(„Jeremiah Johnson“, directed by Sydney Pollack, 1972)
“His name was Jeremiah Johnson, and they say he wanted to be a mountain man. The story goes that he was a man of proper wit and adventurous spirit, suited to the mountains. Nobody knows whereabouts he come from and don’t seem to matter much.”
Wer Robert Redford als Jeremiah Johnson dabei zuschaut, um sein Überleben in der Wildnis zu kämpfen, kommt nicht umhin, diesen Mann sympathisch zu finden. Die Besetzung des Publikumslieblings Redford trägt dazu bei, unabhängig davon, ob die Figur, die der Geschichte zugrunde liegt, nun ebenfalls ein netter Kerl war oder nicht. Es spricht einiges dagegen. Die Figur des Jeremiah basiert auf der von John Johnston, einem Trapper, der dafür berüchtigt war, die Lebern von den Indianern, die er getötet hat, aus deren Körpern zu schneiden, um sie anschließend zu essen. Der Hintergrund dieses Tötens von „Rothäuten“ war Rache, die Johnston geschworen hatte, da er davon überzeugt war, Schwarzfuß-Indianer hätten seine Frau umgebracht.
Anders als im Film dargestellt, fand er seine Ehefrau jedoch erst Monate nach dem Verbrechen. Abgesehen von diesen Änderungen, die man an der dem Film zugrunde liegenden Geschichte vornahm, ist interessant anzumerken, dass ursprünglich Sam Peckinpah den Western inszenieren sollte – mit Clint Eastwood in der Hauptrolle des nach Rache durstenden Trappers, dem der Zuschauer seine dunklen, nachtragenden Seite Robert Redford schlicht nur schwer abnehmen kann. Denn Redford war immer besser darin, die emotionalen Schwächen eines Mannes auf liebenswerte Art darstellen zu können, wenn er sich hier zwar äußerlich als harter Westernheld präsentiert, gleichzeitig innerlich aber auch sehr verletzlich und liebesbedürftig ist, was einen anfangs daran zweifeln lässt, ob er wirklich geeignet ist für das harte Leben in der Wildnis, wie es der Sprecher aus dem Off klarmacht.
Dabei kennen wir nicht einmal den Grund, warum sich Jeremiah Johnson dazu entschlossen hat, von nun an ein Leben in Einsamkeit zu fristen – mitten in den Rocky Mountains, fernab jeglicher Zivilisation. Ist es eine Art der Selbstfindung, die er zu erreichen wünscht oder will er einfach nur den Problemen des zivilisierten Lebens entkommen? Falls er sich letzteres wünscht, wird er bald enttäuscht werden, denn der Trapper muss feststellen, dass er auch in der Wildnis nicht die Rücksichtslosigkeit an den Tag legen kann, wie er es sich vielleicht erwünscht hat, denn dort warten genau die Probleme auf ihn, vor denen er wahrscheinlich aus den großen Städten geflüchtet ist. Dass seine Überlebenschancen auch nicht besonders gut stehen, muss er ebenfalls bald feststellen und er verdankt es lediglich einem gutmütigen Eremiten (ein großartiger Will Geer in einer großartigen Rolle), dass er nicht in der kältesten Zeit des Jahres verhungert. Nicht nur, dass ihm der Eremit etwas zu essen gibt und eine Möglichkeit, sich aufzuwärmen – er bringt ihm außerdem alles bei, was man für das Überleben in der Wildnis wissen muss. Gerüstet mit allen Tricks zieht Jeremiah Johnson weiter und seine Reise entwickelt sich bald zu einer Odyssee durch das Wunderland, denn die Rocky Mountains sind nicht ganz so verlassen, wie er gehofft hatte.
Bald begegnet er einer Frau mittleren Alters, die mit ihren toten Kindern spricht – in der festen Überzeugung, diese wären noch am Leben. Aus Mitleid nimmt er sich des einzig ihr noch gebliebenes Kindes an, dass er Caleb (Josh Albee) nennt und das während ihr ganzen langen Reise kein einziges Wort spricht. Bald finden sie gemeinsam den im Sand von Indianer eingebuddelten Abenteurer Del Gue (Stefan Gierasch), dem sie helfen, sich aus seiner misslichen Lage zu befreien. Zu dritt gelangen sie schließlich in das Dorf freundlich gesinnter Indianer, von denen der Häuptling Jeremiah seine Tochter „Schwan“ (Delle Bolton) schenkt. Nur wenige Minuten später findet eine Hochzeit statt, die Jeremiah, aus Angst den Häuptling zu kränken, nicht ablehnt. Gemeinsam mit seinem Adoptivsohn, der nicht spricht und seiner neuen Frau, die seine Sprache nicht beherrscht, versucht Jeremiah, sich ein neues Leben aufzubauen, dessen Idylle jäh gestört wird, als amerikanische Soldaten vor seinem Haus auftauchen und ihn um Hilfe bitten. Eine fatale Mission beginnt.
Was von Sydney Pollack anfangs mit einem verschmitzten Augenzwinkern geschildert wird, beginnt bald, immer düstere Dimensionen anzunehmen. Die Reise durch das Wunderland entwickelt sich mit der Mission der amerikanischen Soldaten zu einer Mission in die Hölle und ab diesem Zeitpunkt beginnt Jeremiah Johnson, der unter Regie von Sam Peckinpah zweifellos wesentlich blutiger ausgefallen wäre, an Tempo und Kraft zu verlieren. Pollack verirrt sich und weiß nicht mehr, wann er seine Geschichte zu Ende bringen soll, so verstreicht Chance um Chance und bei jedem Ende einer Szene meint man, endlich die Bekanntmachung „The End“ erspähen zu können. Doch Pollack treibt seinen Lieblingsdarsteller Redford immer weiter ins Unglück und fügt ihm somit immer mehr Verletzungen zu. Das Beste an diesem Western sind dabei nicht die Kampfsequenzen, sondern die melodramatische Ebene, die der Regisseur in Form einer ungewöhnlichen Romanze hinzufügt.
Die Liebesgeschichte dreht sich um Johnson und seine indianische Frau, die sehr langsam beginnen, sich anzunähern – und dies nach der Hochzeit. Jeremiah Johnson muss feststellen, dass er um die Liebe und vor allem den Respekt dieser Frau kämpfen muss und dass nichts von alleine geschieht, wie er es gehofft hatte, indem er sich als tapferer Krieger aufspielt oder aufgrund seines zivilisierten Hintergrundes. In dieser Wildnis gibt es keine Zivilisation und es gibt auch keinen Unterschied, ob man zivilisiert ist oder nicht. Komplett ohne Dialoge lässt Pollack sich das Ehepaar immer weiter annähern und entfaltet auf diese Art eine zwischenmenschliche Wärme, die der größte Pluspunkt dieses größtenteils recht unterhaltsamen Films. Hier – mitten in der Wildnis und fernab der zivilisierten Welt – muss der einsame Trapper für sein Ansehen kämpfen – und es tut ihm gut, er genießt es und in seinem stillen Inneren weiß er auch, dass es so richtig ist. Jeremiah Johnson ist zu lang und Redford als erbarmungsloser Rächer die falsche Besetzung. Doch Pollack weiß, wie er seine Darsteller anfassen muss und triumphiert in dieser Hinsicht.
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