Ulf Ekberg und Jenny Berggren

Ulf Ekberg [Interview]

Ulf Ekberg ist ein schwedischer Produzent, Musiker und Songwriter. Zusammen mit den Geschwistern Malin, Jenny und Jonas Berggren gründete er zu Beginn des Jahres 1987 die Band Ace of Base. Zu Beginn der 1990er hatte die Band ihre ersten Erfolge mit Singles wie Wheel of Fortune und Happy Nation. Ihr Song All That She Wants legte jedoch den Grundstein für ihren internationalen Erfolg, der in Ländern wie Dänemark begann und schließlich Israel, Japan, Deutschland und auch die Vereinigten Staaten erreichte. Dort brachte Ace of Base ihr Album erneut heraus, erweiterte es aber um den Song The Sign, der ebenfalls in vielen internationalen Charts zu finden war. Der rasche Erfolg brachte nicht nur Positives mit sich, denn schon bald zeigten sich Risse innerhalb der Band, als sich Malin Berggren mehr und mehr zurückzog. Bis heute ist Ace of Base eine der erfolgreichsten Bands aus Schweden neben Roxette und ABBA. Gemeinsam mit Jonas Berggren und anderen Produzenten ist Ulf Ekberg nach wie vor als Produzent in seiner Heimat Schweden tätig. Darüber hinaus ist er Gründer des Surin Relief Fund, der Überlebende des Tsunamis in Thailand unterstützt.

Mit Ace of Base: All That She Wants erscheint am 24. November 2025 eine dreiteilige Dokumentation auf Viaplay über die bekannte Band und ihren Aufstieg. Neben bekanntem Material sind es vor allem viele bislang unveröffentlichte Aufnahmen Ekbergs, die Filmemacher und Journalist Jens von Reis für seine Dokumentation nutzt. Anlässlich der Ausstrahlung von Ace of Base: All That She Wants spricht Ulf Ekberg über die Dreharbeiten, seine Erfahrungen mit dem schnellen Ruhm und den Mythos Ace of Base.

Als du die fertige Version von Ace of Base: All That She Wants zum ersten Mal gesehen hast – was war deine erste Reaktion oder dein erstes Gefühl?

Besonders berührt hat mich Marlins Brief. Ich kannte nur einen Teil des Inhalts, doch in der Dokumentation sahen wir zum ersten Mal den Gesamttext. Auf der einen Seite bin ich froh, dass sie zumindest in irgendeiner Form an der Dokumentation mitarbeitete, doch auf der anderen Seite habe ich mich gewundert, dass sie sich in dem Brief nicht einmal direkt an die Fans von Ace of Base gerichtet hat. Stattdessen wendet sie sich an ihre Geschwister, die sie tagtäglich sieht. Dennoch bin ich froh, dass wir alle Teil von Ace of Base: All That She Wants sind. Jens und sein Team haben eine wirklich tolle Dokumentation gemacht. Es war sicherlich nicht einfach, diese Fülle an Material in drei Stunden zu packen, aber irgendwie haben sie es hinbekommen. Natürlich vermisse ich die ein oder andere Episode, wenn ich mir den fertigen Film ansehe, aber man darf ja auch den Zuschauer nicht aus dem Blick verlieren. Vieles, was für mich interessant ist, mag für einen Außenstehenden eher uninteressant sein.

Wie war es, deine Jugend durch die Perspektive eines anderen Menschen – in diesem Fall die von Regisseur von Jens von Reis – zu sehen?

Ich unterscheide für mich zwischen Ulf Ekberg in Ace of Base und dem Menschen außerhalb oder nach der Band. Du kannst dir sicher vorstellen, dass viele Menschen mich immer wieder nach der Band fragen. Sie verbinden viele schöne Erinnerungen mit Ace of Base und fragen mich nach Songs, deren Hintergründen oder nach bestimmten Episoden in unserer Karriere. Um ihnen zu antworten, muss ich mich stets in meine Zwanziger zurückversetzen. Manchmal sehe ich Clips auf YouTube oder TikTok, in denen ich als 23- oder 25-Jähriger auftrete. Es ist nicht so, dass mir diese Aufnahmen fremd wären, denn es ist immer wieder interessant, mental in diese Zeit zurückzukehren.

Meine Kinder sind 21, 19 und 18. Sie sind in demselben Alter, als Jonas und ich begannen, ins Studio zu gehen und den Grundstein für Ace of Base legten. Trotz aller Widrigkeiten haben wir etwas auf die Beine gestellt, an das sich viele Menschen gerne zurückerinnern. Wir waren furchtlos und vielleicht etwas naiv, aber das musst du sein, wenn du so jung bist. Wenn ich heute im Studio bin, versuche ich, mir dieses Gefühl zu vergegenwärtigen, denn mit dem Alter wird man abgeklärter und erfahrener. Das kann aber auch eine Einschränkung sein.

Für die Dokumentation hast du Regisseur Jens von Reis eine Fülle an Material zur Verfügung gestellt, wobei vieles sicherlich sehr persönlicher Natur ist. Wie kam es zu der Kollaboration mit ihm und zu diesem enormen Vertrauen in ihn?

Jens und ich kennen uns schon sehr lange. Wir leben beide in Stockholm, und er hat mich und die anderen Mitglieder von Ace of Base schon viele Male interviewt. Im Gegensatz zu vielen seiner Kollegen unterstützte er uns vom ersten Tag an – oder zumindest arbeitete er nicht gegen uns. (lacht) Deswegen hatten wir ein gewisses Vertrauen in ihn. Über die Jahre las ich sehr viele seiner Texte und schaute mir seine anderen Dokumentationen an. Jens ist es wichtig, die richtige Perspektive zu einem Thema, einer Person oder einer Band zu finden, doch er sucht nicht nach Skandalen.

Wir haben einige gemeinsame Freunde, und über diese bat mich Jens um ein Treffen. Er erklärte mir sein Projekt und fragte mich dann, ob ich noch Filmmaterial oder andere Aufnahmen aus der Zeit hätte. Zu seinem Glück hatte ich all meine Aufnahmen aus dieser Zeit bereits vor Jahren digitalisiert, weil mir bewusst war, dass es wahrscheinlich bald keine passenden Abspielgeräte mehr geben würde. Durch Zufall hatte ich einen Sammler solcher Maschinen ausfindig machen können, der mir bei der Digitalisierung zur Seite stand.

Das Kuriose ist, dass ich mir nichts von dem Material je angeschaut hatte. Während der ganzen Zeit bei Ace of Base hatte ich fast immer eine Kamera dabei und nahm uns in unterschiedlichen Situationen auf – im Studio, vor Presseterminen oder vor einem Konzert. Als Ace of Base eine Pause einlegte, war ich an einem Punkt in meinem Leben, an dem ich für eine Weile nichts mehr mit der Musikindustrie zu tun haben wollte. Deshalb schaute ich mir auch keine der Aufnahmen je an. Später in meinem Leben fehlte mir einfach die Zeit dazu.

Ich wusste also nicht genau, was ich Jens gab, als ich ihm die ganzen Aufnahmen anvertraute. Er sah sich alles an und erklärte mir, ich hätte ihm eine wahre Goldgrube gegeben. Er erklärte weiter, dass er das Material dazu nutzen wolle, die Geschichte von Ace of Base zu erzählen, wobei er alle möglichen Perspektiven miteinbeziehen wolle. Diese Transparenz war auch uns als Band sehr wichtig. Aufgrund des Vertrauens, das wir in Jens hatten, war es selbstverständlich, dass er den Final Cut machen sollte. Wenn wir als Band darauf Einfluss gehabt hätten, wäre das nicht gut gewesen. Ace of Base: All That She Wants ist die ultimative Dokumentation über uns als Band. Ich denke nicht, dass es ein solches Projekt noch einmal geben wird. Natürlich hätte ich mir gewünscht, die ein oder andere Episode hätte es in eine der drei Episoden geschafft, aber dann wären es bestimmt zehn Episoden geworden.

Wie hat die Musikindustrie der 1990er-Jahre zu deinem Verständnis von Ruhm und Erfolg beigetragen? Inwiefern nimmt die Dokumentation Bezug darauf, wie diese Aspekte heutzutage zustande kommen?

Das ist für mich schwierig zu vergleichen. In den 1990ern folgten uns natürlich Paparazzi, und es gab auch die Skandalpresse, aber das ist kein Vergleich zu heute. Jeder hat heute eine Kamera bei sich, ist ein Blogger, ein Influencer oder ein Content Creator. Dieses konstante Scheinwerferlicht übt einen enormen Druck aus, und wenn du dem nicht standhalten kannst, solltest du dir gut überlegen, ob du diese Art von Öffentlichkeit suchen willst. Hinzu kommen noch Deepfakes, Fakenews und Künstliche Intelligenz, mit deren Hilfe man Nachrichten, Gerüchte oder Bilder von Prominenten in wenigen Klicks erstellen kann.

Ich bin eigentlich sehr froh darüber, dass ich den Ruhm und den Erfolg mit Ace of Base in den 1990er-Jahren erleben durfte. Heutzutage wäre mir das einfach zu stressig – jeden Tag neuen Content für die Fans zu kreieren, konstant kreativ zu sein und dazu noch deine Social-Media-Präsenz zu pflegen. Natürlich hat ein populärer Künstler mehr Einfluss als einer in den 1990ern, aber der Lärm, der ihn umgibt, ist einfach unerträglich und bestimmt sehr erdrückend. Wenn du in den 1990er-Jahren im Radio gespielt wurdest und einen Plattendeal hattest, hattest du nicht die Konkurrenz, wie sie Bands und Künstler heute haben. Heute besteht die Herausforderung vor allem darin, bei all dem Lärm erfolgreich zu bleiben.

Als ich Ace of Base: All That She Wants schaute, hatte ich ab einer gewissen Stelle den Eindruck, dass es gar nicht mehr um die Musik ging, sondern eher um den Mythos Ace of Base, der die Medien faszinierte. Wie hast du das erlebt?

Wir hatten das Glück, dass wir etwas Zeit hatten, in die Rolle der Superstars zu schlüpfen. Anfang der 1990er hatten wir mit All That She Wants, Happy Nation und Wheel of Fortune drei Hits in Dänemark und etwa zur gleichen Zeit in Norwegen. Wir gingen in beiden Ländern auf Tour, spielten Konzerte und begingen Anfängerfehler, aus denen wir lernen konnten. Die Norweger und Dänen vergaben uns diese Fehler – ironischerweise machten diese Fehltritte uns noch beliebter bei ihnen.

Danach kam der internationale Ruhm. Mit denselben Songs wurden wir binnen weniger Wochen in Deutschland, Großbritannien, Südamerika, den USA und in Japan bekannt und landeten dort in den Charts. Das war auch der Beginn einer Tour, die ungefähr zweieinhalb Jahre dauerte. Wir gaben keine Ahnung, wie viele Interviews, sodass es sich nach einer Zeit wie Fließbandarbeit anfühlte. Ich kann dir gar nicht sagen, wie oft ich nach den Parallelen zwischen Ace of Base und ABBA gefragt worden bin.

Das bizarrste Erlebnis, an das ich mich erinnere, war in Japan. Uns wurden abermals dieselben Fragen gestellt, aber der Rahmen dieser Interviews war manchmal irritierend. Nicht nur, dass Frage und Antwort immer durch einen Übersetzer gefiltert wurden – neben dir standen dann noch beispielsweise Sumo-Ringer in voller Montur.

Hört sich an wie eine Szene aus Lost in Translation.

Genau. In einem solchen Moment fragst du dich, wo denn nun die Musik bleibt – deswegen bist du doch eigentlich hier. Als wir dann nach Europa zurückkamen, ging es wieder etwas mehr um die Musik. Wir waren bei Top of the Pops, gingen auf Tour in Deutschland und den USA und gaben Interviews, in denen man sich mehr auf die Musik fokussierte.

Aber es gab diese Momente, in denen wir uns angesehen haben und uns fragten, was wir hier eigentlich machen. Natürlich hat diese Erschöpfung auch etwas mit der schieren Anzahl an Interviews zu tun, aber manchmal sind es auch die Fragen. Neben der schon erwähnten ABBA-Frage erinnere ich mich noch an solche zu meiner Lieblingsfarbe oder wie es sich anfühlt, mit drei Geschwistern Musik zu machen. Ich verstand nie – und verstehe bis heute nicht – warum das Menschen interessiert und was es mit der Musik zu tun hat.

Ich hoffe, das heutige Interview war eine positive Ausnahme.

Auf jeden Fall. (lacht)

In der Dokumentation werden viele eurer bekannten Songs gespielt, aber auch solche, die es nicht in die Charts schafften oder die nicht denselben Erfolg hatten wie beispielsweise All That She Wants oder The Sign. Gibt es einen Ace of Base-Song, bei dem es dich überraschte, dass er nicht ein eben solcher Erfolg wurde – oder hast du einen Favoriten, von dem du denkst, dass er unter all euren Hits zu Unrecht etwas untergeht? Ich persönlich mag zum Beispiel euren Song Ravine sehr.

Das ist eine tolle Wahl. Ravine ist ein sehr starker Song. Auf unserem ersten Album gibt es den Song Waiting for Magic, der auch in der Dokumentation vorkommt. Der Song ist sehr fröhlich und einprägsam, wurde als Single aber nur in den nordischen Ländern herausgebracht und später als B-Seite in ein paar Ländern. Living in Danger ist auch ein toller Song. Bei den MTV Awards in Europa haben wir den Song live performt. Es war Mitte November, und es war sehr kalt, aber es war dennoch ein toller Auftritt, der, glaube ich, allen Mitgliedern von Ace of Base noch im Gedächtnis ist. Der Song wäre bestimmt auch sehr populär geworden, hätte man ihn mehr gepusht. Ich finde es aber schön, wenn jemand Ravine erwähnt. Das ist ein sehr schöner Song.

Vielen Dank für das tolle Gespräch.



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