In Your Dreams – Im Traum ist alles möglich erzählt die Geschichte der 12-jährigen Stevie und ihres jüngeren Bruders, die mitansehen müssen, wie die Ehe ihrer Eltern zu zerbrechen droht. Ein magisches Buch könnte jedoch das Unglück noch aufhalten. Denn durch dieses lernen sie, in ihren Träumen den Sandmann zu suchen, von dem es heißt, dass er jeden Traum wahr werden lassen kann. Aber das ist einfacher gesagt als getan, denn während dieser Suche müssen sie ein sonderbares Abenteuer nach dem anderen überstehen. Zum Start des Animationsabenteuers am 14. November 2025 auf Netflix haben wir uns mit Regisseur Alex Woo unterhalten. Im Interview sprechen wir über Träume, das Leben in einer Fantasiewelt und seine Erfahrungen, das erste Mal Regie zu führen.
Könntest du uns etwas über die Entstehungsgeschichte von In Your Dreams verraten? Wie bist du auf die Idee gekommen?
Als ich 2016 Pixar verlassen habe, um mit Freunden Kuku Studios zu gründen, haben wir Ideen für Filme und Serien gesammelt, die wir selbst gern sehen würden und von denen wir das Gefühl hatten, dass niemand sonst sie macht. Eine Idee davon war, einen Animationsfilm zu machen, der in der Welt der Träume spielt. Träume sind eine so universelle menschliche Erfahrung, die über alle kulturellen Grenzen hinausgehen. Wir alle träumen. Jeder Mensch, der einmal gelebt hat, hat auch geträumt. Und dabei wissen wir bis heute nicht genau, warum wir überhaupt träumen. Auf jeden Fall ist das ein sehr dankbares Thema für Mythologien und eben auch Geschichten. Aber auch ein schwieriges: Wenn eine Geschichte in einer Welt spielt, in der alles möglich ist, dann hat nichts eine wirkliche Bedeutung. Wir mussten also einen Weg finden, die reale Welt und die Traumwelt zu verbinden. Als wir auf die Idee gekommen sind, dass der Sandmann Träume wahrwerden lässt, hatten wir den Schlüssel gefunden, wie die Traumwelt unsere Welt beeinflusst.
Und wie seid ihr von dort aus auf die Geschichte um die Geschwister gekommen?
Wir wollten eine Geschichte, die sehr alltäglich ist, eine kleine und intime Geschichte. Zu dem Zweck habe ich mich von eigenen Erfahrungen inspirieren lassen. Als ich sechs oder sieben war, bin ich eines Morgens aufgewacht und habe gesehen, wie meine Mutter an der Eingangstür stand mit gepackten Koffern. Sie versuchte, mir und meinem Bruder beizubringen, dass sie für eine Weile fort sein würde. Meine Eltern hatten sehr jung geheiratet und sie war sehr jung, als sie uns bekommen hat. Deswegen brauchte sie Zeit für sich, um herauszufinden, was sie von ihrem Leben will und wie es weitergehen soll. Das war eine sehr schwierige Zeit für meinen Bruder und ich, denn wenn du ein Kind bist, willst du einfach nur, dass deine Familie zusammen ist. Daraus wurde die Grundgeschichte unseres Films. Ein Kind, das dafür kämpft, dass die Familie zusammenbleibt, da drückst du einfach die Daumen, dass es klappt. Und diese Geschichte haben wir dann mit der fantastischen Welt kombiniert.
Du hast eben erwähnt, dass wir immer noch nicht genau wissen, warum wir träumen. Hast du für dich selbst eine Erklärung gefunden, nachdem du dich so lang damit beschäftigt hast?
Wir haben tatsächlich viel zu dem Thema gelesen, während wir den Film gemacht haben. Der Konsens ist wohl, dass unser Gehirn auf diese Weise Informationen verarbeitet und auch Erinnerungen verknüpft. Deswegen handeln so viele unserer Träume von unseren Erlebnissen im Alltag: Du verarbeitest sie, durchlebst sie noch einmal und speicherst sie dann in deinem Gedächtnis ab. Wir versuchen auf diese Weise, einen Sinn in all dem zu finden, weil wir Menschen so sehr von Geschichten angetrieben werden. Wir versuchen immer, aus allem eine Geschichte zu machen. Das Gehirn will aus diesen ganzen Einzelinformationen eine zusammenhängende Geschichte machen, was dazu führt, dass unsere Träume manchmal überhaupt keinen Sinn ergeben. Wobei es natürlich auch verschiedene Arten von Träumen gibt. Du hast diese Träume, die den Alltag verarbeiten. Du hast aber auch wiederkehrende Träume, die wahrscheinlich dazu dienen sollen, dass du lernst, mit manchen Ereignissen umzugehen. Traumata zum Beispiel. Träume können aber auch inspirierend sein oder dir dabei helfen, bestimmte Probleme zu lösen. Ich weiß noch, wie ich ein Matheaufgabe nicht lösen konnte, als ich noch jung war, und ich ins Bett gegangen bin, weil ich so müde war. Mein Gehirn hat aber nachts weiter daran gearbeitet, und als ich morgens aufgewacht war, wusste ich die Lösung.
Und erinnerst du dich am nächsten Morgen an deine Träume? Ich erinnere mich nur, wenn sie besonders seltsam oder sehr schlimm waren …
Ich erinnere mich auch nur für ein Sekundenbruchteil. Wenn ich den Traum dann nicht gleich aufschreibe, habe ich ihn wieder vergessen, weil er so flüchtig ist. Das sind oft nur blasse Erinnerungen, die schnell verschwunden sind.
Hast du denn angefangen, diese Träume aufzuschreiben, als ihr mit dem Film begonnen habt?
Ja, habe ich. Tatsächlich haben wir zu Beginn an alle Crew-Mitglieder Traumtagebücher verteilt und sie gebeten, all die Träume aufzuschreiben, bei denen sie sich mit dem Gedanken wohl fühlten, sie mit anderen zu teilen. Viele davon haben es auch tatsächlich in den Film geschafft. Der Traum über die Nacktheit ist einer, den ich selbst seit Jahren immer wieder habe. Und aus irgendeinem Grund spielt er immer in einem Kaufhaus. Es hat schon etwas Ironisches, dass ich nackt bin, während ich von lauter Klamotten umgeben bin. Den Traum mit den ausfallenden Zähnen habe ich auch schon viel zu oft gehabt. Auch andere Traumszenen stammen von mir. Der Anime-Traum hingegen war nicht von mir, wobei ich ihn liebend gern selbst träumen würde. Ich fände es toll, einmal ein Anime-Charakter zu sein! Wir wollten, dass diese Träume so authentisch wie möglich sind, damit sich das Publikum darin wiederfinden kann, und haben deshalb versucht, möglichst nur solche Träume zu zeigen, die wir selbst hatten.
In eurem Film geht es nicht nur um die Träume, die wir passiv erleben, sondern auch solche, denen wir gezielt nachjagen. Das wird im Verlauf der Geschichte ambivalent. Normalerweise bekommen wir gesagt, dass es toll ist, wenn wir unseren Träumen folgen. Aber wo ziehst du die Linie zwischen einem positiven und gesunden Kampf für den eigenen Traum und einem, in dem du feststeckst und der dich nicht weiterkommen lässt?
Ich war immer fasziniert von dieser Dualität bei der Bedeutung von Träumen. Da sind die, die du nachts hast, aber eben auch die im metaphorischen Sinn, denen du nachjagst. Gerade in Amerika hast du so wahnsinnig viel Druck, diese Träume wahr werden zu lassen. Du hast recht, auf einem gewissen Level ist das etwas Positives und Gesundes, Ambitionen zu haben. Es kann dich aber auch vergiften, wenn du dich so sehr darauf konzentrierst, dass du alles andere vernachlässigst. Es ist schwer zu sagen, wo diese Grenze genau liegt. Aber es gibt sie auf jeden Fall und sie ist wahrscheinlich für jeden woanders. Wenn Bereiche in deinem Leben auseinanderfallen, dann solltest du auf jeden Fall innehalten und dich fragen, ob es das wirklich wert ist. Alpträume können dabei hilfreich sein. Sie haben einen schlechten Ruf. Dabei haben sie mir oft dabei geholfen, etwas über mich selbst zu lernen und auch zu merken, wenn etwas nicht so läuft, wie es sollte. Deswegen war es mir wichtig, diese Konzepte auch etwas in Frage zu stellen. Ich will nicht sagen, dass Träume schlecht sind und Alpträume ausschließlich gut. Aber es ist weniger schwarz-weiß, als viele Menschen glauben.
An einer Stelle eures Films erhält die Protagonistin die Wahl, ihren Traum zu leben, muss dafür aber die Realität aufgeben. Das ist ein Motiv, das es auch in anderen Filmen immer wieder gibt. Was ist falsch daran, in einer Fantasie zu leben, wenn dich das glücklich macht?
Ich glaube nicht, dass der Sinn des Lebens darin besteht, glücklich zu sein. Natürlich ist es gut, glücklich zu sein. Aber ich glaube, dass das nur ein Nebenprodukt ist, während du etwas suchst, das eine sehr viel größere Bedeutung hat. Dich nur auf dieses oberflächliche Glück zu konzentrieren, bei dem ganz viel Dopamin ausgeschüttet wird, ist für mich nur Eskapismus. Und was Stevie macht in dem Film, da ist viel Eskapismus dabei. Hin und wieder ist das natürlich nicht verkehrt, wenn du alles für einen Moment hinter dir lässt. Filme sind oft Eskapismus. Aber das kann nicht dein reales Leben sein. Darin sehe ich keinen Sinn. In Your Dreams soll auch etwas vor den diesem perfekten Leben warnen, wie sie es gerade in sozialen Medien immer wieder zeigen. Du bist in den sozialen Medien so sehr damit beschäftigt, eine digitale Version von dir selbst zu erschaffen, dass du oft das reale, menschliche Erleben vernachlässigst. In einer Fantasie zu leben und nicht mehr zu sehen, was wirklich um dich herum geschieht, kann sehr gefährlich sein.
Du hast während deiner Zeit bei Pixar an vielen Animationsfilmen gearbeitet. In Your Dreams ist aber der erste, bei dem du selbst Regie geführt hast. Wie war das für dich?
Für mich war es die logische Fortsetzung von dem, was ich zuvor schon getan hatte. Als Story Artist war ich gut darauf vorbereitet, weil die Hauptaufgabe eines Regisseurs ist, eine Geschichte zu erzählen. Alles, was wir für den Film tun, jeder einzelne Aspekt, dient dazu, eine Geschichte zu erzählen. Als Story Artist hilfst du dem Regisseur dabei. Natürlich musste ich dabei jede Menge lernen. Worauf ich nicht vorbereitet war, wie sehr ich andere anführen musste. Und das bedeutet in erster Linie Kommunikation. Als Story Artist wird dir gesagt, was du tun sollst, und du arbeitest dann für dich an dieser Sequenz. Manchmal arbeitest du auch mit anderen Leuten aus deinem Team. Die meiste Zeit musst du aber nur mit dir selbst kommunizieren. Als Regisseur musst du deine Vision anderen erklären. Ich kommuniziere gern über Bilder, ich zeichne gern und bin auch gut darin. Und auch wenn ich jetzt nicht schlecht darin bin, verbal zu kommunizieren, ist das nicht meine Stärke. Ich musste das erst lernen. Was für mich auch ganz neu ist, sind solche Interviews. Ein Freund sagte zu mir, als ich mit dem Film fertig war: „Gratuliere, du hast jetzt die Hälfte geschafft.“ Als ich ihn fragte, was er damit meint, sagte er, dass die eine Hälfte darin besteht, einen Film zu machen, die andere darin, ihn zu verkaufen. Darauf war ich nicht vorbereitet. Aber es gefällt mir, mich mit anderen darüber zu unterhalten und sie wirklich Interesse daran haben.
Vielen Dank für das Interview!
(Anzeige)

