick Hivon und Piper Perabo stimmt und trägt nicht unerheblich zum Gelingen dieser romantischen Komödie bei. Deren Regisseurin und Drehbuchautorin Anne Émond liefert eine ebenso zärtliche wie amüsante Amour fou ab, die Lust auf mehr macht.
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