Leilas Brüder Leilas Brothers
© Amirhossein Shojaei

Leilas Brüder

Leilas Brüder Leilas Brothers
„Leilas Brüder“ // Deutschland-Start: 14. Mai 2025 (arte)

Inhalt / Kritik

Der Clan der Jourablous ist einer der größten und einflussreichsten Teherans. Davon bekommen die 40-jährige Leila (Taraneh Alidoosti) und ihre Familie nicht viel mit, denn sie gelten innerhalb des Clans als schwarze Schafe, was man sie bei jeder sich bietenden Gelegenheit spüren lässt. Als ihr Bruder Alireza (Navid Mohammadzadeh) auch noch seinen Job verliert, beschließt Leila, dass nun endlich genug ist und ihre Familie lernen muss, auf eigenen Beinen zu stehen. Gemeinsam mit Alireza und ihren drei weiteren Brüdern Manoucher (Payman Maadi), Parviz (Farhad Aslani) und Farhad (Mohammad Ali Mohammadi) will sie in einem nahen Einkaufszentrum einen Laden aufmachen. Obwohl sie alle bereit sind, viel aufzugeben und ihr letztes Erspartes zu geben, ist es immer noch nicht genug und ihr gemeinsamer Traum von einer besseren Zukunft droht zu zerplatzen. Als dann ihr Vater Esmail (Saeed Poursamini), in der Hoffnung seinen Status als neues Familienoberhaupt zu zementieren, bei einer Hochzeit ein großzügiges Geschenk von 40 Goldmünzen überreichen will, wäre dies mehr als genug, damit die Familie, sich den Laden endlich leisten kann. Esmail ist wenig einsichtig.

Ein hoher Preis für die Kunst

Als Saeed Roustayi 2022 seinen Film Leilas Brüder auf den Filmfestspielen in Cannes zeigte, sollte er dafür einen hohen Preis zahlen. Neben den Vorwürfen des sexuellen Missbrauchs gegen zwei der Schauspieler des Films überschattete die Reaktion der iranischen Zensoren die Freude über die Premiere. Weil er den Film nicht in ihrem Sinne umgeschnitten hatte, wurde Roustayi vor dem iranischen Revolutionsgericht zu einer Haftstrafe verurteilt. Dieser Umstand ist bedauerlich und bestätigt zugleich die Themen von Leilas Brüder, in dem es um Autorität und Unterdrückung geht. Wie bei vielen seiner Kollegen ist die Familie ein Spiegelbild der Gesellschaft, in dem sich eine tiefe Diskrepanz zwischen dem äußeren Schein und ihrer inneren Dynamik von Verschweigen und Kontrolle zeigt.

Dass sich die iranischen Zensoren an Leilas Brüder stören, wundert indes überhaupt nicht. Innerhalb eines Systems, das jede divergierende oder alternative Sichtweise ablehnt, zunichte macht oder gar verfolgt, ist der Verweis, auf den Roustayis Film ausgelegt ist, mehr als deutlich. Eine beeindruckende Parallelmontage zeigt drei der Familienmitglieder, Esmail, Leila und Alireza, in unterschiedlichen Situationen, die aber schnell den Ton der Handlung festlegen. Während einer Fabrikschließung muss Alireza fliehen, um nicht selbst die Schlagstöcke der Polizisten abzukriegen, während Esmail sich abermals darum bemüht, das nächste Familienoberhaupt der Jourablous zu werden.

Bei seinem Bruder Bayram (Mehdi Hoseininia) will er Eindruck schinden, sich seine Gunst zu kaufen und den schlechten Ruf seiner Familie zu verändern, doch die Blicke, die sein Erscheinen nach sich zieht, sprechen für sich. Leila indes versucht, ihre Familie zusammen zu halten und zumindest etwas Geld zu besorgen, doch man sieht ihr an, dass ihre Geduld und Kraft sich ihrem Ende neigen. Gewalt, Unterdrückung, Elend und Status sind die Eckpfeiler der Geschichte, die wir in Leilas Brüder erzählt bekommen und die natürlich ein direkter Verweis auf die sozialpolitische Realität im Iran sind. Das Dilemma der Figuren wird geprägt von diesen Faktoren, die visuell und erzählerisch immer wieder auftauchen, und sie vor die Entscheidung zwischen Familie und einer neuen Zukunft stellt.

Die Klassen untereinander

Saeed Roustayis Drehbuch zeigt, wie die soziale Hierarchie und Statusdenken die Gemeinschaft der Familie zersetzt. Esmails Kinder bilden einen scheinbaren Gegensatz zu der Generation ihres Vater und ihres Onkels, doch sie vereint der Wunsch nach Ansehen und materieller Sicherheit, auch wenn der Weg dorthin jeweils anders ist. Die Reichen und die Armen kennen sich untereinander, heißt es an einer Stelle im Film, doch während die Wohlhabenden eine so kleine Gemeinschaft bilden, dass sie sich zwangsläufig kennen, erkennen sich die Armen an dem Elend, das sich in ihrem Gesicht abzeichnet. Die Erkenntnis, die einer von Leilas Brüdern äußert, bildet so etwas wie den thematischen Kern des Filmes.

Navid Mohammadzadeh, Payman Maadi, Farhad Aslani und Mohammad Ali Mohammadi bilden verschiedene Facetten einer Klasse ab, die aus ihrem Elend zwar herauswollen, aber nicht wissen, wie sie es machen sollen. Der Laden, ein Symbol für eine bessere Zukunft, ist der letzte Ausweg, der mit letzte Verzweiflung verfolgt wird. Saeed Poursamimi betont die Tragödie eines Mannes, der einer Illusion hinterher läuft, ähnlich wie Willy Loman in Arthur Millers Tod eines Handlungsreisenden. Das materielle Glück und der Staus sind immer zum Greifen nah, doch man ahnt als Zuschauer, dass es nur eine Fata Morgana ist.



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Leilas Brüder
fazit
„Leilas Brüder“ ist ein Familiendrama mit einer mehr als deutlichen Kritik an der iranischen Gesellschaft und Politik. Saeed Roustayi gelingt ein packender, wenn auch etwas zu lang geratener Film, der durch sein Ensemble und sein Drehbuch überzeugt und so Themen wie Ungerechtigkeit, Statusdenken und Unterdrückung aufgreift.
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7
von 10