Ein Mann und eine Frau 20 Jahre spaeter Frontpage
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Ein Mann und eine Frau – 20 Jahre später

Kritik

Ein Mann und eine Frau 20 Jahre spaeter Frontpage
„Ein Mann und eine Frau – 20 Jahre später“ // Deutschland-Start: 22. Mai 2003 (DVD)

20 Jahre sind vergangen, seitdem sich Jean-Louis Duroc (Jean-Louis Trintignant) und Anne Gauthier (Anouk Aimée) am Internet ihrer Kinder über den Weg gelaufen sind und zum Paar wurden. Viel geblieben ist von damals nicht. Die Beziehung hielt nicht lange, der Kontakt ist schon vor einer ganzen Weile abgebrochen. Während der ehemalige Rennfahrer Jean-Louis nun mit der Organisation von Rennen beschäftigt ist und Marie-Sophie (Marie-Sophie L.) geheiratet hat, arbeitet Anne als Filmproduzentin. Damit war sie eigentlich erfolgreich. Ihr letztes Werk, ein groß angelegtes Kriegsdrama, ist jedoch böse gefloppt, wurde auch von den Kritikern verrissen. Und so kommt sie auf die Idee, sich wieder bei ihrem alten Liebhaber zu melden, um die gemeinsame Geschichte zu verfilmen …

Dass erfolgreiche Filme eine Fortsetzung bekommen, das ist bekannt, in den meisten Fällen auch legitim. Hollywood ist in der Hinsicht natürlich besonders berüchtigt, aber auch in Europa nutzt man die Gunst des Publikums gerne, um ein zweites Mal abkassieren zu können. Dennoch dürfte so manch einer etwas irritiert gewesen sein, als Claude Lelouch einen Nachfolger zu Ein Mann und eine Frau ankündigte. Sicher, das Drama um eine Zufallsbekanntschaft, die Gefühle füreinander entwickelt, war 1966 sehr erfolgreich gewesen, sowohl an den Kinokassen wie auch bei Kritikern. Aber eine Liebesgeschichte 20 Jahre später noch einmal aufzugreifen, das kam schon unerwartet.

Wo sind denn die Gefühle hin?
Noch unerwarteter ist aber, was Lelouch daraus gemacht hat. Die erste Irritation: Dachte man bei der Abschlussszene des Klassikers noch, dass sich da zwei fürs Leben gefunden haben, kassiert Ein Mann und eine Frau – 20 Jahre später die Romanze gleich zu Beginn ein. Das Versprechen eines Liebesfilms, dass jeder sein ewiges Glück finden kann, wird hier mit einem Schulterzucken gebrochen. Für eine Fortsetzung, bei der es meistens darum geht, mehr vom Bekannten aufzutischen, ist das ungewöhnlich, vielleicht sogar mutig. Und auch wenn das Zielpublikum solcher Liebesfilme damit weniger glücklich wird, vielleicht auch gar nicht wissen will, wie das Leben von Leuten Mitte 50 aussieht, uninteressant ist das nicht.

Die größere Irritation ist aber, dass 20 Jahre später praktisch kein Interesse an der Romanze als solcher hat. Darauf verwiesen wird zwar. Es gibt beispielsweise eine sehr schöne Szene, wenn Jean-Louis und Anne in einem Café sitzen, ein bisschen in Erinnerungen schwelgen und versuchen, an die damalige Zeit anzuschließen. In solchen Momenten knüpft der französische Filmemacher tatsächlich an seinen Klassiker an, zeigt – unterstützt von seinem fabelhaften Duo – wie kompliziert Gefühle sein können. Da wird nach Worten gesucht, nach sich selbst gesucht, überlegt, wie man sich dem anderen präsentieren soll. Schließlich hat man eine gemeinsame Vergangenheit, die zwar lange zurückliegt, aber noch immer gegenwärtig ist und wie beim ersten Teil auch mit der aktuellen Situation verschwimmt.

Ein Film über das Filmemachen
Anstatt jedoch diesen Weg konsequent einzuschlagen, ist 20 Jahre später eine Art Metafilm geworden. Sie hätten keine Geschichte zu erzählen, sagt Jean-Louis an einer Stelle, sie hätten schließlich nichts anderes getan, als durch die Gegend zu fahren. Das kann durchaus als Selbstironie verstanden werden, warf man Ein Mann und eine Frau doch genau das vor: Es gibt keine Geschichte. Auch die Verknüpfungen des damaligen Filmes mit der Fortsetzung sind reizvoll. Da werden Szenen des Originals mit nachgestellten des Film-im-Films kontrastiert, dazwischen gibt es die „reale“ Ebene, in der die zwei über ihre Erlebnisse und die Zeit damals sprechen. Das ist in etwa so, als wäre ein Film gleichzeitig sein eigenes Making-of. Die Vermischung von Ebenen hatte es 1966 natürlich auch gegeben, damals jedoch als Teil einer gemeinsamen Realität.

Während dieser komplett andere Ansatz für sich genommen spannend ist, verpasst es Lelouch jedoch, daraus einen spannenden Film zu machen. Ein Grund: Er baut lauter andere Parallelhandlungen ein. Die fiktionalisierte Wiedergabe der Romanze spielt bald keine Rolle mehr, dafür gibt es einen anderen Film-im-Film, wo sich Inszenierung und die reale Fassung überschneiden. Und für den Fall, dass das dem Publikum zu abstrakt ist, darf Marie-Sophie später einen großen tragischen Auftritt haben, wie man ihn wohl nur in einem französischen Film zu Gesicht bekommt. Letzteren verdanken wir zwar wieder schöne Aufnahmen, thematisch passt das aber so gar nicht zum Rest und führt nur dazu, dass man das eigentliche Paar praktisch nie zusammen sieht – was den Titel ad absurdum führt. 20 Jahre später ist mehr Experiment als Geschichte, mehr Kopfgeburt als Menschlichkeit, eine Ansammlung von Ideen, die teilweise interessant sind, sich aber nie zu einem in sich stimmigen Werk verbinden.

Credits

OT: „Un homme et une femme : Vingt ans déjà“
IT: „A Man and a Woman: 20 Years Later“
Land: Frankreich
Jahr: 1986
Regie: Claude Lelouch
Drehbuch: Claude Lelouch, Pierre Uytterhoeven
Musik: Francis Lai
Kamera: Jean-Yves Le Mener
Besetzung: Anouk Aimée, Jean-Louis Trintignant, Marie-Sophie L.

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„Ein Mann und eine Frau – 20 Jahre später“ bringt ein berühmtes Paar der Filmgeschichte noch mal zusammen – und gleichzeitig nicht. Anstatt wie seinerzeit die Beziehung zweier Menschen aufzuzeigen, ist das hier eher ein Meta-Film über das damalige Liebesdrama wie auch das Filmemachen allgemein. Das hat interessante Ansätze, findet jedoch nie zu einem gemeinsamen Werk zusammen.
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von 10