Noch lange keine Lipizzaner

„Noch lange keine Lipizzaner“ // Deutschland-Start: 2. Oktober 2025 (Kino)

Inhalt / Kritik

Es ist ein Vorwurf, der bei der Migrationsdebatte immer wieder aufkommt: „die“ wollen sich ja gar nicht integrieren, sondern ihre fremde Kultur etablieren. Das mag sicher für Teile der Einwandernden gelten. Aber es gibt auch die Kehrseite der Medaille: Menschen, die in einem Land angenommen werden wollen, aber auf lauter Hindernisse stoßen. Noch lange keine Lipizzaner spricht von diesen, wenn wir eine Reise nach Österreich antreten und erfahren, wie schwierig es ist, in dem Land die Staatsbürgerschaft zu erlangen. Den Anfang nimmt der Dokumentarfilm dabei in einem persönlichen Schicksal. So ist die Regisseurin Olga Kosanović zwar in Österreich geboren und aufgewachsen, ihre Eltern sind aber Serben, weshalb sie selbst als Serbin gilt. Und eben das wollte sie ändern und offiziell Österreicherin werden. Das klappte aber nicht, was sie zu einer kleinen Berühmtheit machte.

Spott über den Wahnsinn

Nun könnte man meinen, dass jemand, der sein Leben lang in einem Land verbracht hat, irgendwann auch dessen Staatsbürgerschaft bekommt. Dem war aber nicht so, weil sie im Laufe der Jahre zu oft im Ausland war, etwas zum Studium in Deutschland. Klingt komisch? Ist es auch. Glücklicherweise konnte Kosanović die Angelegenheit zumindest mit genügend Humor nehmen, um sich darüber lustig zu machen. Und das ist nicht der einzige Punkt, den sie in Noch lange keine Lipizzaner spöttisch begleitet. Das zeigt sich beispielsweise in den nicht-dokumentarischen Szenen. Da wird etwa ein eigens für den Film konzipiertes Brettspiel gezeigt, welches anhand von Ereigniskarten das wiederholte Scheitern thematisiert.

Hinzu kommen gespielte Passagen, die etwa in einer Behörde oder einer Gamingshow stattfinden. Da wird die Zugehörigkeit zu Österreich schon mal daran festgemacht, ob man Kaffee und Kuchen mag. Schließlich sind beides essenzielle Bestandteile der österreichischen Identität – zumindest wenn es nach den Klischees geht. Noch lange keine Lipizzaner ist jedoch keine reine Albernheit. Tatsächlich wird die Frage, was es eigentlich bedeutet, österreichisch zu sein, durchaus auch ernsthaft angegangen. Zu dem Zweck blickt der Film auf die Historie des Landes und erklärt, wie sich die Bevölkerung im Laufe der Zeit zusammengesetzt hat. Es wird aber auch mit anderen Menschen gesprochen.

Zwischen Privatem und Wissenschaftlichem

Tatsächlich gibt es eine ganze Menge von Interviews. Kosanović setzt dabei auf einen Mix aus Expertenstimmen und Menschen, die selbst auf die eine oder andere Weise privat mit dem Thema zu tun haben, etwa weil sie selbst eine Staatsbürgerschaft beantragt haben oder sich irgendwie mit der Fremdenfeindlichkeit in dem Land auseinandersetzen müssen. Inhaltlich geht es dabei zuweilen drunter und drüber, wenn Noch lange keine Lipizzaner die unterschiedlichsten Themen anschneidet. So bunt die einzelnen Szenen sind, so bunt ist dann auch der Inhalt. Wobei die diversen Exkurse natürlich schon zusammenpassen und sie alle Teil der großen Frage sind, die sich Kosanović zu Beginn ihrer Reise gestellt hat. Die behördliche Zurückweisung lässt sie über ihre Identität nachdenken, die persönliche wie offizielle.

Da gibt es schon den einen oder anderen Denkanstoß, den das Publikum für sich mitnehmen kann – selbst wenn dessen Lage eine komplett andere sein sollte. Schließlich werden weltweit in vielen Ländern ähnliche Fragen gestellt, wie sich in einer sich verändernden Gesellschaft noch festgelegt werden kann, was dieses Land eigentlich ausmacht. Man kann sich den Dokumentarfilm, der beim Filmfestival Max Ophüls Preis 2025 zu sehen war, aber auch nur der Information und Unterhaltung wegen anschauen. Beides ist in Noch lange keine Lipizzaner reichlich vorhanden. Wer das notwendige Interesse für die Thematik mitbringt und sich einigermaßen offen zeigt, kann hier auf jeden Fall einiges finden.

Credits

OT: „Noch lange keine Lipizzaner“
Land: Österreich
Jahr: 2025
Regie: Olga Kosanović
Musik: Kyrre Kvam
Kamera: Rupert Kasper

Bilder

Trailer

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Noch lange keine Lipizzaner
fazit
„Noch lange keine Lipizzaner“ beleuchtet die schwierige Einbürgerung in Österreich, nimmt das aber als Anlass, um allgemein über Identität zu sprechen. Das ist informativ, aber auch unterhaltsam, weil die selbst betroffene Regisseurin das alles mit Humor nimmt. Man muss jedoch in Kauf nehmen, dass der Dokumentarfilm wild umherspringt.
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