I Am the Tigress
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I Am the Tigress

„I Am the Tigress“ // Deutschland-Start: 14. April 2022 (Kino)

Inhalt / Kritik

Früher mag zwar nicht alles besser gewesen sein. Vieles war aber einfacher, zumindest im Hinblick auf Weltsichten und die Rollen, welche Menschen zu spielen haben. Da war alles klar definiert, jeder wusste, was er zu tun hat. Und jede natürlich auch: Kaum ein Feld war ähnlich stark durch ungeschriebene Gesetze reglementiert wie die Geschlechterrollen. Eine der größere Änderungen der letzten Jahrzehnte ist dann auch, wie eben diese Geschlechterrollen zunehmend aufgehoben werden. Die Frage, was ein Mann und was eine Frau ist, wird immer schwieriger zu beantworten – sehr zum Leidwesen derjenigen, die das lieber so wie immer hätten. Ein Beispiel dafür, dass die alten Regeln bei manchen nicht gelten, liefert der Dokumentarfilm I Am the Tigress.

Eine Muskelfrau als Herausforderung

Dabei ist Tischa Thomas, die titelgebende Tigerin in Menschengestalt, keine Feministin in dem Sinn. Große Theorien sind ihr egal, bei ihr ist Praxis angesagt. Genauer entdeckte sie vor einigen Jahren die Liebe zum Bodybuilding und arbeitet seither ständig daran, ihren Körper zu perfektionieren, zumindest gemessen an dem Bild, das sie von ihrem zukünftigen Ich hat. Dem klassischen Bild einer Frau entspricht das hingegen weniger, wie sie in I Am the Tigress erklärt. Wenn sie beispielsweise abends unterwegs ist, kann es schon mal sein, dass sie von Männern bedroht wird, in der Annahme, es handele sich bei ihr ebenfalls um einen Mann. Und auch Beschimpfungen gehören zu ihrem Alltag dazu, wenn sie aufgrund ihrer imposanten Muskelmasse verspottet wird. Das, was andere gern hätten, wird bei ihr als Manko angesehen.

Davon lässt sich Thomas aber nicht abhalten. Zu stolz ist sie darauf, was sie erreicht hat: Aus der eher molligen Mama, die ein paar Kilo zu viel hatte, ist eine durchtrainierte Kämpferin geworden. Das kann man dann inspirierend finden, unabhängig davon, ob das Ergebnis dem eigenen Schönheitsbild entspricht. Dennoch ist I Am the Tigress kein so ganz aufbauender Film. Dabei sind es nicht nur die angesprochenen Szenen, in denen die Protagonistin angefeindet wird, die einem zu denken geben. Sie selbst bricht während der Dreharbeiten immer mal wieder zusammen, ist totunglücklich, wenn es mal wieder bei einem Wettkampf nicht gereicht hat. Auch das Thema Partnerschaft ist bei ihr mit viel Frust verbunden. Denn sie hat keinen Partner, findet einfach niemanden, der sich für sie interessiert.

Eine Frau voller Widersprüche

Ob das an dem Körperbau liegt oder an der Person, die darin steckt, das ist natürlich rein spekulativ. Einfach ist Thomas sicher nicht: Immer wieder sieht man, wie sie einen guten Freund auf übelste Weise beschimpft, obwohl der kontinuierlich versucht, für sie da zu sein und sie zu unterstützen. Sympathiepunkte bringen ihr diese besagten Szenen sicher nicht. Eine interessante, weil widersprüchliche Persönlichkeit darf man ihr aber schon attestieren. I Am the Tigress zeigt sie als jemanden, der gleichzeitig Stärke demonstriert, ihr Geld auch als Domina verdient und doch im emotionalen Bereich Schwächen hat. Jemand, der die eigene Unabhängigkeit betont und zugleich völlig abhängig ist von der Anerkennung anderer. Sie braucht die Siege, sie braucht auch einen Mann, sonst ist sie nicht komplett.

I Am the Tigress ist damit auch ein Film über das Streben nach Perfektion und das Leid, welches damit einhergeht. Ein Film, der zwar ein ungewöhnliches Thema aufgreift – weibliche Bodybuilder sind trotz allem kein alltäglicher Anblick –, aber doch auch universell verständlich ist. Fragen zu Geschlechterrollen, Erwartungshaltungen oder Unsicherheit in Bezug auf den eigenen Körper dürften sich viele in der einen oder anderen Form schon einmal gestellt haben. Und auch wenn man im Anschluss an die Dokumentation nicht so wirklich viel schlauer geworden ist, ist doch genug in den 80 Minuten drin, wofür es sich lohnt, Thomas auf ihrem Weg ein wenig Gesellschaft zu leisten.

Credits

OT: „I Am the Tigress“
Land: Deutschland, Österreich, USA
Jahr: 2021
Regie: Philipp Fussenegger, Dino Osmanovic
Musik: Mario Batkovic
Kamera: Dino Osmanovic

Bilder

Trailer

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I Am the Tigress
Fazit
„I Am the Tigress“ begleitet eine Frau, die sich von einer übergewichtigen Mama in eine muskulöse Bodybuilderin verwandelt hat. Der Dokumentarfilm ist dabei einerseits persönliche Geschichte, stellt aber auch universellere Fragen etwa zu Geschlechterrollen und welche Schattenseiten der Drang nach Perfektionismus hat.
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