Basierend auf der Buchreihe Die Grimm Akten von Michael Buckley erzählt Die Schwestern Grimm von zwei Schwestern, deren Eltern spurlos verschwunden sind und die deshalb bei ihrer Großmutter leben sollen. Dabei stellen sie fest, dass sie einer besonderen Familie entstammen, deren Aufgabe es ist, über die aus Märchen bekannten Fabelwesen zu wachen. Während die jüngere Daphne Feuer und Flamme ist, tut sich ihre ältere Schwester Sabrina schwer damit, daran zu glauben, selbst als Riesen umherwandeln. Zum Start der Animationsserie auf Apple TV+ am 3. Oktober 2025 haben wir uns mit Showrunnerin Amy Higgins unterhalten. Im Interview spricht sie über die Aktualität von Märchen, welche Figur sie gern selbst treffen würde und die Bedeutung von Fantasie.
Könntest du uns etwas über die Entstehungsgeschichte von Die Schwestern Grimm verraten? Wie kam es dazu, dass ihr die Bücher adaptiert habt?
Apple kam auf mich zu mit dem Projekt. Also habe ich mir das Buch angeschaut und dabei festgestellt, dass es ziemlich gut ist. Mir hat auch gefallen, dass es starke Frauenfiguren im Mittelpunkt gibt. Danach habe ich angefangen, mir die Hörbücher anzuhören. Mein Sohn, der damals etwa acht war, hat diese geliebt und sofort verschlungen. Danach war ich überzeugt, dass wir etwas Besonderes hatten und das machen sollten.
Warum sind die Bücher deiner Meinung nach so populär? Es gab schließlich neun Bände, es muss also viele Fans gegeben haben.
Ich glaube, ein Grund ist, dass sich die Geschichten so geerdet anfühlen. Natürlich hast du diese ganzen Fantasy-Elemente. Aber die Figuren sind so real, als hätten wir es mit wirklichen Menschen zu tun. Bei vielen Fantasy-Geschichten ist die Hauptfigur etwas überzeichnet. Uns war es wichtig, dass unsere Protagonistinnen normale Kinder sind, die es plötzlich in diese verrückte Welt verschlägt. Sabrina ist etwas aggressiv und traut niemanden. Aber das ist verständlich, da sie ihre jüngere Schwester beschützen will. Und sie hat dieses Trauma mit den Eltern, die spurlos verschwunden sind. Ich mag das, wenn eine Protagonistin nicht einfach nur nett ist, sondern auch ihre Ecken und Kanten hat. Als ich mit Michael Buckley, dem Autor der Bücher, über meine Ideen sprach, meinte er, dass ich ihn völlig verstanden habe.
Und war Buckley auch bei der Umsetzung mit dabei?
Er war einer der Executive Producers und anfangs auch beim Writer’s Room dabei. Insgesamt hat er mir aber das Projekt übertragen, mir viel Erfolg gewünscht und sich ansonsten herausgehalten. Ich habe ihn auf dem Laufenden gehalten, gerade auch bei den Änderungen. Aber er hat nicht viel Feedback gegeben?
Welche Änderungen gab es denn bei eurer Adaption?
Ich musste dieses große Buch nehmen und in sechs kurze Episoden aufteilen. Die große Herausforderung war zu entscheiden, was ich weglassen soll. Gerade weil diese Bücher auch so geliebt werden, war das eine schwierige Aufgabe. Es gab so viele tolle Figuren und witzige Szenen, die ich rauskürzen musste, um mich auf die zentrale Geschichte konzentrieren zu können.
Neben den beiden Schwestern gibt es in der Serie viele der klassischen Sagengestalten wie Riesen oder Hexen. Warum sind diese heute noch so populär?
Märchen wurden damals ausgedacht, um die Menschen vor Gefahren zu warnen oder ihnen Ratschläge zu geben. Die Geschichten und die Figuren sind in der westlichen Welt Teil unserer DNA geworden, weil sie uns dabei helfen sollten, in dieser Welt zu überleben. Und natürlich kamen später dann auch noch die Disney-Zeichentrickfilme, die diese Figuren auch bei späteren Generationen populär gemacht haben. Andere Kulturen hatten ihre eigenen Märchen. Bei den Inuit gibt es ganz viele übers Eis und Eismonster, um den Kindern zu sagen, dass sie sich nicht zu weit auf den gefrorenen See hinaus sollen. Das Prinzip ist aber dasselbe: den Kindern Lektionen mitzugeben, die ihnen beim Überleben helfen sollen.
Die Welt hat sich aber sehr verändert seit der Zeit, als diese Märchen entstanden sind. Sind die Märchen heute überhaupt noch zeitgemäß?
Die Märchen haben sich seither ja auch sehr verändert, es gibt unzählige Fassungen, die ganz unterschiedlich sind. Wenn du Schneewittchen nimmst, da gab es früher richtig brutale Versionen. Bei uns ist sie keine Damsel in Distress mehr, die auf die Rettung von anderen wartet, sondern gibt Martial-Arts-Kurse und nimmt ihr Schicksal in die eigene Hand. Das bedeutet auch für den Prinzen, dass er sich verändern muss, weil er nicht mehr rausgehen und die Welt retten kann. Unsere Welt ist eine andere und er weiß nicht so recht, was er damit anfangen soll. Es gibt also Wege, diese alten Geschichten für die heutige Zeit anzupassen.
Ein Teil des Spaßes bei der Serie besteht darin, all diese Figuren wiederzusehen. Wenn du dir ein Fabelwesen aussuchen könntest, das du gern treffen würdest, wer wäre das?
Ich habe als Kind immer Peter Pan geliebt und habe auch später ein wenig daran festgehalten. Nicht, damit die Kindheit weitergeht. Das ist ja nur ein Symbol dafür, nicht alles aufzugeben, sobald du erwachsen wirst. Ich mag diese Idee, sich die eigene Fantasie zu bewahren und sich nicht in feste Strukturen pressen zu lassen. Wenn ich die Chance bekäme, einmal nach Nimmerland zu gehen und Peter Pan zu treffen, wäre das meine Wahl.
Sabrina ist gerade dabei, diese Kindheit hinter sich zu lassen. Sie ist es auch, die sich sehr dagegen wehrt, dass diese Fantasiegestalten wahr sein könnten. Warum ist es so wichtig, diese Fantasie zu bewahren?
Sabrina musste nach dem Verschwinden der Eltern auch sehr schnell erwachsen werden. Sie war gerade mal zehn, als das geschehen ist, und das hat natürlich auf sie abgefärbt. Sie durfte diesen Teil von sich ja gar nicht mehr ausleben, konnte sich nicht Fantasien hingeben, weil sie sich um sich und ihre Schwester kümmern musste. Die Schwestern Grimm handelt dann eben auch davon, dass sie wieder lernt, ein Kind zu sein und staunen zu dürfen. Sie muss lernen, diese Skepsis hinter sich zu lassen und ihren Gefühlen Raum zu geben. Denn sie hat ein großes Herz. Es geht darum, dass sie sich wieder öffnet und die Welt anders sieht.
Und was erhoffst du dir für dein Publikum? Was sollen die Zuschauer und Zuschauerinnen mitnehmen?
Als wir mit der Serie begonnen haben, war COVID noch nicht lange her. Eine Zeit, die für uns alle ein Schock war und uns aus der Bahn geworfen hatte. Ich hoffe, dass das Publikum durch Die Schwestern Grimm das Gefühl bekommt, dass es immer ein Leben danach gibt und dass wir selbst entscheiden können, wie wir mit solchen traumatischen Situationen umgehen. Wir sind nicht dazu verdammt, alles zu wiederholen, sondern können selbst unsere Zukunft wählen. Oder wie wir es in unserer Serie sagen: Du bist der Autor deines Lebens und kannst deine eigene Geschichte schreiben. Das hört sich vielleicht wie ein Klischee an. Aber ich glaube wirklich daran und finde, dass das eine schöne Aussage ist.
Vielen Dank für das Interview!
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