In der Tierdokumentation Für die Wildnis geboren sehen wir zu, wie eine Reihe von Tierbabys, von Elefanten über Pinguine bis zu Luchsen, in Aufzuchtstationen von Menschen auf ein Leben in der Wildnis vorbereitet werden. Das ist nicht einfach, da die Tiere oft einen eigenen Kopf haben und sich vieles nicht planen lässt. Doch der Einsatz für diese bedrohten Tierarten lohnt sich. Wir haben zum Start am 19. Dezember 2025 auf Apple TV+ mit Showrunner und Producer Tom Payne gesprochen. Im Interview spricht er über das Konzept der Doku, die Suche nach den passenden Tieren und Dreharbeiten, die sich nicht planen lassen.
Könntest du uns etwas über die Entstehungsgeschichte von Für die Wildnis geboren verraten? Wie kam es zu dieser Serie?
Wir haben 2020/2021 das erste Mal über die Idee gesprochen. Lucy van Beek hatte die Idee und war damit zu Apple gegangen. Wir wollten eine Serie zum Thema Artenschutz drehen, die hoffnungsvoll ist. Oft sind solche Serien deprimierend und eher trocken. Wir wollten das Publikum lieber ermuntern und inspirieren. Sie sollen auch stärker figurenbezogen sein, damit die Menschen eine Vorstellung bekommen, was möglich ist und was sie auch selbst erreichen können. Danach haben wir rund sechs Monate geschaut, wie realistisch dieser Pitch eigentlich ist und haben nach den passenden Leuten gesucht, weil es auch um die Menschen gehen soll, die diese unglaublichen Projekte machen. Und natürlich haben wir auch nach den passenden Tieren gesucht, damit die Auswahl abwechslungsreich ist.
Warum habt ihr euch am Ende für diese Tierarten entschieden? Was waren die Kriterien? Es muss da ja Hunderte bedrohter Arten gegeben haben, aus denen Ihr aussuchen konntet.
Zwei Tiere waren schon bei dem Pitch dabei: der Elefant und der Iberische Luchs. Wir brauchten also noch vier. Es war uns wichtig, dass die Serie einen globalen Aspekt hat, und haben deshalb versucht, so viele Länder und Kontinente wie möglich einzubauen. Und auch möglichst viele verschiedene Landschaften, damit sich jede Episode anders anfühlt. Wir wollten außerdem eine Mischung aus Tieren, die die meisten kennen, wie Elefanten und Geparde, und solchen, die weniger bekannt sind und eine Stimme gebrauchen können, weil sie nicht immer in den Schlagzeilen stehen. Wichtig war es, Tiere zu finden, mit denen sich das Publikum identifizieren kann. Unser Ziel war es, Geschichten um Tiere und die Menschen zu erzählen, die sich um sie kümmern und die eine Verbindung zu den Tieren aufbauen. Wie bei einem Buddy Movie. Und natürlich sollte am Ende der gemeinsamen Reise das Tier in die Wildnis entlassen werden. Denn darum geht es in der Serie. Also brauchten wir Tiere, wo der gesamte Prozess sich innerhalb der Zeitspanne von drei Jahren abspielen konnte. Wir wollten ursprünglich auch etwas über Pandas machen. Aber die Projekte sind zu langwierig, deswegen ging das nicht.
Du hast gesagt, dass der menschliche Aspekt wichtig war. Wie sah das dann konkret aus? Habt ihr euch Tiere überlegt und dann nach Projekten gesucht oder habt ihr anhand der Projekte die Tiere entschieden?
Tatsächlich war es beides ein wenig. Wichtiger war aber die Mischung der Tiere. Davon ausgehend haben wir uns mit den Teams getroffen und mit allen gesprochen, die irgendwie in Frage kamen, vor die Kamera zu treten und uns durch das Projekt zu führen. Wir haben uns dann für diejenigen entschieden, die ein besonderes Mitgefühl transportieren konnten und die ein besonderes Band zu dem Tier hatten. Denn das sind schon eine Art Liebesgeschichte, die wir erzählen. Wie Eltern, die ihre Kinder aufziehen und darauf vorbereiten, in der Welt da draußen zu bestehen. Das sind schon bittersüße Momente, wenn sie sich am Ende von den Tieren verabschieden, so wie Eltern, die sich verabschieden müssen, wenn das Kind auf die Universität geht. Diese Mischung aus Stolz und Trauer, wenn du jemanden gehen lassen musst, das ist etwas, womit sich ganz viele identifizieren können. Insofern war das immer etwas, das wir bei der Wahl berücksichtigt haben. Die Tiere waren zwar wichtiger. Aber sie waren nicht alles.
Bei Tieren ist es so, dass sie nun einmal keine Schauspieler sind und ihr Verhalten sich nicht planen lässt. Gab es Szenen, die ihr drehen wolltet, aber so nicht konntet, weil das Tier einfach nicht mitspielen wollte?
Ganz viele. (lacht) Letzen Endes erzählen wir in Für die Wildnis geboren nicht unsere Geschichte. Wir waren nur da, um sie zu dokumentieren. Wir konnten deshalb nichts vorausplanen. Am Ende waren es immer die Tiere, die bestimmt haben, in welche Richtung sich die Geschichte bewegt. Beim Kragenbären durften wir zum Beispiel nur zwei Stunden am Tag dabei sein, damit er sich nicht zu sehr an uns gewöhnt. Wir mussten aus dieser Zeitspanne daher das Maximum herausholen. Wir haben dann zwar schon auf bestimmte Szenen gehofft. Aber der Bär war so eigensinnig, dass er etwas komplett anderes gemacht hat. Unser Team musste daher sehr flexibel sein und sich danach anpassen, was das Tier an dem Tag getan hat. Da muss es hunderte von Sachen gegeben haben, die nicht geklappt haben. Dafür hast du aber völlig zufällige Momente, die dann auch oft die aufregendsten und lehrreichsten waren.
Du hast vorhin gesagt, dass ihr die Menschen inspirieren und für die gefährdeten Tiere gewinnen wolltet. Aber schauen sich solche Dokumentationen nicht vor allem Leute an, die sowieso schon interessiert sind? Wie erreicht man Leute, die eben kein solches Interesse vorher haben?
Das ist eine sehr gute Frage. Natürlich ist es schwierig, Leute anzusprechen, die das gar nicht anschauen wollen. Was wir versucht haben, war etwas zu produzieren, das sich alle gemeinsam anschauen können, von jung bis alt. Gerade jetzt zu Weihnachten ist das ideal. Wir wollten, dass sich die Großmutter in den 80ern mit Kindern, die vier oder fünf sind, Für die Wildnis geboren zusammen anschauen können. Die Geschichten sollten so sein, dass jeder sie anschauen kann und etwas darin für sich findet. Unsere Serie sollte keine typische Naturdokumentation sein, wie sie etwa David Attenborough dreht, sondern stärker geschichtenbezogen sein, damit wir über die typische Zielgruppe solcher Dokumentationen hinausgehen.
Kommen wir noch zu deiner Rolle als Showrunner in der Serie. Im fiktionalen Bereich sind Showrunner immer auch mitverantwortlich für die große Geschichte, die erzählt wird. Aber wie funktioniert das bei einer Dokumentation, wo ihr eben keine Geschichte planen könnt?
Meine Jobbezeichnung ist Showrunner und Serienproduzent. Meine Aufgabe war es, den Teams – wir hatten drei Teams, jedes machte also zwei Episoden – klarzumachen, was wir uns von der Serie erhoffen. Aber auch darauf zu achten, dass alles sicher ist und unsere Pläne realistisch sind. Dass wir genügend Zeit zur Verfügung stellen, dass das auch alles dokumentiert werden kann. Oder auch, dass wir genug Leute hatten. Es ging also eher darum, eine Geschichte anzustoßen, anstatt sie zu schreiben, und das meiste aus dem Potenzial herauszuholen. Wir wussten zum Beispiel, dass der Moment auf jeden Fall gefilmt werden muss, wenn die Tiere in die Wildnis entlassen werden. Also haben wir uns vorher Gedanken darüber gemacht, wie wir das filmen können, damit das auch visuell wirkt. Denn diesen Moment gibt es nur einmal. Wenn du den verpasst oder nicht richtig festhältst, dann war es das. Eine zweite Chance gibt es nicht.
Letzte Frage: Da die Tiere so unterschiedlich sind, welches ist dein Favorit?
Das ist eine wirklich schwierige Frage. Ich liebe sie alle und hatte das Glück, bei vier der sechs Drehs auch wirklich vor Ort sein zu dürfen. Einen Favoriten habe ich nicht. Aber ich glaube, mein Herz schlägt für den kleinen Bären. Das war die schwierigste Geschichte aus dokumentarischer Sicht, weil wir da so wenig planen konnten. Wir wussten nicht einmal, ob der Bär jemals so weit sein würde, dass er zurück in die Wildnis kann. Er war lange einfach zu wild, um die Lektionen zu lernen, die er brauchte für ein eigenständiges Leben. Da er keine Mutter hatte, die ihm das zeigen konnte, wusste er nicht, wie er sich als Bär verhalten muss. Deswegen war das wirklich eine „wird er es schaffen?“ Geschichte und für uns alles so emotional, dass ich mich für den Rest meines Lebens daran erinnern werde.
Vielen Dank für das Interview!
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