
Mit Songs for Joy – Der Film zur Musik legt Regisseur Jan Becker ein ebenso lebendiges wie berührendes Porträt eines außergewöhnlichen Theaterprojekts vor, das Kunst, Gemeinschaft und gesellschaftliche Teilhabe miteinander verbindet. Ausgangspunkt ist das gleichnamige Projekt, das 2006 am Berliner Maxim Gorki Theater durch Carsten “Erobique” Meyer und Jacques Palminger ins Leben gerufen wurde. Damals riefen die Musiker die Berliner Bevölkerung auf, eigene Texte und Gedichte einzusenden, die sie anschließend vertonten – ein partizipatives Konzept, das sowohl das Publikum als auch die Kunstschaffenden selbst inspirierte. Mehr als 15 Jahre nach der letzten Auflage feierten Meyer und Palminger gemeinsam mit Dramaturg Ludwig Haugk eine Neuauflage dieses Formats – diesmal am Deutschen Schauspielhaus in Hamburg und mit einem besonderen Fokus auf den Stadtteil Veddel.
Soziale Klangräume
Die Wahl der Veddel als Schauplatz verleiht dem Projekt eine politische und soziale Tiefe, die weit über eine bloße Wiederholung des Berliner Erfolgs hinausgeht. Der industriell geprägte Stadtteil, geprägt von Migration, Arbeitslosigkeit und einer engen Gemeinschaft, ist seit Jahren ein Symbol für die Herausforderungen urbaner Integration. Hier, wo das Deutsche Schauspielhaus mit seiner Außenstelle in der Immanuelkirche seit 2013 im Rahmen des Projekts New Hamburg künstlerische Brücken baut, entfaltet Songs for Joy eine besondere Kraft. Das Theater wird zum Resonanzraum für Stimmen, die sonst selten Gehör finden – und Beckers Film gelingt es, diesen vielstimmigen Chor aus Emotion, Witz und Lebenswirklichkeit sensibel einzufangen.
Becker stieß erst kurz vor Beginn der Proben zum Projekt hinzu – eine spontane Entscheidung, die sich im besten Sinne auf den Film überträgt. Gemeinsam mit Kameramann Ralf Mendle entschied er sich für einen dokumentarischen Ansatz, der Nähe und Unmittelbarkeit vor Inszenierung stellt. Die Kamera beobachtet, begleitet, atmet mit den Beteiligten. Dabei entsteht ein filmischer Rhythmus, der sich an der Musik orientiert – mal improvisiert, mal komponiert, immer im Fluss. Songs for Joy – Der Film zur Musik zeigt den Entstehungsprozess nicht als lineare Erzählung, sondern als pulsierende Collage aus Begegnungen, Probenmomenten und spontanen Eingebungen, in der die Grenzen zwischen Kunst und Leben immer wieder verschwimmen.
Kunst als verbindende Kraft
In der zweiten Hälfte verwandelt sich der Film zunehmend in einen Konzertfilm – ein mitreißendes Finale, das die Energie der Gala im ausverkauften Deutschen Schauspielhaus spürbar macht. Beckers Entscheidung, mit Splitscreens und rhythmischen Montagen zu arbeiten, bringt die Dynamik des Live-Erlebnisses auf die Leinwand, ohne sie zu imitieren. Statt bloßer Abbildung entsteht ein filmisches Echo jener Freude, die auf der Bühne entfacht wurde. Der Zuschauer wird zum Teil der Performance, spürt die Begeisterung der Musiker, der Laien und des Publikums gleichermaßen. Dass dabei professionelle Schauspieler, Kinderchöre und Hobbytexter nebeneinander bestehen, ohne dass hierarchische Grenzen spürbar würden, ist eine der größten Stärken des Films und des gesamten Projekts.
Songs for Joy – Der Film zur Musik ist daher weit mehr als die Dokumentation eines gelungenen Theaterprojekts. Es ist ein Plädoyer für Kunst als verbindende Kraft – für die Fähigkeit, Menschen über soziale, kulturelle und sprachliche Grenzen hinweg zusammenzuführen. Becker zeigt, dass Kunst dann am lebendigsten ist, wenn sie dorthin geht, wo sie gebraucht wird, statt darauf zu warten, dass das Publikum zu ihr findet. Damit knüpft der Film an eine humanistische Theatertradition an, die Kunst als gesellschaftlichen Auftrag versteht, ohne sich in didaktischem Gestus zu verlieren.
OT: „Songs for Joy – Der Film zur Musik“
Land: Deutschland
Jahr: 2025
Regie: Jan Becker
Kamera: Ralf Mendle
Musik: Carsten “Erobique” Meyer, Jacques Palminger, Peta Devlin, Chris Dietermann
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