Regisseur Bill Bennett (© Happy Entertainment)

Bill Bennett [Interview]

Als sich der australische Regisseur Bill Bennett auf den Jakobsweg wagte, konnte er kaum ahnen, dass er ausgerechnet damit ein großes Publikum finden würde. So hat er aus seinen Aufzeichnungen ein Buch gemacht, das zu einem Bestseller wurde. Viele Jahre später machte er daraus auch einen Film mit Chris Haywood in der Hauptrolle. Nachdem Mein Weg – 780 km zu mir in seiner Heimat ebenfalls sehr erfolgreich war, steht am 24. April 2025 der Kinostart in Deutschland an. Das haben wir zum Anlass genommen, um uns mit dem Filmemacher über die Arbeit an dem humorvollen Wanderwerk zu unterhalten.

Lass uns ganz am Anfang beginnen. Warum hast du dich damals entschlossen, den Jakobsweg zu machen?

Die Frage ist gar nicht so leicht zu beantworten. Um ehrlich zu sein, weiß ich das heute zwölf Jahre später genauso wenig wie damals. Ich war geradezu besessen davon, diese Wanderung zu machen, niemand konnte mich davon abhalten. Die 18 bis 24 Monate davor drehte sich bei mir alles nur um den Jakobsweg. Ich habe alle möglichen Bücher gelesen, habe mir Blogs und Foren angeschaut.

Du bereust aber nicht, das auf dich genommen zu haben?

Oh nein, im Gegenteil! Der Jakobsweg hat mich auf eine tiefe Weise berührt. Damals war mir das gar nicht so bewusst. Ich war viel zu sehr damit beschäftigt, einfach diesen Weg irgendwie zu schaffen. Wenn du dir Spanien auf einer Karte anschaust und darüber nachdenkst, wie du das Land in nur einem Monat durchquerst, ist das eine überwältigende Vorstellung. Der Trick ist, dir das alles im Kopf einzuteilen. Wenn du denkst: „Okay, heute muss ich 20, 25 Kilometer laufen“, dann wird das auf einmal machbar. Allein das war schon eine wichtige Lektion für mich: Du kannst eine Menge erreichen, wenn du alles Schritt für Schritt erledigst und dir Zeit lässt.

Hat es deshalb so lange gedauert, bis du dein Buch verfilmt hast?

Nein, das hatte andere Gründe. Tatsächlich wollte ich eigentlich überhaupt keinen Film drehen, weil es ja letztendlich nichts Besonderes ist, was ich getan habe. Hunderte von Menschen pilgern jede Woche auf dem Jakobsweg und tun dasselbe, was ich getan habe. Gleichzeitig bedeutet das, dass sich ganz viele damit identifizieren können, weil das ihren eigenen Erfahrungen entspricht.

Filme müssen aber auch nicht außergewöhnlich sein. Es gibt ganz viele, die sich mit dem täglichen Leben befassen.

Das stimmt. Letztendlich ist es immer eine Frage der Perspektive. Es liegt an dir, was du aus diesen allgemeinen Erfahrungen machst. Ob du daraus etwas machst, das irgendwie einzigartig ist oder dem Publikum die Möglichkeit gibt, sich mit etwas auseinanderzusetzen.

Und was hat dich am Ende dazu bewogen, doch noch diesen Film zu drehen?

Dafür muss ich noch einmal weiter ausholen. Am Anfang stand wie gesagt die Idee, diesen Pilgerweg zu begehen. Diese Wanderung habe ich in einem Blog festgehalten. Als ich das Ende des Jakobswegs erreicht hatte, war ich verwirrt und hatte ganz viele unbeantwortete Fragen. Warum habe ich mir das alles angetan? Also habe ich ein Buch geschrieben. Auf eine gewisse Weise wollte ich damit den Weg beenden. Gleichzeitig hoffte ich, dadurch die Antworten auf meine Fragen zu finden. Damals hatte ich nicht gedacht, dass jemand das Buch lesen würde. Tatsächlich wurde es aber zu einem Bestseller in Australien und in den USA. Ein Freund wollte anschließend, dass wir einen Film daraus machen, was ich wie gesagt abgelehnt habe. Also hat er drei andere Autoren engagiert, die Entwürfe für ein Drehbuch schreiben sollten. Die hatten aber alle keine Ahnung von dem Thema, weil sie noch nie dort waren. Einer von ihnen hat eine Szene geschrieben, in der ich von einem Bären gejagt werde! Ein anderer hätte mich fast sterben lassen, nur um im letzten Moment gerettet zu werden. Mir wurde also klar, dass ich das selbst tun musste.

Und wie sah dieser Schreibprozess dann aus?

Der erste Schritt war, dass ich mich quasi von mir selbst lösen musste. Ich durfte den Bill Bennett in meiner Geschichte nicht als meine Personifizierung ansehen, sondern als einen separaten Menschen, den ich von außen beschreibe. Das erlaubte mir, mich dieser Figur mit der notwendigen Distanz zu nähern und mich auch kritisch zu äußern. Nachdem ich diese Entscheidung getroffen hatte, dass das nicht ich bin, wurde daraus eine interessante Übung. Ich musste nicht darauf achten, dass er das Richtige tut und ganz souverän agiert. Viel spannender ist es doch, wenn er genau das nicht tut.

Wie unterscheidet sich dann der von dir beschriebene Bill von dem wahren Bill?

Gar nicht. Tatsächlich ist all das, was er tut und sagt, das, was ich selbst getan und gesagt habe. Es ging mir also nicht darum, aus mir eine andere Figur zu machen. Ich brauchte lediglich eine innere Distanz, um mich selbst besser beschreiben zu können. Das hat auch gut funktioniert. Das einzige Mal, dass ich an meine Grenzen gekommen bin, war, als meine Figur meine Frau Jennifer anruft, um ihr zu sagen, dass es ihm leidtut, so ein furchtbarer Mensch zu sein. Wir haben die Szene an dem Ort gedreht, an dem ich damals tatsächlich diesen Anruf gemacht habe. Als ich gesehen habe, wie Chris Haywood, der mich in dem Film spielt, diesen Anruf macht, bin ich zusammengebrochen, weil mich das alles so überwältigt hat. In dem Moment war mir die Geschichte dann doch zu nahe.

Hattest du im Vorfeld erwartet, dass es für dich schwierig werden könnte, über diese persönlichen Erlebnisse zu sprechen?

Um ehrlich zu sein, habe ich da nicht viel drüber nachgedacht. Meine Vorgehensweise war wie beim Pilgern: Ich mache einen Schritt nach dem anderen, bis ich am Ende angekommen bin. Ich habe nur darüber nachgedacht, wie ich das so authentisch wie möglich darstellen könnte. Aus diesem Grund habe ich auch überwiegend mit Laien gedreht. Tatsächlich sind viele der Pilger und Pilgerinnen im Film echt und haben sich selbst gespielt.

Und wie hast du entschieden, welche Schritte du überhaupt zeigen willst? Bei einem Blog oder einem Buch kannst du so viel Zeit und Platz nehmen, wie du willst. Bei einem Film geht das nicht, da musst du zwangsläufig zusammenfassen und vieles streichen.

Das war tatsächlich alles andere als einfach. Wir haben auch eine Reihe von Szenen gedreht, die wir am Ende nicht nehmen konnten, weil sie nicht zur Tonalität des Films gepasst haben. Mir wurde beim Schreiben des Drehbuchs irgendwann klar, dass ich mich auf Bills Geschichte konzentrieren muss. Sehr hilfreich war für mich die Sache mit dem Handtuch, das Bill unbedingt zurückgeben will. Das ist tatsächlich so geschehen. Dennoch ist das Handtuch eigentlich ein klassischer MacGuffin wie bei Hitchcock, weil es an und für sich nicht wichtig war. Es half mir aber dabei, der Geschichte eine Form und narrative Struktur zu geben. Alles, was nicht in diese Struktur passte, habe ich gestrichen.

Kommen wir zum Cast. Ist es nicht ein bisschen seltsam, jemanden zu suchen, der einen selbst spielt? Zumal du ja gesagt hast, dass du dich von dir selbst lösen musstest. Das stelle ich mir schwierig vor.

Beim Casting ging es mir nicht darum, dass der Schauspieler mir ähnlich sieht. Chris ist jemand, den ich schon sehr lange kenne. Er hat 1985 die Hauptrolle in meinem ersten Spielfilm A Street to Die gespielt. Danach haben wir noch mehrere Male zusammengearbeitet. Er kennt mich also und ich kenne ihn. Chris zu casten mit seiner tiefen Kenntnis von mir, war wirklich wichtig, weil es da dieses tiefe Vertrauen zwischen uns gibt. Ich wollte nicht zu einem Schauspieler gehen müssen und ihm sagen: „So hätte ich das niemals gemacht!“ Bei Chris war das nicht nötig, er wusste genau, was er zu tun hat. Er ist ein unglaublich gut beobachtender Schauspieler.

Als Regisseur bist du ein Mensch, der naturgemäß stärker in Bildern denkt. In Mein Weg gibt es auch mehrere Szenen, in denen der Protagonist besondere Ansprüche an Fotos hat. Inwieweit beeinflusst eine solche Wahrnehmung eine Pilgerfahrt?

Sehr stark! Ich schätze, dass ich zwischen 200 und 300 Fotos jeden Tag gemacht habe. Dabei bin ich, wie man im Film sieht, sehr anspruchsvoll, was das Framing und die Anordnung angeht. Wenn ich beim Wandern etwas Interessantes gesehen habe, ein schönes Gebäude zum Beispiel, wusste ich noch während ich darauf zulief, welche Perspektive ich verwenden will, und hielt an genau dem Punkt an, an dem ich diese Perspektive erreicht habe. Auf diese Weise habe ich bestimmt vier Stunden am Tag mit Fotografieren verbracht, während des Laufens wohlgemerkt.

Vielen Dank für das Interview!



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