Die weiße Massai
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Die weiße Massai

Die weiße Massai
„Die weiße Massai“ // Deutschland-Start: 15. September 2005 (Kino) // 23. März 2006 (DVD)

Inhalt / Kritik

Als die Schweizerin Carola (Nina Hoss) mit ihrem Freund Stefan (Janek Rieke) einen Urlaub in Kenia beginnt, ahnt sie nicht, dass sich dadurch ihr Leben für immer verändern wird. So begegnet sie dort dem Samburu-Krieger Lemalian (Jacky Ido) und verliebt sich Hals über Kopf in ihn. Sehr zum Ärger von Stefan und ihrer Familie daheim beschließt sie, allein in dem Land zurückzubleiben und dem Fremden näherzukommen. Tatsächlich fühlt auch er sich zu ihr hingezogen und lässt sich auf eine Beziehung ein. Dabei dauert es nicht lange, bis es zu ersten Konflikten kommt, schließlich hat eine Frau in seinem Stamm wenig zu sagen. Noch viel weniger eine weiße Frau. Doch trotz der Schwierigkeiten wollen sie zusammenbleiben und sogar heiraten. Damit fangen die Probleme des Paares aber erst an …

Ein umstrittener Kinohit

Können 2,2 Millionen Menschen irren? So viele sahen 2005 Die weiße Massai im Kino, womit das Drama zur erfolgreichsten deutschen Produktion des Jahres wurde. Das klingt eigentlich nach einem absoluten Massenfilm. Und doch ist das Werk sehr viel kontroverser, als es einen die Zahlen glauben lassen wollen. Schaut man sich Jahre später die Bewertungen und Kommentare im Internet an, findet man erstaunlich viele, die den Film abgrundtief hassen, ihn sogar zum schlechtesten aller Zeiten erklären wollen. Das mag – wie so vieles im Netz – absolut übertrieben sein und kaum mit objektiven Kriterien zu rechtfertigen. Das heißt aber nicht, dass man an der Geschichte um eine Schweizerin, die sich in einen afrikanischen Krieger verliebt, nicht einiges kritisieren könnte.

Schon zu Beginn wird die Adaption von Corinne Hofmanns gleichnamigen autobiografischen Roman einigen sauer aufstoßen. Wenn eine Frau sich beim Ausgehen derart Hals über Kopf in jemanden verliebt, dass sie ihren eigenen Freund allein in die Heimat zurückschickt, ist das schon ein wenig fragwürdig. Der moralische Aspekt ganz außen vorgelassen: Es spricht nicht unbedingt für die Protagonistin, wenn sie den Fremden in dieser Form allein auf sein Äußeres reduziert. Denn mehr als das sieht sie nicht, kennt sie nicht. Klar, Oberflächlichkeit ist keine seltene Charaktereigenschaft. Auch die Faszination für „Exotik“ ist nichts, was nicht andere auch schon zu irrationalen Handlungen angetrieben haben. Dennoch ist es ein wenig befremdlich, wie sich Carola in Die weiße Massai letztendlich über alles hinwegsetzt, aus der Überzeugung, dass diese Oberflächlichkeit eine große Liebe sein soll.

Zwischen Freiheitskampf und Neo-Kolonialismus

Das ist eine Eigenschaft, die Carola später noch viele viele Male aufzeigen wird. Ob es nun die Rituale und Gepflogenheiten sind, welche die Massai pflegen, das Verhältnis von Mann und Frau oder auch der Betrieb eines eigenen Ladens: Immer sind es ihre Maßstäbe, die für alle gelten sollen. Das wird dann auch für viele Zuschauer das Problem sein. Die Art und Weise, wie die Schweizerin über alles hinweggeht, was ihr nicht passt, macht sie nicht unbedingt zu einer Sympathieträgerin. Die weiße Massai beschreibt eine Frau, bei der nicht klar ist, ob man sie für ihre Unbeirrbarkeit bewundern oder für ihren mangelnden Willen zur Anpassung verabscheuen sollte. So ähnlich geht es auch den beiden anderen westlichen Figuren: Die ebenfalls mit einem Afrikaner verheiratete Elisabeth (Katja Flint) und der italienische Priester Pater Brenado (Antonio Prester) haben akzeptiert, dass die Regeln in der Fremde andere sind, versuchen gar nicht, diese selbst ändern zu wollen. Gleichzeitig sind sie fasziniert von Carola.

Diese Ambivalenz zieht sich bei Regisseurin Hermine Huntgeburth (Lindenberg! Mach dein Ding) durch den gesamten Film. Auf der einen Seite ähnelt der Kampf von Carola gegen ein patriarchales System dem, der im Westen gegen toxische Männlichkeit geführt wird. Das fragile Ego von Lemalian, der schon von dem Gedanken überfordert ist, seine Frau könnte einen anderen Mann anschauen, ist in unseren Augen lächerlich. Punkte wie die Genitalverstümmelung sind zudem nicht ohne Grund geächtet. Gleichzeitig beschreibt Die weiße Massai aber auch eine Art Neo-Kolonialismus. Wenn die Europäerin eine fremde Kultur im Alleingang ändern will aus Überzeugung der eigenen Überlegenheit und dabei kein einziges Mal versucht, diese fremde Kultur überhaupt kennenzulernen, dann wird es schnell unangenehm. Sie entlarvt sich selbst als eine Touristin, die sich mit der Exotik schmückt, aber an weiterem nicht interessiert ist. Der Film handelt deshalb nicht von einem kulturellen Austausch, selbst wenn er manchmal als solcher verkauft wurde. Stattdessen schildert er das Scheitern desselben. Das ist schon tragisch, gibt auch in mehrfacher Hinsicht Denkanstöße mit. Und doch wird das Schicksal eher wenigen wirklich nahegehen.

Credits

OT: „Die weiße Massai“
Land: Deutschland
Jahr: 2005
Regie: Hermine Huntgeburth
Drehbuch: Johannes W. Betz
Vorlage: Corinne Hofmann
Musik: Niki Reiser
Kamera: Martin Langer
Besetzung: Nina Hoss, Jacky Ido, Katja Flint, Antonio Prester

Bilder

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Die weiße Massai
Fazit
„Die weiße Massai“ war an den Kinokassen ein großer Erfolg. Dennoch ist die Geschichte um eine Schweizerin, die einen afrikanischen Krieger heiratet, dann aber an dem kulturellen Unterschied scheitert, recht kontrovers. Auf der einen Seite ist der Kampf gegen ein patriarchales System nachvollziehbar. Gleichzeitig betreibt die Protagonistin eine Form des Neokolonialismus und ist nur an der Oberfläche interessiert.
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