Kaffee mit Milch und Stress
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Kaffee mit Milch und Stress

(OT: „Mielensäpahoittaja“, Regie: Dome Karukoski, Finnland, 2014)

Kaffee mit Milch und Stress
„Kaffee mit Milch und Stress“ läuft ab 21. Dezember 2017 im Kino

Das hat dem Alten (Antti Litja) gerade noch gefehlt. Da macht man alles richtig in seinem Leben, kümmert sich um seine Frau (Petra Frey), baut ein Haus. Und dann stürzt er so doof, dass er anschließend zur Physiotherapie nach Helsinki muss. Was soll er denn dort? Okay, sein Sohn (Iikka Forss) lebt dort mit dessen Frau (Maria Perankoski). Einen Platz zum Schlafen hat er also. Dafür aber wenig Lust. Die Leute von heute machen sowieso alles falsch, haben die guten, alten Werte vergessen und legen sich dafür einen Haufen blöder technischer Geräte zu, die keiner braucht und keiner versteht.

Das skandinavische Kino steckt voller abgründiger Dramen, düsterer Thriller und alter Männer, die mit dem Leben in der Moderne nicht zurechtkommen. Den Eindruck konnte man zumindest zuletzt gewinnen. Nachdem die schwedische Bestsellerverfilmung Der Hundertjährige, der aus dem Fenster stieg und verschwand respektable Ergebnisse an den Kinokassen erzielte und auch der norwegische Kollege Ein Mann namens Ove ein Hit war, dürfen dieses Mal die Finnen ran. Genauer wurde man bei der Suche nach Nachschub für das hiesige Publikum bei Kaffee mit Milch und Stress fündig. Die Adaption von Tuomas Kyrös Roman  stammt zwar schon aus dem Jahr 2014. Aber was macht das bei einem Protagonisten schon aus, der alles nach 1953 verteufelt?

Wie Feuer und Wasser
Der Humor des von Dome Karukoski (Tom of Finland) inszenierten Films besteht dann auch in erster Linie darin, dass der Alte herumläuft, alles und jeden anmeckert und seine kruden Theorien von sich gibt. Das ist manchmal ganz nett, insgesamt aber auch ein wenig belanglos. Der Welt ist es schließlich reichlich egal, wenn jemand einen altmodischen Kaffee will, stattdessen aber nur Kräutertee oder Espresso bekommt. Das hätte durchaus satirisches Potenzial gehabt, um einige der heutigen „Errungenschaften“ an den humoristischen Pranger zu stellen. Kaffee mit Milch und Stress ist aber keine Satire. Es gibt nicht mal die kleinen Absurditäten, welche die skandinavischen Kollegen sehenswert gemacht hat.

Am lustigsten ist es noch, wenn der griesgrämige Protagonist zusammen mit seiner Schwiegertochter unterwegs ist und sich à la Toni Erdmann ständig in deren Geschäfte einmischt. In einer Zeit, in der doch sehr auf politische Korrektheit geachtet wird, ist es geradezu erfrischend dreist, wie hier alte Ressentiments und Ansichten gepflegt werden. Ein Mann muss Häuser bauen können und Geld verdienen, die Frau bleibt daheim und kümmert sich um die Kinder, mit Russen sollte man grundsätzlich keine Geschäfte machen. Dass der Alte damit nicht weiter kommt, jedem das Leben versaut – sein eigenes eingeschlossen –, hat erstaunlich wenig Auswirkungen. Etwas dazulernen? In seinem Alter? Nee, lass mal.

Lerneffekt? Bescheiden …
Das unterscheidet den Film dann auch von Ein Mann namens Ove oder amerikanischen Seelenverwandten wie St. Vincent, in der grantige alte Menschen in Wahrheit ein gutes Herz haben. Sie können es nur nicht zeigen. Auch wenn hier später dramatischere Richtungen eingeschlagen werden, es geht hier ausnahmsweise mal nicht um eine Läuterung. Was die Tragikomödie stattdessen will, erschließt sich aber nicht so ganz. Um wirklich Anteilnahme an den Figuren zeigen zu können, sind diese zu dünn angelegt, haben nicht einmal einen Namen. Der Humor selbst trägt ebenfalls keine vollen anderthalb Stunden. Ein paar Momente sind dabei, für die man sich die finnische Produktion anschauen kann. Es wäre aber auch kein wahnsinnig großer Verlust gewesen, wenn dieser skandinavische Alte zu Hause oder im Jahr 1953 geblieben wäre.



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Und schon wieder ein alter skandinavischer Griesgram. „Kaffee mit Milch und Stress“ hat aber weder den skurril-absurden Humor der Konkurrenz, noch geht er vergleichbar zu Herzen. Stattdessen fällt er in erster Linie dadurch auf, dass politisch wenig korrekt überholte Weltansichten an der Realität scheiterten – und Letztere an dem Mann verzweifelt.
5
von 10