
Auf einem weitläufigen, großzügigen Anwesen leben drei Frauen (Magdalena Fejdasz-Hanczewska, Helena Ganjalyan und Daniela Komędera) komplett abgeschirmt von der Außenwelt. Für ihr Wohl ist gesorgt: Essen und Trinken gibt es reichlich. Zudem gibt ihnen eine Stimme immer wieder neue Aufgaben, so lernen sie zum Beispiel neue Sprachen und werden in diesen geprüft. Daneben unterhalten sie sich mit ein paar einfachen Spielen oder faulenzen einfach in dem schönen Innenhof des Anwesens. Jedoch planen die drei Frauen bereits insgeheim die Flucht aus dieser Idylle, die für sie eher einem Gefängnis gleicht. Mit dem Eintritt des neuen Sommers, der nur wenige Tage entfernt ist, wollen sie ihren Plan in die Tat umsetzen und endlich die hohen Mauern überwinden. Als der große Tag dann bevorsteht, geschieht aber etwas, das ihre Situation in einem neuen Licht erscheinen lässt.
Die Sprache der Unterdrückung
Die Idee zu Glorious Summer geht zurück auf ein Performance-Projekt zu William Shakespeares Drama Richard III., das im Rahmen des Shakespeare Festivals in Gdansk 2020 aufgeführt wurde. Jedoch waren Helena Ganjalyan und Bartosz Szpak mit der Umsetzung nicht ganz zufrieden, besonders nicht bezogen auf Themen wie Unterdrückung und Sprachmanipulation, die in dem Drama eine gewichtige Rolle einnehmen. In ihrem Film Glorious Summer, dessen Titel ebenfalls auf Shakespeares Drama zurückgeht, wollen Ganjalyan und Szpak diese Themen weiterdenken und so umsetzen, wie sie es eigentlich schon 2020 vorgehabt hatten. Das minimalistische Setting in Verbindung mit der idyllischen Natur verbinden die beiden Regisseure zu einer Geschichte über die Beeinflussung durch Sprache, über Barrieren zwischen Menschen und inwiefern die Wahrheit über die Welt von den Mächtigen kontrolliert wird. Glorious Summer, der gerade auf dem polnischen Filmfestival filmPOLSKA zu sehen ist, entwickelt nicht zuletzt wegen seiner Bildsprache eine Wirkung, die zwischen hypnotisch und bedrückend changiert.
Von der Grundidee her erinnert vieles in Glorious Summer an bekannte Werke der dystopischen Literatur. Während das Konzept von Sprache als Werkzeug der Manipulation Bezüge zu George Orwells 1984 zulässt, erscheinen die idyllische Welt und die Betonung auf Unterhaltung der Bewohner wie ein vergessenes Kapitel aus Aldous Huxleys Schöne Neue Welt. Wenn die drei Frauen unterschiedliche Sprachen lernen und immer wieder Vokabeln oder ganze Sätze auf Arabisch, Spanisch oder Deutsch hören (und wiederholen) müssen, erinnert dies mehr an Drills, die der Kontrolle dienen. Das Wechselspiel aus Lerneinheiten und Spielen erscheint ebenfalls wie ein Ablenkungsmanöver, das die wahren Motive hinter dem monotonen Einerlei der Tage verbergen soll. Wie die drei Figuren bemerkt das Publikum Risse in diesem scheinbar sorgenlosen Alltag und in dieser Welt, in der es irgendwie immer Sommer zu sein scheint. Die Farben des Sonnenuntergangs vermischen sich mit denen eines fernen Gefechts oder einem unheilvollen Grollen, das nichts Gutes erahnen lässt. Es bedarf einer neuen, noch nicht von der Ideologie des Kontrollierenden durchsetzten Sprache, damit ein Ausbruch nicht nur möglich ist, sondern auch kommuniziert werden kann.
„Dies ist dein Platz.“
Wie schon gesagt, es genügt ein oberflächlicher Blick, um die Störungen in dieser Idylle zu erkennen. Die Botschaft, dass das Haus und der Garten die einzige Heimat sind, welche die drei Frauen benötigen, ist ein mehr als eindeutiger Verweis auf Unterdrückung und Kontrolle. Inwiefern Glorious Summer feministische Positionen ist nicht eindeutig – auch wenn viele Kritiken des Films diese eindeutig erkennen wollen. Das Minimalistisch-Parabelhafte der Inszenierung lässt mehrere Deutungen zu, beispielsweise auf das Konzept der sozialen Filterblasen oder den gesellschaftlichen Drang nach mehr Konformität, was natürlich von bestimmten Instanzen geregelt und motiviert wird. Magdalena Fejdasz-Hanczewska, Helena Ganjalyan und Daniela Komędera spielen in Glorious Summer daher drei sehr unterschiedliche Frauentypen, deren Akzeptanz der herrschenden Ordnung variiert. Besonders deutlich und dramaturgisch interessant ist dies bei den Proben für ihren Fluchtversuch. Hier zeigen sich neue Hierarchien und Kontrollmechanismen, die den Eindruck verdeutlichen, dass konditionierte Mechanismen der Manipulation von Menschen übernommen und angewandt werden.
OT: „Glorious Summer“
Land: Polen
Jahr: 2025
Regie: Helena Ganjalyan, Bartosz Szpak
Drehbuch: Helena Ganjalyan, Bartosz Szpak
Musik: Bartosz Szpak
Kamera: Tomasz Woźniczka
Besetzung: Magdalena Fejdasz-Hanczewska, Helena Ganjalyan, Daniela Komędera, Weronika Humaj
SXSW 2025
filmPOLSKA 2025
Bei diesen Links handelt es sich um sogenannte Affiliate-Links. Bei einem Kauf über diesen Link erhalten wir eine Provision, ohne dass für euch Mehrkosten entstehen. Auf diese Weise könnt ihr unsere Seite unterstützen.
(Anzeige)

