
Widerwillig nimmt der verschlossene Truckfahrer Eduardo alias Muñeco (Osvaldo Sanchez) den zwanzigjährigen Veneno (Víctor Miguel Prieto) auf der Fahrt in die mexikanische Stadt Saltillo mit. Die beiden Männer unterscheiden sich nicht nur im Alter. Während Muñeco zuhause eine Frau und Kinder hat, die er aber nur sehr selten sieht, hat Veneno anonymen Sex mit Männern auf Raststätten. Sein Geld verdient er mit Drogenhandel. Muñeco bietet dem Jungen an, sein heimliches Geschäft zu decken, um im Gegenzug selbst daran mit zu verdienen. Veneno stimmt zu. Zusammen kiffen und koksen sie und kommen sich dabei immer näher. Als auf einer Raststätte ein anderer Truckfahrer auftaucht und Veneno erpresst, ersticht er in Notwehr den älteren Mann, was die Beziehung von Muñeco und Veneno auf die Probe stellt.
Sex als Machtdemonstration
Das Image von Lastwagenfahrern ist genauso vom lateinamerikanischen Machismo geprägt wie Wrestler und Mafiabosse. In Cassandro zerlegte Gael García Bernal das Männlichkeitsbild eines schwulen Wrestlers und im Oscar-Hit Emilia Pérez spielte Karla Sofía Gascón einen Mafiaboss, der eine Transition als Frau unternimmt. In En el Camino sind es also die Truckfahrer. Einmal meint Muñeco, dass seine Berufsgenossen deswegen so guten Sex haben, weil sie den Körper einer Frau genauso “bedienen” müssen wie einen Wagenmotor. In dieser misogynen Aussage schwingt mit, dass Sex hier nichts mit Intimität oder gar Vertrauen zu tun hat. Im Gegenteil: Der Erpresser fordert von Veneno zuerst seinen Körper und danach sogar sein Geld. Sex – egal mit welchem Geschlecht – bedeutet in dieser Welt Machtdemonstration.
Daher durchzieht diesen Roadmovie eine düstere und bedrückende Grundstimmung. Mexikanische Mariachi-Songs aus dem Radio werden immer wieder übertönt von dunklen Drone Soundscapes (Musik: Andrea Balency-Béarn, Sound: Miguel Mata, Olivier Laurent, Laurent Chassaigne). Die Bilder der endlosen Wüste mit Friedhöfen von kaputten Trucks sind staubig, sandig und vor allem sehr dreckig (Kamera: Ximena Amann). Das Setting und die Geschichte erinnern ein wenig an La Caja von Lorenzo Vigas, wo ein Junge ebenfalls durch die mexikanische Einöde trampt und verzweifelt nach einer (Ersatz)Vaterfigur sucht. In En el Camino trägt Veneno auch eine tragische Familiengeschichte mit sich herum, die er im Laufe der Reise Muñeco erzählt.
Abgründiges Porträt von Mexiko
Regisseur David Pablos (Der Ball der 41) schildert sehr aufmerksam das soziale Milieu der beiden Hauptfiguren und fügt den realistischen Bildern noch eine alptraumhafte Dimension hinzu. In kurzen dazwischen geschnittenen Slow-Motion-Einstellungen werden Venenos Kindheit und seine dunkle Vergangenheit mit der Mafia angedeutet. Eine brennende Gestalt rennt durch die menschenleere Wüste. Aber nicht nur Veneno, sondern auch Muñeco wird lebenslang von traumatischen Bildern verfolgt. David Pablos zeichnet ein wahrlich abgründiges Porträt seines Landes.
Die beiden Schauspieler Victor Miguel Prieto und Osvaldo Sánchez bestechen durch ihr intensives leidendes Spiel. Beide Figuren suchen zwar die Nähe des anderen, aber können sich aufgrund des Bluts an ihren Händen und aufgrund ihrer Drogensucht kaum gegenseitig vertrauen. Der Film, der bei den Filmfestspielen von Venedig 2025 mit dem Queer Lion ausgezeichnet wurde, wird zunehmend brutaler, wenn Polizei und Kartellschergen auf den Straßen nach Veneno und Muñeco fahnden. Die bittere Erkenntnis ist, dass Gewalt in dieser Filmwelt jede Beziehung bestimmt.
OT: „En el camino“
Land: Mexiko
Jahr: 2025
Regie: David Pablos
Drehbuch: David Pablos
Musik: Andrea Balency-Béarn
Kamera: Ximena Amann
Besetzung: Víctor Miguel Prieto, Osvaldo Sanchez
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