Future Lasts Forever

Future Lasts Forever

Inhalt / Kritik

Future Lasts Forever
„Future Lasts Forever“ // Deutschland-Start: 28. Mai 2021 (MUBI)

Seit vielen Jahren schon interessiert sich die Ethnomusikologin Sumru (Gaye Gürsel) insbesondere für Klagelieder, für die sie durch die Türkei reist und welche sie aufnimmt. Ihr Interesse hat sie zum Gegenstand ihrer Dissertation gemacht und kommt deswegen nach Diyarbakir, der größten von Kurden besiedelten Stadt der Türkei, wo sie hofft, noch mehrere solcher Lieder und die damit verbundenen Geschichten zu hören. Die Menschen, die sie interviewt und die für die singen, erzählen ihr berührende, schmerzvolle Geschichten über Verlust, wie ihre Familien von türkischen Soldaten drangsaliert wurden und Verwandte exekutiert wurden. Während ihrer Forschungen denkt Sumru auch immer wieder an ihren Freund, der sie vor drei Jahren verließ und wieder zurückkehrte in sein Heimatdorf, von wo aus er sich nie wieder bei ihr meldete.

Auf ihren Spaziergängen durch die Straßen der Stadt trifft sie auch Ahmet (Durukan Ordu), der ein kleines Kino betreibt und fasziniert ist von der Welt der Klänge und der Lieder, in die Sumru ihn einführt. Gemeinsam mit ihm gelingt es ihr, noch mehr Material zu sichten, doch die Geschichten hinterlassen mehr und mehr Eindruck bei ihr wie auch bei Ahmet, setzen sie sich doch vor allem mit der türkischen Herrschaft über die Kurden auseinander, mit den Massakern und der Gewalt. Immer mehr werden die Geschichten für sie beide auch zu einer Reise in die eigene Vergangenheit, sodass sich Sumru mit ihrer größten Angst konfrontiert sieht.

Gebrochene Stimmen

Nach seinem von der Kritik gefeierten Werk Herbst, welche sich bereits mit der Vergangenheit der Heimat des Regisseurs auseinandersetzte, greift Özcan Alper in Future Lasts Forever ein weiteres Kapital der türkischen Geschichte auf, nämlich die Beziehung zu den Kurden. Dass er mit einem Werk, welches solch ein Thema bedient, an den staatlichen Zensoren vorkam, wunderte 2011 schon viele Kritiker, reißt Alper doch gerade jene Wunden der Vergangenheit auf, die ansonsten in der türkischen Gesellschaft entweder keine Rolle spielen oder über die geschwiegen wird. So ist Future Lasts Forever, wie schon Herbst, ein stilles Werk über die Vergangenheit geworden, doch auch, inwiefern Klänge oder Lieder ein Schlüssel sein können, um diese besser zu verstehen.

Es sind dann auch eben jene Stimmen, Lieder und Klänge, welche die ansonsten eher dünne Handlung tragen, die sich größtenteils auf Sumrus Expeditionen durch die Stadt sowie ihre Interviews konzentriert. Teils mutet Alpers Herangehensweise schon semi-dokumentarisch an, begleitet die Kamera doch die beiden Figuren bei ihrer Recherchearbeit, der Sichtung von Material und den Gesprächen darüber. Jedoch bleibt die Wirkung auf die Figuren wie auch den Zuschauer nicht außen vor, denn die gebrochenen Stimmen der Männer und Frauen, die von schier unvorstellbaren Grausamkeiten erzählen, kann man nicht vergessen, sodass beispielsweise Ahmets Flucht in die Bilderwelt des Kinos auch nicht mehr wirken kann, er unruhig in seiner Wohnung sitzt und eine Zigarette nach der anderen raucht.

Die gemeinsame Zukunft

Interessant und wichtig ist für Future Lasts Forever die Stadt Diyarbakir als Handlungsort des Filmes. Die langen Straßen, die Basare und die Kirchen mit ihrer Vergangenheit und abermals einer Fülle an Geschichten betonen die Allgegenwart dieser Stimmen von Menschen, die eben jener Gewalt und dem Unrecht zum Opfer fielen. Ein Mann, der die Ruinen eine Kirche bewacht, kann nicht von ihr, wie wir zusammen mit Sumru herausfinden, auch wenn im Ausland seine Familie auf ihn wartet, denn auch er ist ein Hüter dieser Erinnerung, für die sich sonst niemand verantwortlich fühlt.

Doch es ist nicht nur die Vergangenheit, die schwer auf den Protagonisten und ihrer Welt lastet, sondern auch die Zukunft. So wie die Gewalt in das Leben vieler überraschend und ohne Vorwarnung eintrat, so bleibt das Morgen mit einem großen Fragezeichen versehen. Sensibel in Szene gesetzt und durch die Darstellungen Gürsels und Ordus betont, wird mehr als deutlich, wie unklar dieses weite Land der Zukunft ist, wenn noch so viel über die Vergangenheit nicht bekannt ist und man nicht weiß, ob die Erinnerung morgen noch da sein wird.

Credits

OT: „Gelek Uzun Sürer“
Land: Türkei
Jahr: 2011
Regie: Özcan Alper
Drehbuch: Özcan Alper
Musik: Mustafa Biber
Kamera: Feza Çaldıran
Besetzung: Gaye Gürsel, Durukan Ordu, Sarkis Seropyan, Erdal Kırık, Güllü Özalp Ulusoy, Asiye Dinçsoy

Trailer

Filmfeste

Toronto International Film Festival 2011
International Film Festival Rotterdam 2011

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"Future Lasts Forever" ist ein Drama über Erinnerung, Musik und die Geschichte der Türkei. Die poetischen Bilder und langen Einstellungen, die Özcan Alpers Film ausmachen, erzählen von der langen Nachwirkung einer Erfahrung von Gewalt und Unrecht sowie von einer ungewissen Zukunft.
8
von 10