
Nach ihrem Schulabschluss zieht die junge Rita Seidel (Renate Blume) in die Stadt. Dort landet sie zunächst als Mitarbeiterin in einem Chemiebetrieb und wenig später an einem Lehrerfortbildungsinstitut, um einmal selbst Lehrerin zu werden. Eines Tages lernt sie Manfred (Eberhard Esche) kennen, einen Ingenieur, dessen Vater ebenfalls in dem Chemiebetrieb arbeitet, in dem Rita beschäftigt ist. Die beiden werden – gegen den Widerstand von Manfreds Eltern – zu einem Paar und ziehen bald in eine gemeinsame Wohnung. Während Rita die Auseinandersetzungen und Intrigen zwischen ihren Kollegen im Betrieb zu schaffen machen, frustriert Manfred der Starrsinn des Systems, das ihn sein eigens entwickeltes technisches Verfahren nicht verkaufen lässt. Als Rita dann durch ihre Ausbildung beginnt, sich mehr mit dem politischen System der DDR auseinanderzusetzen, kommt es zunehmend zu Konflikten mit Manfred, der seinerseits pessimistisch in die Zukunft blickt.
Ankommen im Leben
Konrad Wolf gehört zu den bedeutendsten Regisseuren der DEFA. In vielen seiner Filme setzt sich Wolf mit Figuren auseinander, die – wie er es in Interviews beschrieben hat – erst im Leben ankommen müssen. Gregor Hecker in Ich war neunzehn oder Goya in Goya – oder der arge Weg der Erkenntnis werden von Idealen angetrieben und versuchen, diese mit einer oftmals grauen Realität in Einklang zu bringen. Hierbei interessiert ihn die Psyche der Figuren und wie sie mit diesem Konflikt umgehen, ob sie einen Weg finden oder daran zugrunde gehen, was ihm immer wieder Probleme mit dem politischen System der DDR einbrachte. So auch bei der Verfilmung von Christa Wolfs Roman Der geteilte Himmel, dessen nachdenklicher und skeptischer Ton nicht unbedingt gern gesehen war. Heutzutage ist Der geteilte Himmel das Psychogramm eines jungen Menschen, der nicht nur um seine Ideale kämpft, sondern auch droht, an diesem Konflikt zugrunde zu gehen. Der Film ist zudem ein schonungslos ehrlicher Blick auf den Generationenkonflikt nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs.
Das Ankommen im Leben ist in Konrad Wolfs Film wie auch in Christa Wolfs Roman eine Konfrontation mit einer oftmals harschen Wirklichkeit. Der Film übernimmt die Rahmenhandlung der Vorlage, in der davon die Rede ist, dass Rita wegen eines Nervenzusammenbruchs in einem Sanatorium behandelt wird. Über Rückblenden wird dann nach und nach die Geschichte der jungen Frau erzählt und warum sie letztlich eine psychische Krise hatte. Der non-lineare, zersplitterte Aufbau der Handlung spiegelt die angeschlagene mentale Verfassung der Hauptfigur wider. Der Fokus liegt auf einigen wichtigen Episoden oder Augenblicken, deren Bedeutung sich für den Zuschauer erst später erschließt, wobei auch die Sprache Christa Wolfs größtenteils beibehalten wird. Bereits durch die narrative Form deutet Wolf auf das Fehlen einer großen sinnstiftenden Erzählung hin, denn Ritas Zusammenbruch markiert die Stunde null für die junge Frau. Auf den Zuschauer wirkt diese Erzählweise verwirrend und provokant, doch sie ist ein Echo einer inneren Zerrissenheit – so, als wäre ein Stück der eigenen Identität verschwunden oder zerstört worden.
Übergenug vom Stoff Leben
Neben der sehr oft bitteren Realität gibt es in Konrad Wolfs Film jedoch noch einen Gegenpol. Die von Renate Blume gespielte Rita spricht davon, das Gefühl „übergenug“ vom Leben zu haben und definiert ihr Leben entsprechend. Die Beziehung zu Manfred entwickelt sich schnell, und trotz der immer offensichtlicher werdenden Differenzen zwischen den beiden ist ihre Liebe ungetrübt und erinnert bisweilen an die intensiven Romanzen der Nouvelle Vague. Ritas Begegnungen – beispielsweise mit einem ihrer Kollegen, der von den anderen Arbeitern angefeindet wird, oder mit Manfreds Vater, der sich mit dem Abzeichen der SED so schmückt wie einst mit dem Abzeichen einer anderen Partei – sind erste Stationen einer langsamen Entfremdung und Desillusionierung. Die Dramaturgie von Wolfs Film zeichnet sich dadurch aus, dass man mit dem Idealismus der Heldin sympathisiert und immer weiter ihre sich bereits anbahnende Krise erlebt. Im Grunde zeigt Der geteilte Himmel das psychische Profil einer Teilung, die man – wie in einem antiken Drama – noch hätte verhindern können.
Abgesehen von der bereits erwähnten Erzählweise zeichnet sich Der geteilte Himmel durch seine präzise, vielschichtige Bildsprache aus. Die Bilder Werner Bergmanns sowie die Montage Evelyn Carows lesen sich wie eine Vorausdeutung auf die Entwicklung der Heldin, aber zugleich wie die Landschaft eines Systems, dessen Ideale ebenso zur Disposition stehen wie Ritas eigene. Das System wirkt mehr und mehr schizophren und orientierungslos, während sich gleichzeitig Mechanismen entwickeln, von denen man sich eigentlich distanzieren wollte.
OT: „Der geteilte Himmel“
Land: DDR
Jahr: 1964
Regie: Konrad Wolf
Drehbuch: Konrad Wolf, Angel Wagenstein
Vorlage: Christa Wolf
Musik: Hans-Dieter Hosalla
Kamera: Werner Bergmann
Besetzung: Renate Blume, Eberhard Esche, Hildegard Alex, Hans Hardt-Hardtloff, Gerry Wolff, Martin Flörchinger, Ursula Staack
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