
Wenn ein Paar in seiner Beziehung feststeckt, hat es mehrere erfolgsversprechende Möglichkeiten, um zurück in die Liebesspur zu finden: Kinder kriegen, heiraten, swingern, Wellnessurlaub … Wanda (Zofia Chabiera) und Janek (Marcin Sztabiński), die sich seit geraumer Zeit überhaupt nicht mehr riechen können, entscheiden sich für etwas Extremeres – sie wandern mitten im Winter die schneebedeckte polnische Ostseeküste entlang, beladen nur mit dem Nötigsten und einem Zelt, um wieder zueinander zu finden und über ihre Alltagsquerelen hinwegzukommen. Im Laufe ihrer Reise kommen sie immer wieder in urkomische Situationen, allerdings auch in dramatische, rührende, unvorhersehbare. Schafft es Regisseurin, Drehbuchautorin und Kamerafrau Maria Zbąska in ihrem leicht komödiantischen Beziehungsdrama, die beiden Streitvögel wieder zusammenzubringen?
Was gibt’s hier noch zu retten?
Anfangs scheint es wirklich aussichtslos: Wanda und Janek sind seit Ewigkeiten zusammen, fangen nach einem holprig-turbulenten Start jedoch an, immer weniger Freude aneinander zu haben. Es stellt sich die Frage, warum dieses Pärchen überhaupt noch eins sein möchte. Aber naja, jede Person, die mal eine dysfunktionale Beziehung führte, sollte mit dieser Dynamik resonieren können: Man kann nicht miteinander, man kann aber auch nicht ohneeinander. So rekapitulieren Wanda und Janek verschiedene Stationen ihrer (Hass-)Liebe, während sie durch meterhohe Schneedecken hindurchstapfen; dabei entsteht der Eindruck, dass nicht mehr allzu viel fehlt, bis sie sich ernsthaft gegenseitig an die Gurgel gehen. Zwischen all den Beschimpfungen und Verballhornungen sind allerdings ganz viele menschliche Gefühle zu spüren, es gibt noch warme Momente, es gibt Trauer, Streit, Humor, Zärtlichkeit.
Auch wenn die Prämisse etwas absurd anmutet (wobei, es gibt sicherlich Paare, die noch verrücktere Dinge taten, um ihre Beziehung zu retten), sind die Geschehnisse innerhalb der Zwischenmenschlichkeit ganz und gar realistisch. Die Dialoge hören sich überzeugend lebendig und authentisch an, mit fortwährenden kleinen, abstrusen Zwischenkommentaren (wie einer amüsanten „Blumenkohl“-Allegorie), die Charaktere präsentieren sich vielschichtig und mit emotionalem Tiefgang. Es ist weniger die Gesamtstory, die mitreißt, als die kleinen, spontan anmutenden Sidequests und Wortspielereien. Geht es am Ende nicht auch umso mehr um die flüchtigen Momente im Leben, die Freude bringen? So isst Janek voll Wonne eine Schale Pommes oder spielt betrunken mit einem Fischer (Mariusz Saniternik) Fußball am Strand, während Wanda Robben in einem Aquarium anguckt. Das Problem ist: Bei diesen Beiden geschehen die glücklichen Situationen eher unabhängig voneinander als miteinander. Das letzte Zeichen, dass es niemals mit ihnen klappen könnte?
Zwischen Witz, Wärme und Hitzigkeit
Nicht nur die schauspielerische Leistung und somit die On-Screen-Wechselwirkung von Wanda und Janek ist eine Wohltat für Herz und Hirn, auch die Sehrezeptoren werden von Das ist nicht mein Film mehr verwöhnt als es das verkrachte Paar gegenseitig tut. Die eisige Frostseelandschaft mit ihren endlos scheinenden Weiten und der weitestgehend unberührten Natur ist von vornherein ein dankbarer Drehort, Maria Zbąska versteht es aber, diese äußerst ansehnlich in Szene zu setzen. Nordische Kälte trifft auf schön zueinanderpassende Farbakzente und die Kamera scheut sich nicht davor, oftmals mit Leere zu arbeiten: Weitwinklig aus der Entfernung, mit klaren, statischen, geometrischen Kompositionen, die von der Intimität im Zelt oder in der Wohnung aufgebrochen werden.
Das ist nicht mein Film erfindet das Rad zwar nicht neu, macht allerdings vieles richtig. Zeitsprünge, Rückblenden und unerwartete Entwicklungen halten die entschleunigte Wanderung frisch und kurzweilig, das Drehbuch setzt den eindeutigen Fokus auf die Beziehung zwischen Wanda und Janek und streut nebenbei nur einige Auflockerungen ein, ohne allzu weit vom Kernthema abzudriften. Immer wieder findet der Film zu den Beiden zurück, wie auch sie wieder zueinander zurückfinden möchten, es zwischenzeitlich schaffen, nur um noch krachender auseinanderzubrechen – für solche hoffnungslos miteinander verwobenen Seelen ist jedes Ende aber auch ein neuer Anfang. All diese Ansätze bieten eine gelungene Abwechslung zu den häufig arg dramatisierten, erratischen Beziehungs-Festivalfilmen (die durchaus ihre Daseinsberechtigung haben, nun aber schon länger im Trend sind, was für Ermüdungserscheinungen sorgt) mit folgendem Resultat: Eine Geschichte muss nicht jedes Mal ein bedeutungsschwangerer Brecher sein, um tiefe emotionale Verbindungen aufzubauen sowie darzustellen.
OT: „To nie mój film“
IT: „It’s Not my Film“
Land: Polen
Jahr: 2024
Regie: Maria Zbąska
Drehbuch: Maria Zbąska, Kazimierz Zbąski
Musik: Anja Garbarek
Kamera: Maria Zbąska
Besetzung: Zofia Chabiera, Marcin Sztabiński, Mariusz Saniternik
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