Brubaker

Brubaker

(„Brubaker“, directed by Stuart Rosenberg, 1980)

1967 inszenierte Regisseur Stuart Rosenberg mit Cool Hand Luke sein Meisterstück. Auf das Gebiet des Gefängnisfilms kam er 13 Jahre später zurück. Diesmal nicht mit Paul Newman als Gefangenen, sondern mit Robert Redford als neuen Gefängnisdirektor, der für Reformen sorgen will. Erwartungsgemäß ist Brubaker kein derartiges Meisterwerk der Filmgeschichte geworden wie Cool Hand Luke, kann aber insgesamt noch empfohlen werden. Redford spielt Henry Brubacker, der eines Tages als Gefangener in das Wakefield-Gefängnis transportiert wird. Dort werden die Insassen nicht nur als Sklaven missbraucht, sondern auch zwielichtige, halblegale Geschäfte erledigt. Ein paar Tage später gibt sich der neue Gefangene Brubacker als neuer Gefängnisdirektor zu erkennen, der von seinem Vorgänger als Letztes zu hören bekommt: „Das Klügste, was Sie machen konnten, war, sich als Gefangener auszugeben. Das Dümmste war, diese Maske fallen zu lassen“.

Brubaker merkt schnell, dass an diesem Satz etwas Wahres dran ist, denn die wenigsten Insassen befürworten die Neuerungen, die er als Direktor einführen will. Die ärgsten Splitter in seiner Haut sind jedoch all jene (Geschäfts)leute, die von der alten Führung profitierten, wie etwa der Holzverarbeiter C.P. Woodward (M. Emmet Walsh), der einen Handel mit dem ehemaligen Direktor hatte und sich daran erfreuen konnte, dass ihm die Verurteilten als Sklaven bei der Arbeit zur Hand gehen konnten. Gegenwind erhält Brubaker jedoch auch vom Senator und dem Gefängnisrat, welche die Reformen des Revoluzzers ablehnen und am liebsten verhindern möchten. Doch der unbändige Direktor gibt so schnell nicht auf, muss dafür aber auch so manch bittere Pille schlucken.

Die ersten Szenen überzeugen vollkommen, sind filmisch brillant gestaltet, weil das Konzept hervorragend funktioniert. Robert Redford kommt als Gefangener nach Wakefield, er ist nur ein Gesicht von vielen. Der Zuschauer weiß so viel von ihm wie über alle anderen Gefangenen auch, nämlich gar nichts., Man weiß nicht, warum sie alle sitzen, man weiß nur das, was die Gefangenen selber sehen, man kennt ihre Gefühle nicht und möchte am liebsten wegschauen von den Folterungen, die vom Personal durchgeführt werden. Sobald Brubacker die Führung übernimmt, entblättern sich die Gefangenen und vollführen einen Seelenstriptease. Der Zuschauer erfährt, warum sie sitzen und was in ihrem Seelenleben vor sich geht – Brubacker hat als Direktor sein erstes Ziel erreicht und die Menschlichkeit eingeführt.

Es ist daher umso bedauerlicher, dass dieser menschliche Aspekt im Verlaufe der Handlung immer mehr verloren geht. Man erhält kaum noch die Chance, in die Psyche der Charaktere einzutauchen, so wie’s in den besten Szenen des Films der Fall war. Stattdessen observiert man die alte Geschichte des ewigen Revoluzzers, der mit seinen Idealen und Plänen gegen alle möglichen Wände rennt, sich aber nicht aufhalten lässt. Nur selten gewinnt der Streifen diese Stärke zurück, so etwa in einer Szene, als der soeben gewählte Gefangenenrat an einem Telefonat Brubakers merkt, wie unsicher dieser ist, wie abhängig von anderen und was für Schwächen dieser Mann hat, die er sich nie anmerken lassen wollte.

Brubaker ist jedoch auch weit davon entfernt, ein schlechter Film zu sein, dafür macht Robert Redford als querköpfiger, eigenwilliger Direktor einfach zu viel Spaß. Auch wenn man psychologisch nicht sehr in die Tiefe geht und diesen Aspekt vernachlässigt, weiß zumindest die (oberflächliche) Handlung über weite Strecken – trotz der großzügigen Laufzeit von 130 Minuten – gut zu unterhalten. Rosenberg ist hier sanftmütiger als manch andere Regisseure von Gefängnisfilmen – auf drastische Folterszenen wird hier verzichtet. Doch nichtsdestotrotz offeriert Rosenberg dem Zuschauer einige schockierende Szenen, die deshalb berühren, weil sie die Personen betreffen, die man als Zuschauer im anfänglichen Seelenstriptease kennen gelernt hat. Hätte man dies weiter verfolgt, hätte der Film sicher an noch mehr Spannung gewonnen.

Brubaker ist ein mit Abstrichen empfehlenswerter Gefängnisfilm mit einem gut besetzten Robert Redford als sehr vielschichtiger und interessanter Charakter, einem durchweg sehr gelungenem Auftakt und spannendem Finale – alles auf tatsächlichen Begebenheiten beruhend. Bedauerlich, dass Rosenberg zu nachgiebig war, was die Darstellung des Innenlebens der Personen betrifft, so hätte der Film viel gewinnen können, hätte man auch weiterhin mehr auf die psychologische Ebene geachtet. Keiner der besten Gefängnisfilme (man greife zu Die Verurteilten oder Flucht von Alcatraz), aber überdurchschnittliche Unterhaltung.



(Anzeige)

7
von 10