Nippon Connection

Marion Klomfaß [Interview]

Marion Klomfaß ist die Leiterin und Mitbegründerin des Filmfestivals Nippon Connection in Frankfurt am Main. Seit 2000 wird das Festival jedes Jahr veranstaltet und feiert damit 2025 sein 25-jähriges Jubiläum. Neben einem facettenreichen Filmprogramm, was sowohl bekannte Namen der japanischen Filmlandschaft beinhaltet, gibt es auch sehr viele Produktionen aus dem Indie-Bereich. Darüber hinaus zeichnet die Nippon Connection sich durch ein vielfältiges Rahmenprogramm aus, etwa eine klassische Teezeremonie, Kurse zum Manga-Zeichnen, Vorlesungen und eine Auswahl an japanischen Gerichten.

Anlässlich des Starts der Nippon Connection 2025 am 27. Mai unterhalten wir uns mit Marion Klomfaß über die Geschichte des Festivals, das Meistern des Corona-Lockdowns und eines Vulkanausbruchs in Island sowie die Filmauswahl.

2000 startete die Nippon Connection mit 10.000 Besuchern und heute ist sie das größte Festival für japanische Filme weltweit. Über die Jahre hat das Festival einiges miterlebt, von Entwicklungen innerhalb der Filmbranche bis hin zu politischen Umbrüchen. Was sind deine besonderen Erinnerungen an diese ersten 25 Jahre Nippon Connection?

Da gibt es sehr viele und die Auswahl fällt schwer. Sicher ist aber das erste Festival ein Highlight für mich und das Team gewesen. Eigentlich war das erste Nippon Connection Filmfestival als einmaliger Ereignis geplant, doch wir waren überwältigt von dem Interesse und der Zahl der Zuschauer und Zuschauerinnen, die dann zum Festival kamen. Wir hätten nie gedacht, dass sich so viele Menschen für japanische Filme im Originalton mit englischen Untertiteln begeistern würden. Das war dann unsere Motivation, Nippon Connection jährlich zu veranstalten.

Ein Ereignis, was nicht direkt mit Japan oder der Filmindustrie zu tun hat, war der Ausbruch des isländischen Vulkans 2010. Da der Flugverkehr in ganz Europa aufgrund dessen lahmgelegt war, konnten unsere japanischen Gäste vorerst nicht zurück in ihre Heimat fliegen. Das war vor allem deswegen problematisch, weil sie nach dem Festival schon Filmdrehs und andere Verpflichtungen hatten. Wir haben sehr viele Anrufe von Verleihern und Agenten bekommen, dass wir doch bitte dafür sorgen sollen, dass ihre Klienten wieder zurück nach Japan kommen, doch das konnten wir leider nicht. Aus diesem Ereignis ist übrigens eine Ehe hervorgegangen und ein Filmprojekt. Also hatte es zumindest eine positive Seite.

Ein weiteres Ereignis, was mir und dem Nippon Connection-Team, sicherlich in Erinnerung bleiben wird, ist der Corona-Lockdown. Wir hatten das Festival und das Programm schon fertig geplant, doch dann mussten wir innerhalb kürzester Zeit, uns komplett umstellen. Das Team war trotz dieser Krise hochmotiviert, voller Tatendrang und sehr ideenreich, was letztlich dazu führte, dass wir das Programm online stellen und im Prinzip für sechs Tage zu einem kleinen Fernsehsender wurden. Wir waren mit 15 Leuten im Frankfurter Mousonturm und haben während dieser Zeit nonstop gestreamt.

Du hast einmal gesagt, dein Lebensmotto ist: Gott, gib mir die Gelassenheit, Dinge hinzunehmen, die ich nicht ändern kann, den Mut, Dinge zu ändern, die ich ändern kann, und die Weisheit, das eine vom anderen zu unterscheiden. Ist das nicht ein tolles Motto, wenn man ein Filmfestival leitet?

25 Jahre Nippon Connection heißt natürlich auch, dass man immer wieder Unwägbarkeiten managen muss. Es ist jedes Mal eine Herausforderung, eine neue Ausgabe auf die Beine zu stellen, doch mittlerweile sind mein Team und ich erprobt darin, für alle Fälle einen Plan B zu haben und schnelle Lösungen zu finden. Es sind aber Probleme, mit denen, glaube ich, jedes Filmfestival konfrontiert wird, beispielsweise, wenn ein Film nicht gezeigt werden kann oder ein Gast in letzter Minute absagt. Die Kunst ist, sich von solchen Dingen nicht unterkriegen zu lassen.

Das Programm der Nippon Connection-Filmfestivals steht jedes Jahr unter einem neuen Motto, dieses Jahr ist es „Obsessions – From Passion to Madness“. Wie kommt ihr auf diese Mottos?

Den Themenschwerpunkt legen wir immer innerhalb des Filmteams fest, meistens schon im Sommer vor dem nächsten Festival. Wir haben bereits eine lange Liste mit Themen, auf die wir immer zurückgreifen. Seit einigen Jahren wird der Schwerpunkt vom Kulturfonds Frankfurt RheinMain gefördert

Obsessionen ist ein Thema, was man mit der japanischen Filmlandschaft verbindet, aber es steht natürlich auch für unsere Leidenschaft für Film ganz allgemein. Deswegen passt dieses Motto ganz gut zum 25-jährigen Jubiläum von Nippon Connection.

Eine weitere feste Größe bei Nippon Connection ist der Nippon Rising Star Award, der dieses Jahr an Background Artist und Art Director Kosuke Hayashi vergeben wird. Wie wählt ihr die Menschen aus, die diesen Preis erhalten?

Das besprechen wir auch innerhalb des Filmteams. Wir treffen uns sehr oft und jeder schlägt japanische Filmschaffende vor, die den Rising Star Award verdient haben. Wenn der Preisträger oder die Preisträgerin feststeht, müssen wir erst anfragen, ob diese Person überhaupt Zeit hat, nach Frankfurt zum Festival zu kommen.

Im Falle von Kosuke Hayashi war es ein interessanter Auswahlprozess. Hayashi ist jemand, der im Hintergrund agiert, der aber eine wichtige Rolle bei den Produktionen spielt, bei denen er mitarbeitet. Wer Filme wie Sunao Katabuchis In this Corner of the World oder Hayao Miyazakis Der Junge und der Reiher gesehen hat, bemerkt die detaillierten, kunstvollen Hintergründe Hayashis. Der Gedanke war auch, diesem Menschen eine Plattform zu bieten und das Publikum auf seine Arbeiten nochmals aufmerksam zu machen.

Auf die Idee, Kosuke Hayashi dieses Jahr den Preis zu geben, kamen wir durch den Potsdamer Galeristen Stephan Riekeles, mit dem wir schon länger zusammenarbeiten, weil er bereits Ausstellungen zum Thema Manga und Anime organisiert hatte. Er plant derzeit eine Ausstellung mit Werken von Hayashi, die kurz nach Nippon Connection eröffnet wird.

Ich finde es interessant, dass man – von wenigen Titeln abgesehen – viele der Filme, die beim Nippon Connection Filmfestival laufen, auch nur dort sieht, weil sie bei keinem anderen Festival eine Rolle spielen. Nach welchen Kriterien wählt ihr die Filme aus, die bei  Nippon Connection im Programm laufen?

Wir wollten von Anfang an den Nachwuchs in der japanischen Filmlandschaft fördern. Wir haben mittlerweile eine gutes Netzwerk und erhalten im Laufe des Jahres viele Screener über persönliche Kontakte oder Weltvertriebe. Darüber hinaus werden auch viele Filme bei uns eingereicht.

Schon bei der ersten Ausgabe von Nippon Connection 2000 haben wir zwei Debütfilme gezeigt, Hazy Life von Nobuhiro Yamashita und Pornostar von Toshiaki Toyoda. Damals waren beide noch recht unbekannt, doch mittlerweile sind sie renommierte Regisseure, die passenderweise auch ihre neuen Filme bei Nippon Connection präsentieren werden.

Mit deinem Background als Cutterin und Color Graderin hast du bestimmt einen interessanten Blick auf Filme im Allgemeinen. Was macht für dich einen gelungenen Film aus?

Der Schnitt ist nach wie vor ein Aspekt, der bei der Wirkung eines Filmes sehr unterschätzt wird. Im japanischen Film tut sich gerade hier etwas, denn besonders junge Filmemacher und Filmemacherinnen achten mehr auf diese Punkte. Viele Jahre bedeutete das Label „low budget“ im japanischen Kino mehrheitlich auch eine entsprechend geringe Qualität bei Sounddesign, Kamera oder Schnitt. Das hat sich zum Glück geändert, auch wegen des technischen Fortschritts innerhalb der Filmbranche.

Besonders erwähnen möchte ich in diesem Zusammenhang die Regisseurin Ema Ryan Yamazki, die letztes Jahr den Nippon Visions Audience Award gewann. Sie ist nämlich auch für den Schnitt ihrer Filme wie The Making of a Japanese verantwortlich und ihre Leistung ist absolut herausragend meiner Meinung nach.

Die meisten Menschen verbinden mit Japan Begriffe wie Sushi, Anime und Manga, doch beim Nippon Connection Filmfestival bekommen wir weitaus mehr geboten als nur diese drei Aspekte der japanischen Kultur. Was soll das Publikum mitnehmen, wenn er oder sie das Festivalgelände wieder verlässt?

Das Publikum von unserem Festival ist breit gefächert und wird es bestimmt auch dieses Jahr wieder sein. Viele kommen zu uns, weil sie diese oder ähnliche Klischees im Kopf haben, von denen du sprichst, und sind dann überrascht, wenn wir noch andere Facetten der japanischen Kultur zeigen. In diesem Sinne erfüllt Nippon Connection so etwas wie eine Weiterbildungsaufgabe.

In den letzten Jahren sind unzählige Cosplay-Events deutschlandweit aus dem Boden geschossen, die mal mehr und mal weniger gewisse Japan-Klischees bedienen. Natürlich findest du bei uns auch eine klassische, japanische Teezeremonie oder einen bekannten Anime im Programm, doch darüber hinaus haben wir Filme, Workshops und Vorträge, die ganz andere Themen zur japanischen Kultur abdecken. Diese verschiedenen Facetten machen die japanische Kultur aus und dazu gehören auch Konflikte oder problematische Themen, die viele ausblenden.

Ich denke, dass ein Besuch von Nippon Connection eine gute Vorbereitung ist, wenn man vorhat, einmal nach Japan zu reisen.

Wenn du in die Zukunft blickst, wo siehst du Nippon Connection 2050?

Ich hoffe natürlich, dass es das Festival dann noch gibt. An einem Mangel an kreativen Köpfen und Ideen wird es definitiv nicht liegen, denn davon haben wir sehr viele im Team. Nippon Connection hat sich immer weiterentwickelt und ich bin mir sicher, dass es das Festival noch lange geben wird.

Vielen Dank für das tolle Gespräch.



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