Comedian Harmonists
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Inhalt / Kritik

Comedian Harmonists
„Comedian Harmonists“ // Deutschland-Start: 25. Dezember 1997 (Kino) // 20. April 2017 (DVD/Blu-ray)

Eine richtige berufliche Perspektive hat der arbeitslose Schauspieler Harry Frommermann (Ulrich Noethen) nicht. Bis ihm eines Tages eine Idee kommt: Warum nicht nach dem Vorbild der US-amerikanischen Gruppe The Revelers ein Männerensemble zusammenstellen, welches deutsche A-cappella-Lieder singt? Und so schaltet er 1927 eine Anzeige, in der er nach gleichgesinnten Sängern sucht. Kurze Zeit später reagiert bereits Robert Biberti (Ben Becker) auf die Annonce, Roman Cycowski (Heino Ferch), Erich A. Collin (Heinrich Schafmeister), Ari Leschnikoff (Max Tidof) und Erwin Bootz (Kai Wiesinger) folgen. Doch trotz ähnlicher Träume: Einfach ist das Unterfangen nicht, die harte Arbeit und die Konflikte machen sich zunächst nicht bezahlt. Mit der Zeit gelingt es ihnen aber, sich einen Namen zu machen und zu einer der erfolgreichsten Gruppen Deutschlands zu werden. Geblendet von diesem Glück realisieren sie nicht, wie sehr sich gerade ihr Heimatland verändert …

Ein Stück Musikgeschichte

Auch wenn die Hochphase der Comedian Harmonists bald 80 Jahre her ist, Lieder wie Veronika, der Lenz ist da und Mein kleiner grüner Kaktus sind bis heute unvergessen. Typisch für das Sextett war damals nicht nur der harmonische Gesang der Männer, sondern gerade auch die Texte, die irgendwo zwischen Komik und Romantik herumwanderten. Dabei war die Geschichte der sechs selbst alles andere als komisch. Und auch romantisch würde man es nicht unbedingt nennen wollen, was sie in der kurzen Phase zwischen 1928 und 1935 erlebt haben. Vielmehr war die Zeit von Konflikten geprägten, von internen Machtkämpfen – und natürlich einer Gesellschaft, die erst die eigene Bevölkerung, später die ganze Welt in den Abgrund reißen sollte.

Regisseur Joseph Vilsmaier (Der Boandlkramer und die ewige Liebe) versucht dann auch die Balance aus einem Personenporträt und einem Gesellschaftsporträt. Dabei dominiert zunächst klar der Zugang über die Charaktere, wenn wir dabei zusehen dürfen, wie sehr verschiedene Männer an einem gemeinsamen Traum arbeiten – und sich dabei häufig fetzen. Vor allem Harry und Robert stehen dabei im Mittelpunkt. Während ersterer zum spontanen und unbekümmerten Chaos neigt, ist Robert deutlich solider und härter. Das verträgt sich naturgemäß nicht besonders gut, vor allem wenn dann auch noch eine Frau ins Spiel kommt. So verlieben sich beide in die Studentin Erna Eggstein, die kurioserweise von Meret Becker gespielt wird – Ben Becker sich also in seine eigene Schwester verlieben soll.

Persönliche Konflikte, politische Gefahr

Hinzu kommen Eifersüchteleien in der Gruppe. Auch wenn die Kunst des A-cappella-Gesangs darin liegt, möglichst miteinander zu harmonisieren, muss das für die Leute hinter den Stimmen nicht gelten. Immer wieder kommt es zu Auseinandersetzungen, in welche Richtung sich die Band weiterentwickeln soll. Da wollen schließlich auch eigene Egos befriedigt werden. Tatsächlich wird im Laufe des Films so viel gestritten, dass der Name Comedian Harmonists höchstens noch ironisch funktioniert. Wäre da nicht die gemeinsame Liebe zur Musik und natürlich der enorme Erfolg, welcher die Männer bald auch ins Ausland führt: Man kann sich nur schwer vorstellen, wie die Zweckgemeinschaft Bestand haben soll.

Die Frage nach der gemeinsamen Zukunft wird in der zweiten Hälfte von Comedian Harmonists noch einmal verstärkt aufgegriffen, als die Nationalsozialisten zunehmend an Macht gewinnen. Schließlich sind gleich drei der sechs Männer Juden. Zunächst schützt sie dabei die eigene Popularität: Wer die Herzen des deutschen Volkes gewonnen hat, den kann man nicht so einfach davonjagen. Und auch innerhalb der Nationalsozialisten gab es welche, die ihre schützende Hand über sie hielten und damit die offiziellen Ansichten ad absurdum führen. Gleichzeitig waren die Sänger lange blind, was die Situation angeht. Auch wenn sich nach und nach die Zeichen mehren, dass es für sie keine Zukunft in Deutschland gibt, sie werden ignoriert, so lange und so gut es eben geht.

Anekdoten mit großer Anziehungskraft

Comedian Harmonists bedeutet damit gleichermaßen Musik- wie Politikgeschichte, wenn Privates und Berufliches kaum voneinander zu trennen sind. Das geht fließend ineinander über, auch innerhalb des Films: Vilsmaier gelang es, die beiden Themenkomplexe miteinander zu verbinden, ohne dass es konstruiert wirken würde, zeigt die Widersprüchlichkeit, ohne den Zeigefinger zu erheben. Allerdings fehlt selbst ein wenig eine inszenatorische Inspiration. Etwas zu brav werden die einzelnen Stationen im typischen Biopic-Muster abgearbeitet, wie ein Formular, das es auszufüllen galt. Außerdem reichte der Raum oftmals nicht, um stärker in die Tiefe zu gehen: Das Drama bleibt anekdotisch. Dem Publikum war das seinerzeit aber egal, weshalb der Film mit mehr als drei Millionen Besuchern und Besucherinnen im Kino ein großer Erfolg wurde und zu einem neu entdeckten Interesse an der Musik der sechs führte.

Credits

OT: „Comedian Harmonists“
Land: Deutschland, Österreich
Jahr: 1997
Regie: Joseph Vilsmaier
Drehbuch: Jürgen Büscher, Jürgen Egger, Klaus Richter
Musik: Harald Kloser
Kamera: Joseph Vilsmaier
Besetzung: Ben Becker, Heino Ferch, Ulrich Noethen, Heinrich Schafmeister, Max Tidof, Kai Wiesinger, Meret Becker, Katja Riemann, Susanne Hoss

Bilder

Trailer

Filmpreise

Filmpreis Jahr Kategorie Ergebnis
Deutscher Filmpreis 1998 Bester Film Sieg
Beste Regie Joseph Vilsmaier Nominierung
Bester Hauptdarsteller Ulrich Noethen Sieg
Beste Nebendarstellerin Meret Becker Sieg
Bester Schnitt Peter R. Adam Sieg
Bestes Szenenbild Rolf Zehetbauer Sieg
Europäischer Filmpreis 1998 Beste Kamera Joseph Vilsmaier Nominierung

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„Comedian Harmonists“ folgt den Spuren der gleichnamigen A-cappella-Gruppe, die in den 1930ern zu den erfolgreichsten Deutschland zählte. Der Film hält dabei die Balance aus persönlichem Porträt wie auch Gesellschaftsporträt, als die jüdischen Mitglieder zunehmend ins Visier der Nationalsozialisten rückten. Das ist interessant anzusehen, auch wenn das Drama zwangsläufig etwas anekdotisch bleibt.
7
von 10