Sabrina 1954
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Sabrina (1954)

Kritik

Sabrina 1954
„Sabrina“ // Deutschland-Start: 16. November 1954 (Kino) // 3. März 2003 (DVD)

Auf Long Island hat sich die reiche Elite der Vereinigten Staaten einen ihrer vielen Rückzugsorte gebaut, in welchem sie ganz ungestört sind. Die Larrabees sind Teil dieser Elite, genießen großes Ansehen und kontrollieren ein weltweites Imperium, bestehend aus Pipelines, Immobilien und anderen Investitionen. Kontrolliert wird das Unternehmen von Linus (Humphrey Bogart), einem Workaholic, der durch seinen Geschäftssinn schon viele sehr lukrative Abschlüsse für sich verbuchen kann, während sein jüngerer Bruder David (William Holden) das Leben eines Casanova und Lebemanns in vollen Zügen genießt. Während David immer wieder durch neue Liebeleien auffällt, bemerkt er nicht, wie Sabrina Fairchild (Audrey Hepburn), die Tochter des Chauffeurs der Familie, sich in ihn verliebt hat. Da sie vor Liebeskummer unglücklich ist, hat sie ihr Vater überredet, für einige Monate nach Paris zu gehen, wo sie eine angesehene Kochschule besuchen soll. Nach vielen Monaten wieder in der Heimat zurück ist Sabrina nicht wiederzuerkennen, ist anders gekleidet und hat sich in Sachen Benehmen sowie Konversation vieles vom europäischen Lebensstil abgeschaut, was David sofort auffällt. Während sich für Sabrina damit ein lang gehegter Traum erfüllt, ist die Schwärmerei Davids seinem Vater sowie Linus mehr als peinlich, soll David doch die Tochter eines reichen Unternehmers heiraten. Linus beschließt durch eine List, die beiden Verliebten voneinander zu trennen, und verbringt nun selbst mehr Zeit mit Sabrina. Dabei bemerkt er mit der Zeit, dass er selbst dabei ist, sich in die junge Frau zu verlieben.

Wie aus Plastik

Nach den großartigen Dramen Boulevard der Dämmerung und Reporter des Satans, kehrte Regisseur Billy Wilder 1954 mit Sabrina, einer Verfilmung des Theaterstücks Sabrina Fair von Samuel A. Taylor, zurück zum Komödiengenre. Wie in Jahr später in Das verflixte 7. Jahr nähert sich Wilder in seiner Geschichte der exklusiven Welt der Reichen an, ihrer strengen Hierarchie und ihren Eigenarten, insbesondere ihrer Distanzierung zu der Welt der Normalbürger. In Sabrina verbindet Wilder, wie er es so oft machte, das Komödiantische mit dem Dramatischen, erzählt von Statusdenken und einer Möglichkeit, diese Grenzen zu überwinden, wodurch ein zeitloser Film geschaffen wurde, dessen Themen nach wie vor aktuell sind.

Neben dem Marmor, dem Öl und den ganzen reichen Stoffen, die es mittels der Garderobe der Figuren zu bestaunen gibt, ist es doch das Plastik, welches in vielerlei Hinsicht ein mehrdeutiges Symbol innerhalb der Geschichte bildet. Besonders Linus scheint geradezu begeistert von der Beschaffenheit dieses Stoffes, lässt gar all seine Sekretärinnen zu sich rufen, um zu demonstrieren, wie unzerstörbar und biegsam dieser Stoff ist, der für ihn und seien Familie ein mehr als lukratives Geschäft verspricht. Wenig später lässt er seinen verletzten Bruder David eine Hängematte aus Plastik machen, in welcher dieser wie ein in eine Falle getapptes Tier versinkt und aus eigener Kraft nicht mehr herauskommt. Diese Bilder demonstrieren die Spitzfindigkeit eines Regisseurs wie Wilder, der in dem Transparenten und Künstlichen des Plastik anscheinend demonstriert, wie seltsam distanziert und artifiziell jene Welt der Reichen ist, welche zwar die andere Welt, die „da draußen“ sieht, aber nie auf die Idee kommen würde, Teil von ihr zu werden.

Generell wirkt alleine die Raumstruktur, wie beispielsweise Linus’ Büro oder die Beschaffenheit des Familienanwesens, in dem alles, vom Swimmingpool bis hin zum Tennisplatz, sowohl draußen wie drinnen vorhanden ist, wie eine Metapher auf diese Welt. Zusammen mit dem Zuschauer und nachher durch Charakter wie die von Audrey Hepburn gespielte Sabrina gelingt ein Blick hinter diese Kulissen, ein Aufreißen der Türen zu einer Welt, die bis dahin eher fremd und hermetisch wirkte.

Jeder kennt seinen Platz

Viele von Wilders Filmen zeigen eine Welt, die in einem seltsamen Zwischenstadium begriffen ist. Zwar gibt es äußere Zeichen der Veränderung, wie beispielsweise Kleidung, Frisuren oder Technologien, jedoch verbleibt die Wirklichkeit in festgefahrenen Strukturen, in welchen jeder seinen Platz kennt und sich die Elite darauf verlassen kann (oder will), dass man diesen Platz einhält. So erinnert Linus’ Kalkulation als Geschäftsmann an jene Art von Ständeheirat, wie man die aus dem 17. oder 18. Jahrhundert kennt und in welcher die Liaison mit einer Chauffeurstochter, wie sein Vater aufgebracht anmerkt, ein unverzeihlicher Affront ist. In gewisser Weise erscheint Sabrina wie eine Vorbotin eines C. C. Baxter oder eine Fran Kubelik aus Wilders Meisterwerk Das Appartement, in dem es ebenfalls um die Ausnutzung moderner Macht- und Geschäftsstrukturen geht.

In der Begegnung von der alten Welt, in diesem Falle Europa, mit der neuen, also den USA, zeigt sich eine Möglichkeit des Entkommens aus dieser Festgefahrenheit. Wilder erzählt in diesem Falle eine Art Märchen, eine Variation von Cinderella, wenn man so will, die man verklärt finden kann, aber die letztlich die Distanz aufbricht zwischen zwei Menschen, die sich über das Statusdenken hinwegsetzen.

Credits

OT: „Sabrina“
Land: USA
Jahr: 1954
Regie: Billy Wilder
Drehbuch: Billy Wilder, Ernest Lehman, Samuel A. Taylor
Vorlage:Samuel A. Taylor
Musik: Frederick Hollander
Kamera: Charles Lang
Besetzung: Humphrey Bogart, Audrey Hepburn, William Holden, John Williams, Walter Hampden

Trailer

Filmpreise

Preis Jahr Kategorie Ergebnis
Academy Awards 1955 Beste Regie Billy Wilder Nominierung
Bestes Drehbuch Billy Wilder, Samuel A. Taylor, Ernest Lehman Nominierung
Beste Hauptdarstellerin Audrey Hepburn Nominierung
Beste Kamera – Schwarzweiß Charles Lang Nominierung
Bestes Szenenbild – Schwarzweiß Hal Pereira, Walter H. Tyler, Sam Comer, Ray Moyer Nominierung
Beste Kostüme – Schwarzweiß Edith Head Sieg
BAFTA Awards 1955 Beste britische Hauptdarstellerin Audrey Hepburn Nominierung
Golden Globes 1955 Bestes Drehbuch Billy Wilder, Samuel A. Taylor, Ernest Lehman Sieg

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„Sabrina“ ist eine sehr amüsante und romantische Komödie mit einigen dramatischen Elementen. Leichtfüßig und mit dem für ihn guten Gespür für Wortwitz erzählt Billy Wilder eine Geschichte um Statusdenken, Machtstrukturen sowie ein Märchen von einer gemeinsamen Flucht aus diesen Hierarchien. Das ist Hollywoodkino, wie man es heute leider nur noch selten sieht: unterhaltsam, gut gespielt und intelligent.
9
von 10