Anoche conquisté Tebas Last Night I Conquered the City of Thebes
© DVEIN FILMS / AMADOR LORENZO

Last Night I Conquered the City of Thebes

Anoche conquisté Tebas Last Night I Conquered the City of Thebes
„Last Night I Conquered the City of Thebes“ // Deutschland-Start: nicht angekündigt

Inhalt / Kritik

António (Santiago Mateus), Jota (António Gouveia) und drei ihrer Freunde wandern zu einer heißen Quelle in der Nähe der Ruine einer römischen Festung. Die jungen Männer kennen sich schon lange und erzählen sich von ihren Online-Schlachten, in denen sie antike Schlachten, unter anderem die Schlacht an den Thermopylen, nachspielen. Als sie die Quellen erreichen, wechselt ihre Unterhaltung zu Themen wie ihren Zukunftsträumen und der Beziehung zu ihren Eltern.

Um sie herum kommen immer mehr Besucher zu den Quellen – Familien und Touristengruppen – und es wird schon bald sehr voll dort. Auch Führungen finden in der Nähe statt, in denen von der Bedeutung der Festung sowie der Quellen die Rede ist, die den römischen Soldaten einst Erholung boten. Als es dann Nacht wird, kommt es zwischen António und Jota zu einer längst überfälligen Aussprache, denn da sein Freund beschlossen hat, fernab der Heimat zu studieren, fühlt sich António einsam. Auch ihre Freunde plagen Sorgen wegen der Kriege in ihrer Heimat und deren Folgen für sie und ihre Familien.

Alternative Geschichten

Das Studium der Geschichte bedeutet unter anderem, dass man von der Vergangenheit Rückschlüsse auf die eigene Wirklichkeit ziehen kann. Diese Idee steht im Zentrum von Gabriel Azorins filmischem Schaffen, wenn in seinen Werken die Grenzen zwischen Vergangenheit und Gegenwart zerfließen. Bereits in seinem Kurzfilm The Noise of the Universe befasste sich der Spanier mit der Rolle der Vergangenheit für unsere Gegenwart – ein Gedanke, den er in seinem ersten Spielfilm Last Night I Conquered the City of Thebes aufgreift und weiterführt. In einem Statement zu seinem Film, der aktuell auf den Filmfestspielen in Venedig zu sehen ist, erklärt er, dass er „einen Zustand des Schwebens“ schaffen wollte, bei dem verschiedene Zeiten koexistieren können. Dabei erhält der geschichtsträchtige Handlungsort sowie die Beziehungen der jungen Männer eine wichtige Rolle, da ihre Sorgen und Wünsche ähnlich denen der römischen Soldaten, die an den Quellen einst Rast machten.

In vielen Besprechungen zu Last Night I Conquered the City of Thebes wird geschrieben, dass er wahrscheinlich nur ein spezielles Publikum ansprechen wird. Das soll nicht heißen, dass man keinen Zugang zu Azorins Film finden kann, jedoch seine Inszenierung sowie die Herangehensweise an die erwähnten Themen sich nicht jedem erschließen wird. Der Verweis auf die Filme Albert Serras ist dabei nicht unerheblich – nicht nur wegen des Stils, sondern auch wegen der Definition von Geschichte und zeitlichen Räumen. Wie bei Albert Serra verschwimmen Zeitgrenzen – doch während Serra diese Grenzen nur durchlässig macht, hebt Azorin sie völlig auf. Auch wenn die Kleidung und die Ausdrucksweise der jungen Männer auf die Gegenwart verweist, so scheinen ihre Gespräche über Feldherren, Schlachten und antike Städte auf eine ganz andere Zeitebene zu verweisen.

Diese bewusste Irritation findet sich ebenfalls in der Inszenierung des Handlungsortes wieder, der wie zu den Zeiten der Römer teils gesellschaftlicher und sakraler Raum ist, der es den Männern ermöglicht, über ihre emotionale Lage zu reden. Azorin erzählt eine alternative Geschichte, die nicht länger fern erscheint – sie ist uns näher, als man glaubt. Der Zugang zu dieser Ebene, auf die der Regisseur hinaus will, ist nicht einfach, aber wenn man sich darauf einlässt, sind die Bilder und Dialoge sehr einfühlsam und berührend.

Der Übergang in eine andere Welt

Die Begegnung mit der Vergangenheit lässt die Grenze zur Gegenwart zerfließen und ermöglicht den Übergang zu einer neuen Welt. Dies mag abstrakt wirken, jedoch begegnen wir der Geschichte auf Augenhöhe, was Parallelen zu aktuellen Konflikten und Missständen aufzeigt. Die heiße Quelle und die Ruine – eindrucksvoll eingefangen in einer Luftaufnahme von Kameramann Giuseppe Truppi – werden zu einem Schutzraum, in dem man sich öffnen kann. Was zunächst unbeholfen wirkt, wird spätestens bei Einbruch der Dunkelheit zu einem Dialog über Ängste und Sorgen. António fürchtet sich vorm Alleinsein und beweint den Verlust des Freundes, der fernab der Heimat studiert.

Pompey (Pavel Cemerikic) und Aurelius (Oussama Asfaraah) erzählen vom Krieg, der sie bald erwartet, und ihrer Familie, die sie lange nicht sehen werden. Sie diskutieren darüber, zu desertieren, was zu einem Konflikt ihrer sehr unterschiedlichen Ideale führt. Ihre Sorgen und Nöte könnten auch junge Menschen heute beschäftigen angesichts großer Unsicherheit und Kriege auf der Welt, wobei Azorin offen lässt, ob es um aktuelle oder vergangene Kriege handelt. Dazwischen deutet Azorin jedoch immer wieder durch den Humor und die Albernheiten seiner Hauptfiguren die Schönheit der Jugend an, die im Konflikt mit sich und der Welt ist. Sie sind in einem Zustand der Schwebe, doch dieser könnte auch eine Chance bedeuten, etwas zu wagen.

Credits

OT: „Anoche conquisté Tebas“
Land: Spanien, Portugal
Jahr: 2025
Regie: Gabriel Azorin
Drehbuch: Gabriel Azorin, Celso Giménez
Kamera: Giuseppe Truppi
Besetzung: Pavel Cemerikic, Santiago Mateus, António Gouveia, Oussama Asfaraah

Bilder

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Last Night I Conquered the City of Thebes
fazit
„Last Night I Conquered the City of Thebes“ ist ein sehr eigenwilliger, aber auch sehr berührender und wunderschön inszenierter Film. Regisseur Gabriel Azorin lässt die Grenzen zwischen Vergangenheit und Gegenwart zerfließen und betont, wie die Nöte und Hoffnungen einer Epoche sich wiederholen und welche Bedeutung sie für uns heute haben könnten. Der Inszenierungsstil ist nicht immer einfach, doch wer sich auf ihn einlässt, bekommt einen sehr interessanten und menschlichen Blick auf die Rolle der Geschichte für uns alle.
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