
Als die Leiche des sechsjährigen Isaiah Christiansen neben dem Wohnhaus gefunden wird, scheint der Fall klar zu sein: Der Junge hat auf dem Dach gespielt und muss dabei auf tragische Weise ausgerutscht und in den Tod gestürzt sein. Seine Nachbarin Smilla Jasperson (Julia Ormond), die angefangen hatte, mit ihm Freundschaft zu schließen, ist aber skeptisch. Nicht nur, dass Isaiah eigentlich Höhenangst hat, weshalb sie sich nicht vorstellen kann, dass er freiwillig da oben spielen sollte. Auch die Spuren im Schnee irritieren die arbeitslose Wissenschaftlerin und Eispezialistin. Denn die lassen darauf schließen, dass er auf den Rand hingerannt ist, so als sei er auf der Flucht gewesen. Aber wovor? Smilla ist fest entschlossen, dies herauszufinden, und erhält dabei durch einen weiteren Nachbarn (Gabriel Byrne) …
Vielversprechender Anfang
Als Fräulein Smillas Gespür für Schnee 1997 herauskam, waren die Erwartungen groß. Nicht nur, dass es sich um die Verfilmung des gleichnamigen Romans von Peter Høeg handelte, der fünf Jahre zuvor veröffentlicht wurde. Es wurde auch für eine europäische Coproduktion richtig viel Geld investiert. 35 Millionen US-Dollar kostete das Werk, eine Summe, die unter anderem in die bekannte internationale Besetzung investiert wurde. So groß waren die Erwartungen, dass der Thriller sogar als Eröffnungsfilm für die Berlinale auserwählt wurde. Doch auch wenn der Film hierzulande ein gutes Kinoergebnis erreichte, insgesamt war die Adaption ein kommerzieller Flop. Die Kritiken waren auch nicht berauschend, siedelten sich irgendwo im Mittelfeld an.
Dabei ist der Einstieg ziemlich vielversprechend. Das eisige Setting sorgt für viel Atmosphäre, wenn wir durch den Schnee stapfen. Die Anfangssituation ist schön mysteriös. Dass der Junge nicht durch einen Unfall gestorben ist, das ist klar. Aber was genau wollte er auf dem Dach? Und warum scheint niemand aufklären zu wollen, was da passiert ist? Das könnte damit zusammenhängen, dass der Junge ein Inuk war. Dadurch käme eine gesellschaftliche Komponente hinzu, verbunden mit einer Auseinandersetzung mit Kolonialismus. Und auch die Hauptfigur ist spannend. Fräulein Smillas Gespür für Schnee hat da mit der kriselnden Wissenschaftlerin, die nur schwer mit anderen Menschen kann, ein echtes Alleinstellungsmerkmal – eine gute Mischung aus Genrestandard und Eigenwillen.
Dämliches Ende
Doch der positive Ersteindruck wird sich nicht bis zum Schluss bewahrheiten. Schon bei den Ermittlungen machen sich erste Schwächen bemerkbar. So richtig nachvollziehbar sind die einzelnen Schritte dann nicht, da wird es schon etwas willkürlich. Doch das ist nichts im Vergleich zu dem, was danach kommt. Je weiter die Geschichte voranschreitet, umso absurder wird das Geschehen. Zwar gibt Fräulein Smillas Gespür für Schnee schon früh einen Hinweis darauf, in welche Richtung sich das bewegen könnte. Dass das Ergebnis aber derartig grotesk ausfällt, durfte man dann doch nicht erwarten. Das muss man erst einmal schaffen, die Thriller von Dan Brown vergleichsweise plausibel erscheinen zu lassen.
Damit einher geht ein größerer Actionanteil. Das ist zwar prinzipiell nicht verkehrt. Nur bleiben dabei die Figuren auf der Strecke: Gab man sich zu Beginn noch Mühe, diese Menschen vorzustellen und die Situation zu erläutern, werden sie dann zu einer Wegwerfware, für die sich niemand interessiert. Und warum eine Wissenschaftlerin eine Actionheldin sein soll, erschließt sich auch nicht. Die anfängliche dichte Atmosphäre weicht auf diese Weise einem dümmlichen Spektakel, bei dem auch das talentierte Ensemble nichts mehr reißen kann. Das muss einen nicht stören, macht Fräulein Smillas Gespür für Schnee aber zu einem unausgegorenen und frustrierenden Werk, das man trotz guter Elemente nicht gesehen haben muss.
OT: „Smilla’s Sense of Snow“
Land: Dänemark, Deutschland, Schweden
Jahr: 1997
Regie: Bille August
Drehbuch: Ann Biderman
Vorlage: Peter Høeg
Musik: Harry Gregson-Williams, Hans Zimmer
Kamera: Jörgen Persson
Besetzung: Julia Ormond, Gabriel Byrne, Richard Harris, Robert Loggia, Jürgen Vogel
Amazon (DVD „Fräulein Smillas Gespür für Schnee“)
Bei diesen Links handelt es sich um sogenannte Affiliate-Links. Bei einem Kauf über diesen Link erhalten wir eine Provision, ohne dass für euch Mehrkosten entstehen. Auf diese Weise könnt ihr unsere Seite unterstützen.
(Anzeige)





