Tanta Agua – Nichts als Regen

Tanta Agua – Nichts als Regen

(„Tanta Agua“ directed by Ana Guevara Pose and Leticia Jorge Romero, 2013)

Tanta Agua – Nichts als Regen„Wann wird’s mal wieder richtig Sommer?“

Auch wenn wir in den letzten Jahren doch immer mal wieder reichlich Anlass hatten, über das fehlende Sommersonnenwetter zu meckern, die letzten zwei Wochen ließen nur wenig Grund zur Klage. Da hat Alberto (Néstor Guzzini) doch deutlich weniger Glück. Seitdem er und seine Frau geschieden sind, sieht er seine beiden Kinder Lucía (Malú Chouza) und Federico (Joaquín Castiglioni) kaum noch. Ein gemeinsamer Kurzurlaub in eine Ferienanlage soll die drei wieder etwas enger zusammenschweißen. Das tut es auch, jedoch mehr als ihnen lieb ist. Egal ob der Besuch im Pool, Ausflüge oder Bespaßungen durch Animateure, alles fällt ins Wasser. Denn es regnet. Und regnet. Und regnet. Da die Ferienwohnung auch noch kleiner ist als gedacht und kein Fernseher für Ablenkung sorgt, hat die Familie bald viel Gelegenheit, sich gegenseitig so richtig auf die Nerven zu gehen.

Wer sich an seine eigenen Familienurlaube zurückerinnert, weiß wie furchtbar die sein können. Und so kommt einem hier vieles doch auch sehr bekannt vor. Das kann man wenig originell finden oder eben authentisch. Tatsächlich packen die beiden uruguayischen Regisseurinnen Ana Guevara Pose und Leticia Jorge Romero viele alltagstaugliche Szenen in ihren kleinen Film, die zu jeder Zeit glaubhaft und nachvollziehbar bleiben. Und das ohne viele Worte zu gebrauchen. Wenn wir zum Beispiel sehen, wie Alberto selbstverständlich das Bad betritt, während Lucía auf der Toilette sitzt, ist auch ohne Reaktion der Tochter klar, dass da jemand nicht das größte Feingefühl hat.Tanta Agua – Nichts als Regen Szene 1

Mag sein, dass es auch die mangelnde Erfahrung ist: Beim unfreiwillig beengten Zusammenleben bleibt immer das Gefühl, dass sich hier drei Fremde gegenüberstehen, die nicht so recht wissen, was sie miteinander anfangen sollen. Dabei ist Alberto sichtlich bemüht, pflegt den kleinen Traum des idyllischen Familienurlaubs, scheitert aber regelmäßig am Desinteresse seiner Kinder. So sehr man manchmal bei seinen unbeholfenen Annäherungsversuchen auch die Hände über dem Kopf zusammenschlagen will, ein bisschen Mitleid entwickelt man deshalb schon für den Vater. Schließlich sind seine Absichten gut, das steht völlig außer Frage, aber doch zu sehr von idealisierten Postkartenmotiven bestimmt. Gerade bei Lucía fehlen ihm das Verständnis und der Einblick, was denn da tatsächlich vor sich geht in dem mürrischen Mädchen mit der Zahnspange.

Die ist dann auch die eigentliche Hauptfigur des Films. Ist Tanta Agua – Nichts als Regen über lange Zeit ein reines Porträt über eine nicht ganz so funktionierende Familie, verschiebt sich der Fokus später auf die 14-Jährige und ihre natürlich nicht erwiderte Schwärmerei für den Jungen Diego (Andrés Zunini). Auch hier verzichtet das Regie-/Drehbuchduo auf unnötiges Drama, aufgesetzte tragische Momente oder schwülstige Dialoge. Wozu auch etwas in Sprache ausdrücken, wenn durch verstohlene Blicke bereits alles gesagt ist? Etwas schade ist es schon, dass die Familiendynamik später zugunsten eines Coming-of-Age-Dramas beiseite geschoben wird, noch bevor wir da etwas erreicht haben. Da hier jedoch die gleichen Stärken gelten wie in der ersten Hälfte, bleibt der Film aus Uruguay auch dann noch sehenswert. Nicht mehr ganz Kind, aber eben auch noch kein richtiger Teenager, erzählt der Film von dem Herumschlingern an der Grenze zur Pubertät.Tanta Agua – Nichts als Regen Szene 2

Nur wer es gerne etwas expliziter und dramatischer mag, wird nicht glücklich werden. Die tendenzielle Ereignislosigkeit und die sparsamen Dialoge geben dem Film etwas Beiläufiges, als hätte jemand vergessen, die Familienkamera auszuschalten. Das ist zwangsweise wenig aufregend und noch weniger massentauglich, weshalb Tanta Agua – Nichts als Regen auch erst gar nicht übersetzt wurde, sondern nur mit Untertiteln versehen auf den deutschen Markt kommt. Wessen Herz jedoch gerade für die kleinen, authentischen Alltagsgeschichten schlägt, findet hier ein schönes und absolut glaubwürdig gespieltes Beispiel, mit dem man sich nicht nur Regentage gut vertreiben kann.

Tanta Agua – Nichts als Regen ist seit 20. Juni auf DVD erhältlich



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Vor dem Hintergrund eines verregneten Urlaubs ist Tanta Agua – Nichts als Regen ein wunderbar authentischer Film über eine entfremdete Familie und ein Mädchen auf dem Weg zur Pubertät. Aufgrund der tendenziellen Ereignislosigkeit und der sparsamen Dialoge ist das Coming-of-Age-Drama aus Uruguay gleichzeitig jedoch etwas spröde.
7
von 10