Bis das Blut gefriert

Bis das Blut gefriert

(„The Haunting“ directed by Robert Wise, 1963)

Bis das Blut gefriert„Hier ist weit und breit keine Menschenseele. Niemand wird da sein, wenn Sie Hilfe brauchen. In der Nacht. In der Dunkelheit.“

Einladend sind diese Begrüßungsworte von Mrs. Dudley sicher nicht. Jeder normale Mensch würde an dieser Stelle vermutlich schleunigst die Flucht ergreifen. Nur kann man die labile Eleanor Lance (Julie Harris) nicht wirklich als normal bezeichnen, und auf der Flucht ist sie schon längst. Elf Jahre lang hat sie sich um ihre invalide Mutter gekümmert, bis zu ihrem Tod. Ein eigenes Leben hat sie nie gehabt; immer unter der Fuchtel der alten Frau konnte sie kaum das Zimmer verlassen und tröstete sich mit dem Gedanken, dass irgendwann andere Zeiten auf sie warten würden. Ein Ereignis, das nur ihr, Eleanor Lance passieren würde. Und das ihr gehören würde.

Und genau das scheint auch der Fall zu sein, als sie einen Brief von Dr. John Markway (Richard Johnson) erhält, der sie nach Hill House einlädt. Ein altes Herrenhaus in Neuengland, abgelegen, mit einer düsteren Vergangenheit. Und ein böses Haus, so böse wie der Mann, der es vor 90 Jahren erbaut hatte: Hugh Crain. Mehrere Menschen sind in Hill House im Laufe der Zeit unter mysteriösen Umständen ums Leben gekommen, hatten Unfälle, fielen Treppen hinunter oder begingen gleich Selbstmord. Zufall oder doch Ausdruck von übernatürlichen Kräften? Genau das versucht Markway herauszufinden und startet mit Eleanor, der psychisch begabten Theodora (Claire Bloom) und Luke Sanderson (Russ Tamblyn), dem zukünftigen Besitzer des Anwesens, ein Experiment. Und das Haus scheint seinem Wunsch nachzukommen, die ersten unerklärlichen Ereignisse lassen nicht lange auf sich warten.Bis das Blut gefriert Szene 1

Vor fast genau 50 Jahren kam Bis das Blut gefriert in die Kinos und gilt heute als einer der großen Klassiker des Horrorgenres, obwohl – oder gerade weil – der Film es vermeidet, je explizit zu werden. Sichtbar ist von dem Spuk fast gar nichts, die meiste Zeit über bleibt es bei Andeutungen. Unheimliche Geräusche, Poltern, Temperaturschwankungen, unerklärte Schriftzüge, sich selbständig schließende und öffnende Türen – mehr brauchte Regisseur Robert Wise seinerzeit nicht, um sein Publikum in Angst und Schrecken zu versetzen. Das geht so weit, dass bis zum Schluss nie wirklich klar wird, ob die Ereignisse überhaupt real oder doch nur Einbildung sind.

Das liegt vor allem daran, dass Hauptfigur Eleanor, durch die Erfahrungen mit ihrer sterbenden Mutter zutiefst traumatisiert, selbst diese Grenzen nicht mehr ziehen kann. Im Laufe des Films erliegt sie immer mehr dem Bann des Hauses und verliebt sich in den Gedanken, dass Hill House sie will. Und nur sie. Tatsächlich war Drehbuchautor Nelson Gidding, der im Auftrag von Wise den Roman „The Haunting of Hill House“ von Shirley Jackson adaptierte, der Ansicht, es handelte sich bei der Vorlage überhaupt nicht um eine Geschichte über Geister, sondern die einer psychisch gestörten Frau. Ansonsten recht werkgetreu gehalten, wurde bei der Verfilmung daher der klar übernatürliche Teil reduziert.Bis das Blut gefriert Szene 2

Und so musste Wise andere Methoden finden, um Horror zu erzeugen. Das erreicht er durch die verstörende Geräuschkulisse, aber auch, indem er durch geschickte Einstellungen und Schnitte jegliche räumliche oder zeitliche Orientierung verhindert. Auf diese Weise gehen nicht nur die vier Protagonisten, sondern auch der Zuschauer in dem Gemäuer unweigerlich verloren. Außenaufnahmen sind ebenfalls selten, entsprechende Passagen aus dem Buch wurden gestrichen. Hinzu kommen rasante Schnitte, ständig wechselnde Perspektiven und eigenwillige Bewegungen der Kamera, die einen nie zur Ruhe kommen lassen.

„Richtige“ Spezialeffekte sind im Gegensatz zum recht freien Remake von 1999 (Das Geisterschloss) hingegen eher die Ausnahme. Horrorfans von heute könnten daher ihre Probleme haben, einen Zugang zum Schwarzweißfilm zu finden. Wer es gewohnt ist, dass einem alles gezeigt und irgendwie erklärt wird, dürfte eine Inszenierung seltsam finden, vielleicht sogar langweilig, die genau das Explizite vermeidet. Wer hingegen schon immer der Ansicht war, dass Spannung und Furcht nicht durch Gewalt, Blut oder Monster ausgelöst wird, sondern durch das Ungewisse und den eigenen Kopf, der sollte spätestens den BD-Release zum Anlass nehmen, einmal das labyrinthartige Hill House zu erkunden und das Böse zu entdecken. Oder eben vielleicht auch nicht.

„Die Wände sind gerade, die Ziegelsteine lückenlos, die Böden fest und die Türen gut verschlossen. Stille liegt über dem Holz und den Steinen von Hill House. Und was dort umgeht, geht alleine um.“

Bis das Blut gefriert ist seit 25. Oktober auf Blu-ray erhältlich



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Auch 50 Jahre später zeigt der Horrorklassiker, dass das Genre keine Effekte, Blut oder Gewalt braucht, um Spannung zu erzeugen. Frei nach dem Motto, dass Furcht durch das Unbekannte und Unsichtbare ausgelöst wird, verzichtet "Bis das Blut" gefriert fast völlig auf das Explizite. Zuschauer von heute könnten damit Probleme haben, an Atmosphäre hat die Romanverfilmung aber bis heute nicht eingebüßt.
8
von 10