Die Blumen von gestern
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Die Blumen von gestern

Die Blumen von gestern DVD
„Die Blumen von gestern“ // Deutschland-Start: 12. Januar 2017 (Kino) // 30. Juni 2017 (DVD)

Inhalt / Kritik

Im Leben des Historikers Totila Blumen (Lars Eidinger) gibt es nichts außerhalb seiner Arbeit bei der Zentralen Stelle der Landesjustizverwaltungen zur Aufklärung nationalsozialistischer Verbrechen. Seit langem bereitet er einen Kongress zum Thema Auschwitz vor, dessen Leitung ihm aber nun entzogen worden ist. Zu allem Übel wird dem jähzornigen Mann noch eine französische Praktikantin zugeteilt, Zazie Lindeau (Adèle Haenel), die ihn mehr irritiert, als dass sie ihm tatsächlich hilft. Aus ihrer Abneigung gegen die deutsche Kultur macht sie keinen Hehl, was mehr als einmal zu Konflikten auch außerhalb der Arbeit führt. Zudem steckt Blumens Ehe mit Hannah (Hannah Herzsprung) in der Krise. Als letzten Ausweg, seinen bevorstehenden Rauswurf bei der Arbeit zu verhindern, soll er die Schirmherrschaft der Schauspielerin Tara Rubinstein (Sigrid Marquardt) sichern, die zudem noch die Eröffnungsrede halten soll.

Bei ihrer gemeinsamen Arbeit kommen sich Zazie und Totila immer näher, doch die gemeinsame Vergangenheit verhindert alles Weitere. Durch Zufall findet er heraus, dass das Eintreffen der Französin nicht zufällig ist, sondern geplant und eine direkte Verbindung aufzeigt zu seiner Familie, mit der Totila schon viele Jahre ein angespanntes Verhältnis unterhält. Zugleich aber bietet sich eine Chance, dieses dunkle Erbe aufzuarbeiten und für beide einen Weg zu finden, der ihnen ermöglicht, mit diesem zu leben.

Eine Etüde in Leichtigkeit, nicht in Schwermut

Bekanntlich gibt es gerade in Deutschland eine schier unüberschaubare Flut an Filmen und Serien, die sich mit dem schweren Erbe des Nationalsozialismus beschäftigen, aber kaum Geschichten, welche sich mit dem Leben derer befassen, die damit leben müssen, auf Täter- wie auch auf Opferseite. Diese Hoffnung war für Regisseur Chris Kraus (Poll, Vier Minuten, Scherbentanz) die Inspiration für Die Blumen von gestern, denn am Anfang stand, wie er im Regiestatement verrät, das Bild zweier Menschen, der Nachkommen von Tätern und Opfern, die einen unbeschwerten Moment miteinander erleben und dadurch eben jene Brücke bauen, die ein solches Leben möglich macht.

In seinem Statement beschreibt Kraus seinen Film weiter als eine „Etüde der Leichtigkeit, nicht in Schwermut“. Der Zuschauer wird nach den etwas über zwei Stunden Laufzeit beide Elemente gleichermaßen beobachtet haben, denn eine Verheilung der Wunden der Vergangenheit kann und will Kraus nicht anstreben, wohl aber einen Umgang, der menschlich und bisweilen auch humorvoll ist, und vielleicht gerade deswegen einen anderen Zugang erlaubt. Mit einem Ohr für Wortwitz sowie einem Sinn für komisches Timing lässt er seine beiden Protagonisten gerade diese Möglichkeit ausdiskutieren, sowie die Schwierigkeiten, die sich zeigen, wenn man diese Idee weiterdenkt. Dabei werden Klischees und Vorurteile ebenso unter die Lupe genommen wie auch die Faszination mit der Nazi-Ideologie, was für manch gelungene, manch recht derbe Pointe sorgt, bei der sich der Zuschauer wohl mehr als einmal beim Lachen oder Schmunzeln ertappen wird.

„Wir sind verbunden durch alles.“

Mit Die Blumen von gestern legt Kraus vielleicht seinen mutigsten Film vor, wenn man es thematisch betrachtet. Dieser Spagat zwischen Ernst und Komik gelingt nicht zuletzt dank seines tollen Ensembles, bei dem neben Lars Eidinger und  Adèle Haenel in den Hauptrollen zudem Jan-Josef Liefers, Hannah Herzsprung und Sigrid Marquardt überzeugen. Besonders Marquardts Szenen sind durch ihren entlarvenden Witz und ihre abgeklärte Art, die Dialoge Kraus’ zu interpretieren, Höhepunkte dieses Filmes und legen den Finger auf Aspekte wie der viel zu wenig diskutierte Versuch der Reinwaschung von Konzernen und Firmen durch ihre Verbindung zur Geschichtsforschung oder Kongressen wie denen, welche in Die Blumen von gestern erwähnt werden.

Ähnlich heikel wie der thematische Spagat ist auch die Spannweite, die Eidinger und Haenel mit ihren Figuren abdecken müssen. Zwar mutet manches übertrieben an und wirkt theatralisch, andere Momente hingegen liefern einen Einblick in das Innenleben von Figuren, die nicht sicher sind, wie sie mit ihrer Geschichte umgehen sollen und sich in Wut, Trauer und Schuld drohen, zu verlieren.

Credits

OT: „Die Blumen von gestern“
Land: Deutschland, Österreich
Jahr: 2016
Regie: Chris Kraus
Drehbuch: Chris Kraus
Musik: Annette Focks
Kamera: Sonja Rom
Besetzung: Lars Eidinger, Adèle Haenel, Jan Josef Liefers, Hannah Herzsprung, Sigrid Marquardt, Bibiana Zeller, Rolf Hoppe

Bilder

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Die Blumen von gestern
fazit
„Die Blumen von gestern“ ist ein berührender und oft urkomischer Film. Chris Kraus gelingt ein bemerkenswerter Film, der ein sehr schwieriges, emotional sehr vorbelastetes Thema versucht, neu zu denken und anzugehen, was manchmal übers Ziel hinausschießt, aber mindestens genauso oft überrascht.
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