Tanja Tagebuch einer Guerillera
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Tanja – Tagebuch einer Guerillera

Tanja Tagebuch einer Guerillera
„Tanja – Tagebuch einer Guerillera“ // Deutschland-Start: 15. Juni 2023 (Kino)

Inhalt / Kritik

Es ist eine Geschichte, wie sie die Medien lieben. Eine junge, akademisch gebildete Europäerin geht am Anfang des neuen Jahrtausends nach Kolumbien und schließt sich der Guerillaorganisation FARC an. Die Niederländerin Tanja Nijmeijer lebt in einem der Dschungelcamps der Fuerzas Armadas Revolucionarias de Colombia, die sich seit Jahrzehnten blutige Gefechte mit den Regierungstruppen liefern. Während das Land im längsten Bürgerkrieg Lateinamerikas zu versinken droht, wird Tanja zum Thema internationaler Berichterstattung. Zuerst gilt die langhaarige, fotogene Frau als armes Entführungsopfer der FARC, doch dann gibt sie ein Interview in Uniform und mit Gewehr in der Hand, um zu betonen, dass sie sich selbst dem bewaffneten Kampf verschrieben hat. Sie steigt zum Idol vieler FARC-Rebellen auf und die USA lassen sie auf die Interpol-Fahndungsliste setzen. Bei den Friedensverhandlungen zwischen der kolumbianischen Regierung und der FARC sitzt sie 2012 als Vertreterin der Guerillaorganisation am Tisch.

Eine radikale Entscheidung

Der Dokumentarfilm von Marcel Mettelsiefen (In ihren Händen) liefert das spannende Porträt einer schillernden ehemaligen Kämpferin, die an die gerechte Sache und den Sieg der kolumbianischen Guerillabewegung glaubte. Vielen jedoch galt oder gilt sie auch heute noch als Terroristin. Tanja Nijmeijer, die Waffengewalt nicht mehr für ein legitimes Mittel im politischen Kampf hält, kann Kolumbien immer noch nicht verlassen, weil sie von Interpol gesucht wird. An ihrem Beispiel lässt sich der Prozess der Radikalisierung und der Versöhnung verdeutlichen, den die kolumbianische Gesellschaft durchlaufen hat. Es habe Zeiten gegeben, erinnert sich ein kolumbianischer Journalist vor der Kamera, in denen jede Familie im Land, einschließlich seiner eigenen, von der FARC entführte Angehörige oder Freunde vermisste.

Tanja erzählt vor der Filmkamera, wie sie in ihren Zwanzigern als Englischlehrerin nach Bogota ging, ohne etwas über den Bürgerkrieg zu wissen. Erst eine Reise auf das von Armut und Ausbeutung geprägte Land habe ihr die Augen über die soziale Ungleichheit geöffnet. Dass sich Bauern bewaffnet hatten, um die Unterdrückung durch die herrschende Klasse der Grundbesitzer zu beenden, hielten in Kolumbien viele für einen legitimen und notwendigen Schritt. Tanja geht mit der FARC in den Dschungel, glaubt an den Sieg und die Errichtung einer neuen Gesellschaftsordnung nach marxistisch-leninistischem Vorbild.

Die Idealistin beginnt zu zweifeln

Im Laufe der Jahre aber beschleichen Tanja Gefühle der Enttäuschung und Zweifel, die sie ihren Tagebüchern anvertraut – und die nach einer Attacke auf das Camp in die Hände einer Journalistin gelangen. So wird die Niederländerin zur öffentlichen Figur. Wenn sie in der filmischen Rückschau und in Archivaufnahmen von früher über ihre Motive spricht, wirkt sie stets glaubhaft. Auch die Statements kolumbianischer Journalist*innen und ehemaliger FARC-Rebellen, die Mettelsiefen vor die Kamera holte, füllen diese Rückschau mit kenntnisreichen Schilderungen aus persönlichem Erleben an. Die Materialfülle aus eigenen Interviews, aus Nachrichtensendungen, aus Quellen des Militärs und der Guerillabewegung ergeben eine bunte, abwechslungsreiche Mischung.

Man sieht Tanja inmitten der Guerilleros im Dschungelcamp, Berichte über Bombenanschläge und ihre Folgen, das holländische Dorf, in dem Tanja aufwuchs. Auch ihre Mutter, die beste Freundin, Nachbarn kommen zu Wort. So wirkt der Film sehr lebendig und nahe am Geschehen. Seine Protagonistin beeindruckt, weil sie ihre Haltung nicht nachträglich beschönigt und sich von persönlicher Schuld nicht reinwaschen will. Sie ist den Weg der FARC mitgegangen bis zu deren kollektiver Erkenntnis, dass der Kampf scheiterte und die Gesellschaft den Frieden braucht.

Credits

OT: „Tanja – Up in Arms“
Land: Deutschland
Jahr: 2023
Regie: Marcel Mettelsiefen
Musik: Johannes Repka
Kamera: Marcel Mettelsiefen, Sofia Oggioni Hatty

Bilder

Trailer

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Tanja – Tagebuch einer Guerillera
fazit
Der Dokumentarfilm porträtiert die Niederländerin Tanja Nijmeijer, die sich als junge Frau der kolumbianischen Guerilla-Armee FARC anschließt und sie Jahre später bei den Friedensverhandlungen vertritt. Mit reichem Archivmaterial und Interviews, in denen die Protagonistin, Beteiligte und Beobachter Rückschau halten, wirkt der Film lebendig gestaltet und kenntnisreich. Er stellt die Motive und den Gesinnungswandel der ehemaligen Guerillera glaubhaft in Bezug zur kolumbianischen Zeitgeschichte, um diese zu veranschaulichen.
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