Closing Time
Closing Time
„Closing Time“ // Deutschland-Start: nicht angekündigt

Taipeh, Taiwan. Ein Tag neigt sich dem Ende hinzu. Die taiwanesische Stadt kommt aber einfach nicht zum Schlafen, im Gegenteil. Closing Time, das neueste Werk von Nicole Vögele, will genau dies festhalten und porträtiert dabei das Leben von der Arbeiterschicht, für die der Tag erst in der späten Nacht beginnt. Wir verfolgen dabei den Alltag von Chung-Shu Kuo Kuo und seiner Frau Li-Jiao Lin, die ein Esslokal betreiben und für die Schlaflosen der Nacht Essen zubereiten.

Symbolische Bilder
Closing Time mag aufgrund seiner unzähligen Plansequenzen zwar nicht für den Durchschnitts-Kinogänger bestimmt sein, bietet aber dennoch tolle Bilder und ist am Ende mehr als die Summe seiner Teile. Durch eine gewisse Symbolkraft bietet Vögeles neuestes Werk nämlich viel Projektionsfläche für philosophische Themen. Was braucht man zum Leben? Wonach sollte man streben? Oder schlichtweg: Was ist der Sinn des Lebens? Das sind nur einige Fragen, die spontan nach der Sichtung aufkommen. Closing Time ist dabei aber keinesfalls ein systemkritisches Werk, sondern fokussiert sich in erster Linie auf den alltäglichen Rhythmus, der in der Nacht ja nicht einfach aufhört, sondern tagein, tagaus anhält und so schlaflose Städte erst möglich macht. Ob dies nun gut oder schlecht ist, dies ist natürlich eine andere Frage, auf die Vögele aber auch ganz gezielt verzichtet.

Ein Gegenentwurf zur heutigen Schnelllebigkeit
Closing Time mag sicherlich nicht der erste Film seiner Art sein, überzeugt aber doch zumindest in einer ganz speziellen Hinsicht. Im Kontrast zu dem nächtlich anhaltenden Straßenverkehr in Taipeh, gelingt Vögele nämlich eine sehr passende Bildsprache, um die gegensätzlich langsam vergehende Zeit im Imbiss festzuhalten. Durch diese Akzentuierung von Entschleunigung, schafft es der Beitrag vom DOK.fest München 2019 sich von anderen Genrebeiträgen abzuheben oder zumindest eine Gegendarstellung der heutigen Schnelllebigkeit zu erreichen. Anders als beispielsweise Godfrey Reggio, der mit Koyaanisqatsi ein Werk erschuf, das sich konkret auf die schnelllebige Zeit, in der wir uns befinden, fokussiert, schafft Vögele genau das Gegenteil. Closing Times zeigt in der Hinsicht schön, dass (noch) nicht alles auf Schnelligkeit und Optimierung getrimmt ist, sondern dass Bescheidenheit und Gemütlichkeit – natürlich je nach Lebenslage – gern bewahrt werden. Veranschaulicht wird dies insbesondere durch das gemächliche Leben im Esslokal, verbunden mit der Einfachheit einer servierten Schüssel Reis oder Suppe.

Sehnsucht nach einer besseren Welt?
Was unklar bleibt, sind die Gedanken der Menschen, was eine tiefere Auseinandersetzung mit Vögeles Werk leicht erschwert. Sind sie zufrieden mit dem schlichten Leben? Haben sie Sehnsucht nach einem (noch) schöneren Leben? Das alles kann man nur schwerlich sagen. Im gleichen Zuge treffen diese Fragen aber auch einen persönlichen Nerv, was zum Nachdenken über das eigene Leben anregt. Bekräftigt wird dies durch vereinzelte Bilder, bei denen das Streben nach Friedfertigkeit und einer wechselhaften Harmonie zwischen Geist, Körper und Natur durchscheint. Die große Stärke von Closing Time liegt letztlich darin, dass er im Gegenteil zu den meisten Dokumentationen keine unmittelbaren Probleme dokumentiert, sondern sich fast mehr als Kunstfilm begreift und die Hektik und Gemächlichkeit der Gegenwart ästhetisch wunderschön kontrastiert.



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Das taiwanesische Taipeh ist eine 24-Stunden Stadt und kommt auch nachts nicht zur Ruhe. Wie aber kann man sich das Leben im nächtlichen Taipeh vorstellen? In "Closing Time" geht Nicole Vögele direkt dieser Frage nach und zeigt uns cineastische Bilder, wie es lange kein Film geschafft hat.