Tanz der Titanen (Kinostart: 15. Mai 2025) nimmt uns mit zu einem G7-Treffen, wo die Politelite wichtige Entscheidungen zu treffen und eine bedeutende Abschlusserklärung verfassen muss. Doch während die deutsche Bundeskanzlerin Hilda Ortmanns (Cate Blanchett), Kanadas Premierminister Maxime Laplace (Roy Dupuis), Großbritanniens Premierministerin Cardosa Dewindt (Nikki Amuka-Bird), US-Präsident Edison Wolcott (Charles Dance), Italiens Ministerpräsident Antontio Lamorte (Rolando Ravello) und Japans Abgesandter Tasuro Iwasaki (Takehiro Hira) noch über die Details und alles andere diskutieren, häufen sich seltsame Ereignisse in den nahegelegenen Wäldern. Wir hatten die Chance, uns mit Hauptdarsteller Charles Dance zu treffen und mit ihm über den Film und den Politzirkus zu sprechen.
Was hat Sie an Tanz der Titanen gereizt? Warum wollten Sie bei dem Film dabei sein?
Ich habe vorher noch nie mit dem Regisseur Guy Maddin zusammengearbeitet, war aber mit einigen seiner Werke vertraut. Das Drehbuch war eines der ungewöhnlichsten, die ich je gelesen habe. Als man mich fragte, ob ich mitmachen möchte, wurde parallel auch Cate Blanchett angefragt. Und ich wollte mit ihr schon immer einmal zusammenarbeiten. Sie ist einfach wundervoll. Neben ihr sind aber auch einige andere fantastische Schauspieler dabei. Deswegen kamen da einige Sachen zusammen, die mich gereizt haben. Und als wäre das nicht schon alles ungewöhnlich genug, brachte Maddin noch zwei andere dazu, mit ihm Regie zu führen. Und auch das hatte ich nie. Mit zwei Regisseuren habe ich schon einmal gearbeitet, nicht aber mit drei. Also dachte ich mir: Okay, lasst uns ein bisschen Spaß haben.
Und hat es Spaß gemacht?
Jein. Größtenteils schon. Aber wir haben dreieinhalb Wochen lang nur nachts gedreht in einem Wald außerhalb von Budapest. Und wenn du Erfahrungen mit Nachtdrehs hast, dann weißt du: Das ist harte Arbeit. Du stellst deine innere Uhr völlig auf den Kopf und lebst wie ein Vampir während der Zeit. Dabei mag ich Tage. Aber es war es wert.
Sie haben schon das ungewöhnliche Drehbuch erwähnt. Wie würden Sie Tanz der Titanen beschreiben?
Als eine surreale Komödie, eine Mischung aus Luis Buñuel und einer Episode von Monty Python’s Flying Circus. Ich weiß nicht, was die Aussage des Films sein soll oder ob es überhaupt eine hat. Ich weiß auch nicht, was dieses riesige Gehirn bedeuten soll. Bei der Pressekonferenz in Cannes fragte jemand, warum der Film im Original Rumours heißt. Und Evan Johnson, einer der beiden Brüder, die mit Maddin Regie geführt haben, meinte nur, dass er immer das Album von Fleetwood Mac mochte.
Dann lassen Sie uns über Ihre Figur sprechen. Wie würden Sie Edison Wolcott beschreiben?
Er ist ein Langzeitpolitiker, der schon auf vielen solcher Treffen war und der das auch wirklich genießt. Er will das so lange machen, bis er tot ist. Manchmal bekommst du Drehbücher, bei denen du noch viel außerhalb investieren musst, beispielsweise in körperlicher Hinsicht. Bei Tanz der Titanen reichte es, das Drehbuch zu spielen, so wie es geschrieben war. Da ist eine Szene, in dem ich von dem Italiener gefragt werde: Herr Präsident, warum haben Sie diesen Akzent? Darauf gab es auch eine Antwort. Da der Film aber zu lang wurde, mussten Szenen geschnitten werden, darunter meine Antwort. Was ich sehr schade finde, da sie einen wichtigen Teil meiner Hintergrundgeschichte enthielt. Außerdem habe ich sie selbst geschrieben, der Dreh war ein demokratischer Prozess.
Dürfen wir fragen, wie diese Antwort aussah?
Meine Figur ging als Kind regelmäßig mit dem Vater ins Kino. Der Vater war ein leidenschaftlicher Anhänger von britischen Filmen. Und meine Figur teilte diese Leidenschaft. Während die Freunde von Wolcott als Kinder John Wayne oder Gary Cooper imitierten, lauschte Edison der Sprache von Laurence Olivier und absorbierte damit den Akzent. Außerdem mag seine Frau den Akzent. Ich fand, dass das eine tolle Antwort auf die Frage war.
Überhaupt ist bei dem Film die Besetzung etwas überraschend. Cate Blanchett spielt schließlich die deutsche Bundeskanzlerin. Hat man Ihnen je einen Grund verraten, warum Sie den Präsidenten spielen und nicht ein US-Amerikaner?
Nein. Maddin sagte nur, dass ich präsidial wirke. Ich habe ihn natürlich gefragt, warum der US-Präsident einen englischen Akzent hat, bekam aber nie eine zufriedenstellende Antwort. Deshalb habe ich meine eigene gegeben.
Stellen Sie sich vor, Sie wären wirklich US-Präsident, was würden Sie tun?
Ich hätte es wahrscheinlich so gemacht wie Joe Biden und hätte versucht, jemanden wie Kamala Harris zu fördern. Die erste schwarze Präsidentin in den USA, das wäre so ein großer Schritt für die Menschheit gewesen! Aber es sind nun einmal die USA. Was dort geschieht, muss man nicht immer verstehen. Bei dem ersten Auftritt von Trump nach dem Attentat waren im Publikum lauter Leute, die selbst Pflaster und Verbandsmaterial trugen, um ihrem Idol nahe zu sein. Sie haben zu ihm aufgeblickt, mit Tränen in den Augen, als sei er der Messias. Lächerlich. Die sind einfach verrückt.
Andererseits waren die Wahlen in England in den letzten Jahren teils auch absurd.
Das stimmt. Auch das erinnert an Monty Python’s Flying Circus. Oh mein Gott, da kam wirklich jede Woche irgendetwas Neues. Wenn Sie sich die Leute anschauen. Boris Johnson. Oder Liz Truss, deren Haltbarkeitsdatum geringer war als der eines Salatkopfes. Die ganze Tories-Partei ist einfach nur schrecklich.
Ein Running Gag Ihres Films ist, dass alle darüber sprechen, unbedingt eine Abschlusserklärung haben zu müssen. Es will aber niemand daran arbeiten. Darüber kann man sich natürlich lustig machen, Stichwort inhaltsleere Politik. Wenn man sich aber Trump anschaut, merkt man: Den Leuten sind Inhalte egal. Wenn wir lauter solche nichtssagenden Politiker haben, liegt das dann an denen oder am Rest?
Was viele Politiker vergessen oder nicht wahrhaben wollen: Sie sind eigentlich dazu da, dem Volk zu dienen. Ganz schlimm ist es, wenn sie Interviews geben müssen und jemand ihnen eine schwierige Frage stellt, die sie nicht beantworten wollen. Dann fangen sie an, die Frage als Antwort umzuformulieren oder auch völlig unnötige Wörter einzubauen und den Satz so sehr in die Länge zu ziehen, dass die Zeit gar nicht ausreicht, nur damit sie keine weitere Frage mehr beantworten müssen. Jeder verdammte Politiker tut das. Was auch ganz furchtbar ist: Ganz viele meinen, irgendwo in ihre Reden das Wort „Kampf“ einzubauen, so als müssten wir ständig kämpfen. Dabei wird auch so schon zu viel gekämpft, ob im Mittleren Osten oder der Ukraine. Ich will viel lieber etwas über Mitgefühl hören oder Verständnis. Das sind zwei Wörter, die wir viel häufiger brauchen.
Wenn Sie eine solche Abschlusserklärung geben müssten, was würde darin stehen?
Ach, das weiß ich nicht. Ich bin Schauspieler. Meine Aufgabe ist es, etwas vorzutäuschen und das zu sagen, was andere mir vorgeben. Ich bin kein Politiker.
Die Abschlusserklärung muss ja nicht zwingend politisch sein. Ein „habt mehr Mitgefühl“ wäre auch eine schöne Abschlusserklärung. Die Menschen haben das verloren.
Ja, das stimmt. Okay, Sie haben mich überzeugt. Dann machen wir das: Habt mehr Mitgefühl!
Ein ganz anderes Thema: Tanz der Titanen ist schon auch ein Survival-Abenteuer. Wie sieht es mit Ihren Überlebenskünsten aus? Haben Sie welche?
Ich hoffe schon, schließlich bin ich noch am Leben. Aber das ist eine schwierige Frage, ich weiß nicht, wie ich sie beantworten soll. Als Schauspieler musst du immer etwas selbstsüchtig sein und nach dir selbst sehen, hoffentlich ohne dabei auf anderen herumzutrampeln oder sie beiseitezustoßen. Maler haben Leinwände und Pinsel, Musiker haben Instrumente. Wir haben nur uns selbst und müssen deshalb auf uns aufpassen. Aber ich bin sehr dankbar dafür, dass ich diesen Beruf ausüben darf.
Die Figuren in dem Film finden sich in einer ungewohnten Situation wieder, bei der sie nicht wissen, was sie tun sollen. Als Schauspieler sind Sie es gewohnt, ständig neue Situationen zu erleben, jemand anderes zu sein und neue Erfahrungen zu machen. Bereitet einen das darauf vor, in ungewohnten Situationen reagieren zu können?
Ich denke, dass ich tatsächlich gut bin in solchen Situationen. Ich bleibe dann immer ganz ruhig. Das hat glaube ich aber nichts mit meiner Arbeit zu tun. Um auf die Frage zurückzukommen, ich denke, dass dies mit der Qualität der Drehbücher zusammenhängt, ob ich mich in eine solche Figur und ihre Situation einfühlen kann. Es gibt im Englischen ein Sprichwort, das besagt, dass du aus einem Schweinsohr keinen Seidengeldbeutel machen kannst. Als Schauspieler bist du dennoch dazu gezwungen, das immer wieder zu versuchen und aus einem schlechten Drehbuch einen guten Film zu machen.
Vielen Dank für das Interview!
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