Der goldene Handschuh
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Der Goldene Handschuh

Der goldene Handschuh DVD
„Der Goldene Handschuh“ // Deutschland-Start: 21. Februar 2019 (Kino) // 22. August 2019 (DVD/Blu-ray)

Fritz Honka (Jonas Dassler) ist ein Verlierer. Gezeichnet vom Alkohol und dem harten Kiezleben verbringt er die Nächte in der heruntergekommenen Kneipe „Zum Goldenen Handschuh“. Nach dem einen oder anderen „FaKo“ (Fanta-Korn) gibt er den meist älteren Damen im Etablissement einen aus und hofft auf Gegenliebe. Wenn Honka diese jedoch nicht bekommt, dann nimmt er sie sich – koste es, was es wolle.

Viele Romane galten als unverfilmbar und wurden am Ende doch auf die Leinwand gebracht. Oft gab es technische Bedenken, etwa wenn eine epische Fantasiewelt zu komplex schien, um sie nachzuempfinden. Hätte vor der Jahrtausendwende kaum einer damit gerechnet, dass etwa Der Herr der Ringe adäquat verfilmt werden kann, bewies Peter Jackson Anfang des neuen Jahrtausends beeindruckend das Gegenteil. Manchmal ist es aber auch der Inhalt, der dafür sorgt, dass Produzenten sich ganz genau überlegen, ob eine cineastische Umsetzung Sinn macht. Kann das individuelle Kopfkino, das beim Lesen der Vorlage stattfindet, überhaupt irgendwie umgesetzt werden? Erfüllt es dann noch die Erwartungen des Zuschauers?

Alles geht … irgendwie
American Psycho von Bret Easton Ellis war auch so ein „unverfilmbarer“ Roman. 1995 von der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien indiziert, wurde das Werk 2000 mit Christian Bale in der Hauptrolle eindringlich verfilmt. Doch warum müssen Werke, bei denen man von vornherein Bedenken hat, ob die Inszenierung denn gelingt, überhaupt verfilmt werden? In der deutschen Filmlandschaft kamen solche Gedanken bisher kaum auf, denn kontroverses Material findet hierzulande in den letzten Jahrzehnten kaum den Weg in die Kinos. Natürlich sind Filme wie Er ist wieder da oder auch Feuchtgebiete weit vom üblichen Einheitsbrei des deutschen Spießertums entfernt. Doch ihre Inszenierung ist gemessen an internationalen Werken trotzdem recht konventionell.

Wenn über den Tellerrand hinausgeschaut wird, dann meistens nur von einzelnen Filmemachern. Fatih Akin gilt seit Beginn seiner Karriere als ein – für deutsche Verhältnisse – unkonventioneller und auch mutiger Regisseur. Man könnte also meinen, wenn einer einen nur schwer verfilmbaren deutschen Stoff umsetzen kann, dann wohl er. Am Ende seines neuesten Werkes Der Goldene Handschuh hat man dann zwar das Gefühl, dass die Mission irgendwie erfolgreich war, doch warum der Roman von Heinz Strunk verfilmt werden musste, ist einem noch immer schleierhaft.

Heinz Strunk erzählte auf Grundlage ausführlicher Recherchen die wahre Geschichte des Frauenmörders Fritz Honka, der zwischen 1970 und 1975 vier Gelegenheitsprostituierte ermordete, teilweise zersägte und die Leichenteile in seiner Wohnung aufbewahrte. Anders als der angesprochene American Psycho, der kurz nach Erscheinen indiziert wurde, feierte vor allem der Feuilleton Strunks Roman. Der Entertainer, dessen Debütroman Fleisch ist mein Gemüse ebenfalls verfilmt wurde, schafft es mit viel Detailtreue und einem unverwechselbaren Wortwitz, das ganz eigene Milieu dieser Zeit nachzuempfinden. Mit authentischer Gossensprache oder sogar neuen Wortschöpfungen gelang es dem gebürtigen Hamburger seine Charaktere nicht als Freaks auszustellen, sondern ihnen Tiefe zu geben. Sein Fritz Honka ist ein Monster, aber eins voller Tragik. Letzteres geht Fatih Akins Verfilmung leider etwas abhanden, was vermutlich auch der fehlenden inneren Perspektive von Honkas Gedankenwelt geschuldet ist.

Viele Horror, viele offene Fragen
Während im Roman Honkas Gefühlswelt lesbar ist und die Gewalttaten erst im Kopf zu Bildern werden, ist es bei Akin umgedreht. Die Misshandlungen, Vergewaltigungen, Verstümmelungen und Morde sind größtenteils sichtbar, Honkas Emotionen dagegen kaum. Auch wenn Hauptdarsteller Jonas Dassler ausgezeichnet spielt und tatsächlich auch mit kleinen Mimiken und Gestiken Emotionen hinter der hässlichen Fratze erahnen lassen, so ist der Interpretationsspielraum für die Schlagkraft, die es bräuchte, doch zu groß. Ekel und Abstoßung kommen beim Zuschauer deutlich an, Tragik und Motivation nur selten. Deutlicher wird das jedoch bei den Opfern Honkas. Egal ob Gerda, Anna, Frieda, Inge oder Ruth – die Frauen aus „dem Handschuh“ sind gebrochene Charaktere. Frauen, die resigniert haben, die eine Misshandlung hinnehmen als wäre sie alltäglich. Hier kommt die wirkliche Tragik zum Vorschein und Akin zeichnet eine eindringliche Milieustudie des Horrors.



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Handwerklich exzellent umgesetzt, mit abstoßenden Masken, zeitgenössischen Kostümen und nahezu 1:1 nachgebauten Kulissen, fehlt es Akins Werk leider an der Tiefe der Vorlage. Während die Lektüre von Strunks Buch auch mal für einen kopfschüttelnden Lacher gut war, bleibt einem bei der Verfilmung das Lachen im Hals stecken. Während der Zuschauer, der das Buch nicht kennt, angeekelt zurückbleibt, fragt sich der Kenner des ausgezeichneten Buches, warum er es nicht beim Lesen belassen hat.
6
von 10