Les damnés ne pleurent pas The Damned Dont Cry
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The Damned Don’t Cry

Inhalt / Kritik

Fatima-Zahra (Aicha Tebbae) lebt mit ihrem Sohn Selim (Abdellah El Hajjouji) in einer kleinen Wohnung. Sie leben in einem Dorf und kümmern sich umeinander. Sie sagt ihm, sie hätte bald ein Job-Interview. Vielleicht bessert sich ja dann ihre Lage? Als sie jedoch mit einem fremden Mann alleine im Nirgendwo ist, wird sie von ihm überfallen. Sie will ihren Sohn nicht damit belasten und sagt, sie wäre bloß hingefallen. Nachdem die beiden das Dorf auf der Ladefläche eines Wagens verlassen haben, findet Selim mehr über die Vergangenheit seiner Mutter heraus. Langsam beginnt die Entfremdung der beiden.

Tolle Musik

Man kann bei The Damned Don’t Cry viele Aspekte lobend hervorheben, einer davon ist die Musik. Nadah El Shazly, die dafür verantwortlich ist, liefert hier ein sehr fein nuanciertes, klangliches Hintergrundbild. Bereits am Anfang erzeugt die Musik eine Stimmung, die man eher in einem Mystery-Thriller vermutet hätte. Sie scheint uns wissen zu lassen, dass etwas nicht stimmt, etwas potenziell Unheimliches bevorsteht. Eine sehr schöne akustische Abwechslung, die immer wieder Spannung aufkommen lässt.

Themenvielfalt

Obwohl The Damned Don’t Cry eine Vielfalt an Themen bearbeitet, wirkt er dabei nicht überfrachtet. Regisseur Fyzal Boulifas lässt verschiedene Themen – soziale Ausgrenzung, Träume, Lügen – harmonisch ineinanderfließen. Man könnte in der scheiternden Kommunikation ein überspannendes Motiv sehen, da sich die meisten Konflikte und Barrieren dadurch ergeben, dass die Figuren aus verschiedenen Gründen etwas ungesagt lassen, lügen oder nicht die passenden Worte finden, sich vielleicht auch einfach beleidigen.

Ein weiteres tragendes Motiv ist die Suche oder die Reise. Mutter und Sohn sind oft unterwegs. Schon am Anfang reisen sie von einem Ort zum nächsten. Immer mit der Hoffnung auf Besserung ihrer Lage. Die Klaglosigkeit, mit der dieser erste gezeigte Umzug stattfindet, legt die Vermutung nahe, dass es zuvor bereits solche Umzüge gegeben haben könnte. Es geht um eine Suche, aber auch um das Ankommen.

Fatima-Zahra erzählte ihrem Sohn lange, dass sein Vater gestorben sei. Als er herausfindet, dass sie vergewaltigt wurde und das Bild in seinem Portemonnaie nicht das seines Vaters sei, beginnt die Entfremdung der beiden. Visuell wird das zum Beispiel dadurch recht deutlich, dass die beiden im Bus anschließend nicht nebeneinandersitzen. In dieser Szene wird das Gefühl der Isolation wahrscheinlich dadurch verstärkt, dass die anderen Leute wegschauen, nicht weiter auf sie reagieren – bis auf den Busfahrer, der ein Auge auf Fatima-Zahra geworfen hat.

Suche nach Halt

Bei Fatima-Zahra sehen wir eher als bei Selim, welche inneren Konflikte sie antreiben. Sie schminkt sich oft sehr stark, wofür sie in einer Fabrik auch angesprochen wird und dazu angehalten wird, sich abzuschminken. Sie glaubt, sie wäre bald nicht mehr begehrenswert und sucht nach einem Halt im Leben, nach sozialer Festigkeit. Das wird zum Beispiel deutlich, als sie und der Busfahrer, den sie zu heiraten hofft, einen Spaziergang machen und sie meint, dass die Leute sie nun anders betrachten würden. Bei Selim erleben wir zum einen gewisse Wut. Später eröffnet uns die Geschichte außerdem, dass er sich seiner Sexualität noch unsicher ist, wobei sich schließlich ein loses Verhältnis zwischen ihm und Sebastien entwickelt, bei welchem er auch in Berührung mit Geld kommt.

Das Thema Geld und Besitz wird auch behandelt. Interessante Szenen in diesem Zusammenhang sind wohl die, in denen Selim seiner Mutter Geschenke macht. Versucht er damit die Kommunikationsbarriere zu durchbrechen oder Frieden zwischen ihnen herzustellen? Auch geben solche Aspekte den Figuren teilweise Anlass misstrauisch zu werden. Als Fatima-Zahra ihrem Sohn zum Beispiel eine neue, größere Wohnung zeigt, will er wissen, woher das Geld kommt.

Schließlich dreht sich Fatima-Zahras Geschichte auch um eine Reise zur Religion und zu ihrem Glauben in Kombination mit dem Thema Selbstliebe und den Erwartungen, die sie an sich selbst gestellt hat. Hierbei ist die erzählerische Struktur ganz interessant, da sich Fatima-Zahra am Anfang an einen Ort begibt, an dem ein Ritual ihre Chancen zu heiraten erhöhen soll. Am Ende des Dramas hat sie diesen Wunsch dann gewissermaßen für sich überwunden und ein erzählerischer Bogen wird geschlossen.

Fäden der Geschichte…

Aicha Tebbae spielt grandios. Mit ihrer Mimik entfaltet sie immer wieder Abstufungen von Emotionen – Hoffnungen, Verletzlichkeit, dann auch wieder Freude. Mit Blick auf die Handlung, welche die Figuren immer wieder emotional ins Wanken bringt, müssen wir bei jedem Lächeln fürchten, dass es vielleicht nicht allzu lange währen könnte. Abdellah El Hajjouji spielt auch gut und verkörpert den wütenden Teenager glaubwürdig, der nach einem Platz im Leben und zum Leben sucht. Die Figur entfremdet sich gewissermaßen auch ein wenig vom Publikum, da sie nach und nach auch unsympathische Entscheidungen trifft, die sich zum Beispiel gegen die Mutter richten. Daneben kann man noch Antoine Reinartz als Sebastien hervorheben, der seiner Figur Leben einhaucht.

Was die Beziehung zwischen Selim und Sebastien angeht, entsteht im Nachhinein der vage Eindruck, dass der emotionale Konflikt der Hauptfigur Selim hier vielleicht etwas konturierter hätte sein dürfen, oder etwas mehr Dialog respektive Aussprache interessant gewesen wäre.

Anfang und Ende einer Reise

Manche Fäden verlieren sich – oder werden zumindest irgendwann losgelassen, wodurch die Geschichte an manchen Ecken ein wenig ausfranst. Zum Beispiel sehen wir die junge Frau, mit der sich Selim einmal in einer Baustelle trifft, später in einer Bar wieder. Der Blickkontakt liefert zwar eine Art Pointe für ihre Geschichte, erzählerisch fühlte sich das aber etwas zu vage an. Die Szene, in welcher der sich anbahnende Kuss durch ein Handyklingeln unterbrochen wurde, wirkte außerdem etwas zu klischeehaft im Vergleich zum restlichen Film.

Das Ende ist dann nochmal sehr schön inszeniert und hat auch etwas von einem offenen Ende und pointiert die Entfremdung von Mutter und Sohn. Wer bis zum Schluss auf ein klassisches Happy End wartet, der wird vielleicht nicht sehen, wie die beiden sich in die Arme fallen, aber man hat das Gefühl, dass die Figuren nun an einem Punkt angekommen sind, an dem sie wissen, was sie wollen, wo ihre Reise hingeht und das fängt diese Schwere zumindest teilweise etwas auf.

Credits

OT: „Les damnés ne pleurent pas“
Land: Frankreich, Belgien, Marokko
Jahr: 2022
Regie: Fyzal Boulifa
Drehbuch: Fyzal Boulifa
Musik: Nadah El Shazly
Kamera: Caroline Champetier
Besetzung: Abdellah El Hajjouji, Antoine Reinartz, Aicha Tebbae

Bilder

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The Damned Don’t Cry
fazit
„The Damned Don’t Cry“ hat viele gewichtige Dialoge, arbeitet Nuancen der Figuren heraus und die Musik verleiht gewissen Szenen fast etwas Unheimliches. Langsam und stetig entwickelt sich ein bewegendes Drama, das sich unteranderem um soziale Ausgrenzung, Sexualität, Entfremdung, Religion und Hoffnungen dreht.
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