Under the Grey Sky
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Under the Grey Sky

Under the Grey Sky
„Under the Grey Sky“ // Deutschland-Start: nicht angekündigt

Inhalt / Kritik

Nach den Präsidentschaftswahlen 2020 in Belarus mehren sich die kritischen Stimmen gegen das Regime des amtierenden Präsidenten Alexander Lukaschenko. Groß angelegte Proteste werden brutal niedergeschlagen, erste systemkritische Reporter verhaftet.  Als die Journalistin Lena (Aliaksandra Vaitsekhovich) mit einer ihrer Kolleginnen filmt, gerät sie ins Fadenkreuz der Polizeibeamten, die die beiden Frauen verhaften und ihre Ausrüstung beschlagnahmen.

Für Lenas Mann Ilya (Valentin Novopolskij) beginnt damit eine Zeit der Unsicherheit und der Angst, denn während er auf der einen Seite herausfinden muss, was mit Lena geschieht, muss auch er sich von der Polizei in Sicherheit bringen. Gemeinsam mit einer Anwältin will er versuchen, das Schlimmste zu verhindern, jedoch wird Lena wegen diverser Aktionen gegen den Staat zu einer Haftstrafe von zwei Jahren verurteilt. Nun ist auch Ilya gewillt, das Unrecht um ihn herum nicht mehr länger hinzunehmen und erzählt in den Medien sowie in sozialen Netzwerken seine und Lenas Geschichte. Das bleibt natürlich nicht ohne Folgen, denn nun will die Regierung auch ihn mundtot machen.

Widerstand oder Fliehen

Der Film Under the Grey Sky basiert auf dem Fall der belarussischen Journalistin Kazjaryna Bachwalawa, die von der Polizei verhaftet wurde, als sie deren brutales Vorgehen gegen Demonstranten filmte. Wegen Hochverrats angeklagt wurde sie zu einer Haftstrafe von acht Jahren verurteilt, die sie bis heute in ihrer Heimat Belarus verbüßt. Auch ihr Ehemann Igor Iljash wurde von den Behörden festgenommen, nachdem er sich an einer Protestaktion gegen die Politik Lukaschenkos beteiligt hatte. Die Festnahmen wie auch die Prozesse gegen die beiden sind mehr als dubios und zeigen mehr als deutlich, das Ausmaß des Terrors seitens des politischen Regimes in Belarus, wie auch Regisseurin Mara Tamkovich meint. Ihr Film, der derzeit auf dem Filmfestival filmPOLSKA zu sehen ist, zeigt zum einen die Brutalität des Regimes, zum anderen die Beziehung zweier Menschen, die Widerstand leisten wollten, obwohl ihnen die Konsequenzen für ihr Handeln bewusst waren.

Under the Grey Sky ist im Kern ein klassisches Widerstandsdrama, dessen Themen von universeller Bedeutung sind. Der Hintergrund der gefälschten Präsidentschaftswahlen und der daraus folgenden Massenproteste stellt die beiden Hauptfiguren vor eine schwerwiegende Entscheidung, die mehrmals in den Fokus der Handlung rückt. Bei einem Schachspiel in ihrer kleinen Wohnung bringt Ilya das Thema der eigenen Sicherheit zur Sprache – und man darf vermuten, dass dies nicht das erste Mal gewesen ist. Beim Schach kennt man die Züge des Gegners – in der Realität kämpfen Lena und Ilya gegen einen Gegner, der mit verdeckten Karten spielt.

Die Wohnung wirkt auf einmal weniger freundlich, fast schon klaustrophobisch eng, denn man ahnt, dass diese Unterhaltung eventuell nicht unter ihnen bleibt. Die Prinzipien, nach denen Lena und Ilya arbeiten, stehen auf dem Prüfstand, denn die politische Lage gepaart mit den ihnen bekannten brutalen Aktionen, zu denen der Staat bereit ist, erzwingen eine Neubewertung. Tamkovich ist nicht an Heldenbildern interessiert, wie sie vergleichbare Geschichten konstruieren, sondern an einer menschlichen, nachvollziehbaren Perspektive, wenn die eigenen Prinzipien und Werte gegen die persönliche Sicherheit und das eigene Wohl ausgelotet werden müssen. Die Brutalität der Behörden ist nur eine Seite des Unrechtsregimes – viel grausamer sind die stillen Momente wie dieser – und von denen hat Under the Grey Sky sehr viele.

Hilfloses Schweigen

Under the Grey Sky ist nicht alleine authentisch, weil er auf Archivaufnahmen der realen Proteste von 2020 zurückgreift, sondern weil er sich nicht im Melodrama verliert. Wie die Regisseurin selbst betont, war ihr eine subtile Darstellung von Emotionen wichtiger als eine explizite, wie sie die Handlung und die Themen sicherlich auch hergegeben hätte. Diese Herangehensweise fällt besonders positiv bei den Schauspielern auf, denn die Verzweiflung, die Wut und die Angst ihrer Figuren zeigen Aliaksandra Vaitsekhovich und Valentin Novopolskij über Gesten und ihre Körpersprache, was die Augenblicke des Schweigens in Under the Grey Sky fast unerträglich macht.

Nachdem Ilya mit einem Kollegen zahllose Gefängnisse aufgesucht hat, um seine Frau zumindest für wenige Minuten zu sehen, und ihm klar wird, dass er seine eigene Wohnung auf absehbare Zeit nicht mehr betreten darf, erreicht Tamkovichs Film so einen Moment. In den Minuten des Wartens schaut Ilya wortlos in die Dunkelheit, atmet schwer und es scheint fast so, als würde er vor unseren Augen merklich älter werden. Krzystof Trelas Kameraarbeit betont die semi-dokumentarische Inszenierung und hält eine gewisse Distanz zu einem Menschen, dessen Erschöpfung und Wut spürbar werden.

Credits

OT: „Pod szarym niebem“
Land: Polen
Jahr: 2024
Regie: Mara Tamkovich
Drehbuch: Mara Tamkovich
Kamera: Krzystof Trela
Besetzung: Aliaksandra Vaitsekhovich, Valentin Novopolskij, Palina Chabatarova

Trailer

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Under the Grey Sky
fazit
„Under the Grey Sky“ ist ein Drama, das vor dem Hintergrund der Proteste gegen die gefälschten Wahlen in Belarus 2020 zwei Menschen zeigt, die sich trotz großer Gefahr dafür entscheiden, sich gegen Unterdrückung und Gewalt zu wehren. Mara Tamkovich setzt weniger auf große Bilder, sondern auf stille Momente, die durch die subtilen schauspielerischen Leistungen sowie die Kameraarbeit eine große emotionale Wucht haben. Dem Zuschauer wird das menschliche Leid in einem System bewusst, das seine eigenen Bürger ins Fadenkreuz nimmt.
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